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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 5 (May 15, 1966)
Hadobu
Die Baujugend traf sich in Berlin, pp. 18-19
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eb Baujugend tral Keine Regieanweisungen eines Regisseurs. Jugendsekretär Arno Kerlisch (rechts) im Gespräch mit jungen Delegierten Veteran der Bauarbeiter im Gespräch mit einem Delegierten S chönere Tage konnte die geteilte Hauptstadt unseres Landes den 84 Delegierten der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, die zu ihrem 6. Ju- gendtag kamen, kaum schenken, denn die ersten Maitage waren sommerlich warm. Die Jüdische Gemeinde der Stadt hatte ihren schönen Konferenzsaal zur Verfügung gestellt. Willy Brandt, der Regierende Bürgermeister der Stadt, war zur Begrüßung gekommen und forderte die Jugend zu politischer Bildung auf, betonte ihr Recht auf eine eigene Mei- nung, warnte vor Lautstärke, die keine Argumente in der politischen Diskussion ersetze und bekannte sich zum unver- brüchlichen Recht der Jugend, ihre Mei- nung mit Leidenschaft und Temperament zu vertreten. Stürmischer Beifall dankte ihm. Viele Gäste waren der Einladung ge- folgt, fast der gesamte Vorstand der Ge- werkschaft nahm an der Konferenz teil. Günter Stephan vom Vorstand des DGB, Vertreter der Baujugend aus Holland, Österreich und der Schweiz, Jugend- sekretäre der anderen deutschen Ge- werkschaften, Vertreter der Parteien und viele andere Freunde der Jugend fanden für ihre Arbeit gute Worte. Eröffnet wurde die Konferenz durch zwei Künstler, die die Erklärung der Menschen- rechte der Vereinten Nationen verlasen. Jürgen Jöns wies in seiner Eröffnungs- rede darauf hin, daß bis zur Verwirk- lichung der proklamierten Menschen- rechte noch viel zu tun sei. Ein Blick auf unsere Welt zeige, wie weit wir von diesen Idealforderungen noch entfernt seien. Mit Stolz wies Jürgen Jöns darauf hin, daß die Lehrlinge der Bauindustrie mit ihrer Entlohnung an der Spitze aller Lehr- lingsvergütungen ständen, aber gegen die Vergütungen, die in anderen Indu- strieländern gezahlt würden, sei sie nicht hoch genug. Das Hauptreferat hielt mit dem Thema ~Gewerkschaften im Spannungsfeld" der 1. Vorsitzende der Gewerkschaft Bau- Steine-Erden, Georg Leber, der sich Ins- besondere mit der Stellung der Gewerk- schaften zum Staat befaßte. Das Referat -wir drucken an anderer Stelle einen Teil ab - fand allerdings in der anschließen- den Diskussion einige Gegenargumente. A rno Kerlisch, der Jugendsekretär beim Hauptvorstand, gab in seinem Ar- beitsbericht ein Bild der schönen aber auch mühseligen Arbeit, die in 104 Ju- gendgruppen vor sich geht, insbesondere die Arbeit der Gruppenleiter erfordere ein hohes Maß von Idealismus. Es sei die besondere Aufgabe, Kenntnisse und Verständnis für politische Fragen zu ent- wickeln, ein demokratisches Staatswesen brauche selbstbewußte, kritische und unbequeme Bürger. Kerlisch betonte, daß zwar die Zahl der Betriebsjugendver- treter sich in den letzten Jahren verdrei- facht habe, aber längst seien noch nicht in allen Betrieben solche gewählt worden. Es sei heute schon notwendig, die Vor- bereitungen für die Wahlen im Jahre 1967 zu treffen. Er ging dann auf die Misere in der Hand- habung des Jugendarbeitsschutzgeset- zes ein und sagte, daß alle Mitglieder, Funktionäre und Betriebsräte sich für den Schutz der Jugend im Betrieb ein- setzen sollten, mehr denn je müßten die Unternehmer zur Einhaltung der gesetz- lichen Bestimmungen gezwungen wer- den. Kerlisch gab bekannt, daß über 50 v.H. der Mitglieder der Gewerkschaft unter 35 Jahren alt sei. Es würde in den kommen- den Jahren eine enorme Anstrengung gemacht werden, um junge Mitglieder unter 21 Jahren zu werben. Die Voraus- setzungen seien gut. Einen großen Teil des Berichtes nahmen die Bildungsfragen ein. Kerlisch sagte: ~Unsere gewerkschaft- liche Jugend-Schulungs- und Bildungs- arbeit müßte - so sollte man eigentlich meinen - auf den staatsbürgerlichen Unterricht der von den Jugendlichen be- suchten Schulen aufbauen. Wir wären glücklich, wenn es so wäre. In jedem demokratischen Staat hat auch die Schule die Aufgabe, den jungen Men- schen mit seinen demokratischen Rech- ten und Pflichten vertraut zu machen. Leider müssen wir bei unseren Lehr- gängen immer wieder feststellen, daß diese Voraussetzungen nicht ausrei- chend gegeben sind." Kerlisch ging dann kritisch auf den Jugendbericht der Bundesregierung ein, gab ein Bild der vielseitigen Bildungs- arbeit für die Jugend, betonte die inter- nationalen Verbindungen mit der Bau- jugend anderer Länder, wies auf die Ost- West-Seminare hin, berichtete von einer Israel-Fahrt der Baujugend, gab breiten Raum der Berufsförderung, die in der Gewerkschaft für die Jugend getan wird, forderte die endliche Verabschiedung eines Berufsausbildungsgesetzes durch den Bundestag und schloß seinen Bericht mit den Worten: ,Die Kollegialität verbindet uns mitein- ander. Möge der Geist der Freundschaft weiter- hin Ansporn für uns alle sein, aktiv in unserer zielbewußten erfolgreichen Ge- werkschaft mitzuwirken, zum Wohle der schaffenden Jugend in der Bauwirt- schaft!" Eine lange Diskussion folgte, in der ins- besondere betont wurde, daß die Wirk- lichkeit in den Betrieben leider in vielen Fällen dem so oft geäußerten Gesin- nungswandel der Unternehmer hohn- spreche. Das ging auch aus dem Referat des Kol- legen Jöns hervor, der über das Thema: ,Der junge Arbeitnehmer und seine Arbeitsbedingungen" sprach. V iole Forderungen haben die jungen Bauarbeiter noch zu erheben, das ging aus den über 40 Anträgen und Ent- schließungen hervor, die der Konferenz zur Beschlußfassung vorlagen. Neben innerorganisatorischen Fragen waren es insbesondere: Tarifliche Regelung der Lehrlingsver. gütungen. Voller Lohn nach bestandener Gese. lenprüfung. Vermögensbildungdurch Tarifvertrag auch für Lehrlinge und Jugendliche. Mindestens 24 Tage Urlaub für alle Arbeitnehmer. Regelung der Arbeit und des Urlaubs der Lehrlinge zwischen Weihnachten und Neujahr. Mindestens 12 Stunden Berufsschul. zeit in der Woche. Tarifvertrag über Berufsausbildung. Ausbau des zweiten Bildungsweges. Zusätzlicher Bildungsurlaub. Kündigungsschutz für Betriebsju- gendsprecher. Weitere Anträge verlangen von der Bun- desregierung für den Jugendaustausch mit anderen Nationen die gleiche Unter- stützung wie beim deutsch-französischen Jugendaustausch.
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