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Aufwärts
Jahrgang 20, Nr. 7 (July 15, 1967)
H. P.
Das war in Duisburg, pp. 16-17
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Duisburg E in bedenklicher Anlaß - eine ein- drucksvolle Demonstration politisch fundierten Engagements und kabaretti- stischer Brillanz: Der ~Notstandsreport der Jugend", veranstaltet Ende Juni in Duisburg von jungen Gewerkschaftern, Studenten, Naturfreunden und Falken Nordrhein-Westfalens, brachte rund 4000 Teilnehmer auf die Beine. Am Vorabend einer möglichen Verab- schiedung von zwei neuen Notstands- gesetzen begnügten sich die Veran- stalter nicht damit, zu sagen, daß sie die Notstandsgesetze für den eigentlichen Notstand der Demokratie halten. Sie sagten auch, warum sie dieser Meinung sind. Sie hatten einleuchtende Argu- mente, die sie zunächst in drei Forum- diskussionen zur Sprache brachten. Georg Benz, Vorstandsmitglied der IG Metall, faßte diese Argumente in einer vielbeachteten Rede zusammen, in der er das Nein der DGB-Gewerkschaften zu jeder Notstandsgesetzgebung noch ein- mal begründete: Notstandsgesetze sind überflüssig; die Bestimmungen der Landesverfassungen reichen aus; eine fortschrittliche Deutschlandpolitik wird erschwert; schon zu Friedenszeiten können. Arbeit- nehmer dienstverpflichtet werden; das Streik- und Koalitionsrecht ist bedroht; gegen streikende Arbeitnehmer kann die Bundesregierung Militär als ~Polizei- kräfte" einsetzen. Jahrelang reisten Deutschlands Indu- striekapitäne auf der demokratischen Welle. Nun sind sie kräftig für Notstands- gesetze. Kabarettist Hannes Stütz vom ~Münchener Rationaltheater", Mitwirken- der einer großen Nachmittagsveranstal- tung in der Mercatorhalle unterdem Motto ,,Notstandszeit", kennt die Gründe für diesen Wandel, der gar kein Wandel ist. ~Die Katze läßt das Mausen nicht" singt er und meint die Unternehmer, die nur solange gute Demokraten sind, wie die Kasse stimmt, wenn es kriselt aber flugs die joviale Partnerschaftsmaske fallen lassen. Faschistoide Tendenzen versucht .pardon"-Redakteur Günter Wallraff einigen großen Industriebetrie- ben beim Aufbau von Werkselbstschutz- gruppen nachzuweisen. Von Gruppen übrigens, die es in weitaus gemäßigteren Formen nur nach einem Gesetz geben darf, das noch nicht in Kraft getreten ist. Wallraft verliest in der Mercator-Halle den Text seiner Reportage aus der Juni- nummer von <pardon". Der Militärputsch in Griechenland ist für Protestsängerin Fasia ein alarmierendes Indiz dafür, wie gefährlich Notstands- gesetze für die Bevölkerung eines Lan- des werden können: ~In Athen im April in der Nacht". Eine Fixierung unserer gesellschaftlichen und politischen Situa- tion versucht der Schriftsteller Erasmus Schäfer. Sie fällt sehr skeptisch aus. Die Duisburger Kabarettgruppe <Die Pfefferlinge" heizt unseren Politikern ordentlich ein. Höhepunkt der Veranstaltung: Dieter Süverkrüp singt herrlich unverschämte Songs auf Mißstände in unserem Land. Ein paarmal bleibt er stecken. Die Lieder sind brandneu, einige zum erstenmal in der Öffentlichkeit vorgetragen. Bei sei- nem Text über den Notstand stockt einem der Atem. Eine geballte Ladung gegen den Not- stand mit Notstandsgesetzen. Ob die- jenigen, aut die sie abgeschossen wurde, sich getroffen fühlen? H. P. Fotos: Udo Hoffmann
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