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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 5 (May 15, 1966)
Amendt, Gerhard
007 James Bond oder Das Leben ist nicht der höchste Wert, p. 5
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107 James Bond oder Das Leben ist nicht der höchste Wert it James Bond ist ein Leitbild auf- getaucht, dessen wesentlichstes erkmal der technifizierte Mord ist. Mit räzision und einem nie versagenden lordinstrumentarium vollzieht er Hin- chtungen mit der grauenhaften Selbst- erständlichkeit, wie sie den Mördern von uschwitz geläufig war. Mit James Bond st in der Tat die Logik von Auschwitz bermals ausgerufen. Sie lautet: Befehl t Befehl. Die Frage nach der Moral und er Gerechtigkeit wird nicht gestellt, weil er Befehl stillschweigend mit der ge- chten Sache identifiziert wird. Ja, die rage nach der Moral zu stellen, heißt ereits, sich jener <intellektuellen Sach- chkeit" verdächtig zu machen, die mit er entstellten Fratze des Feindes in Ver- ndung gebracht wird. Selbst dort, wo ames Bond sich als unwiderstehlicher rauenheld gibt und dafür Bewunderung nd Nachahmung erntet, wird seine enschenverachtung sichtbar. Denn die auen sind ihm Objekte, bloße Ge- auchsgegenstände, die er je nach stra- gischer Notwendigkeit den Kugeln sei- er Feinde opfert. Und es mag mehr als edenklich stimmen, daß Bond trotz aller ,nischen Menschenverachtung nicht ur als Symbol ,idealer Männlichkeit" epriesen, sondern auch anerkannt wird. ber jene Anerkennung wird ihm nur teil, weil er alle uneingestandenen und eheimen Wünsche und Sexualvorstel- ngen seiner Verehrer mit großer Selbst- rständlichkelt verwirklichen kann, die rade seinen Bewunderern die Enge irgerlicher Normen vorenthält. Bond ist e Ersatzbefriedigung für alles, was inen Bewunderern bei Strafe verboten ist. Darüber hinaus befriedigen die Bond- Filme auch jene zerstörerischen Wün- sche und sadistischen Neigungen, die überall vorhanden sind, um sie aber auch gleichzeitig zu fördern und zu steigern. Das Potential an Sadismus und Selbst- zerstörung wird dadurch vergrößert. Und um den Versuch, sich aus diesem unsichtbaren vergewaltigenden Zirkel zu befreien, nämlich die Frage nach Moral und Gerechtigkeit zu stellen, um diesen Versuch zu unterbinden, gibt James Bond in allen seinen Handlungen und mit euthanasiegleicher <Sauberkeit" aus- geführten Morden zu verstehen, was sich für den <guten" Demokraten schickt. Er hat James Bond zufolge sich anstands- los dem anzupassen, was er in der Gesell- schaft vorfindet und was von ihm gefor- dert wird, sei es im Betrieb oder in poli- tischen Organisationen. Demokratie wird als blinde Anpassung gepriesen und nicht als Mitarbeit in Form von konkreten Vorstellungen und Kritik. Demokratie heißt nach dem ,Bondschen Rezept", die technischen Handgriffe leisten, die der technische Apparat erforderlich macht. Mit dieser These, die unausgesprochen alle Bond-Filme durchzieht und alle seine Aktionen kennzeichnet, wird der politi- sche Gehalt der Filme sichtbar. Daß ~Feuerball" oder ,Goldfinger" nicht bloße Unterhaltungsfilme sind, die mit der gesellschaftlichen Praxis und Theorie mächtiger Interessengruppen nichts zu tun haben, läßt sich wohl kaum länger mehr behaupten. Der technische Appa- rat, der den einzelnen zum Handlanger von Kontrollknöpfen macht, ist'angeblich so allmächtig und verselbständigt, daß sogar die Politiker nichts mehr gegen ihn vermögen, sie sind ähnlich dem Kontrol- leur an einer automatischen Walzstraße der Eigengesetzlichkeit der Monster- apparatur ausgeliefert, sie sollen eben- falls nur noch Ausführende sein. Nach dieser Behauptung gäbe es auch keine politischen Alternativen mehr, denn die Richtung, die der Apparat eingeschlagen hat, ist nicht mehr zu verändern, also auch nicht die Produktion von Vernich- tungsmitteln. Der Mensch wäre damit zum bloßen Anhängsel einer zerstöre- rischen Produktion geworden. Bei Bond ist diese These am drastisch- sten verwirklicht in der Selbstverständ- lichkeit, mit der Mordwaffen zu Gegen- ständen des täglichen Gebrauchs wer- den und Atombomben zu umgänglichen saubergefegten Metallkörpern, die sich nach Belieben im Wasser spazieren fah- ren lassen. Das neutralisierende, wenn nicht sogar verschönende Wort Feuerball soll nicht nur vom Grauen eines Hitze und Ver- seuchung zersprengenden Atompilzes ablenken, sondern uns darüber hinaus an das Leben mit der eigenen Vernich- tungsmöglichkeit gewöhnen, so als seien Atombomben und chemische Waffen aus der Eigengesetzlichkeit des tech- nischen Apparats zu erklären und nicht aus politischen und militärischen Ent- scheidungen, die nachweislich anders aussehen können. In einer Welt, in der der technische Ap- parat sich vom lenkenden Handeln der Menschen befreit hätte, wären Typen wie James Bond wahrhaft ,ideale Men- schen". Sie würden ohne Gewissen han- deln, sich nur auf den Befehl berufen, der auf technischer Notwendigkeit beruht. James Bond als ein möglicher Techniker eines solchen von Sachzwängen be- stimmten Prozesses zeigt die katastrO- phalen Folgen für das, was man unter dem Begriff <Mensch" versteht. Denn jede Humanität würde sich gänzlich auf- heben, und es blieb nichts Erstrebens- wertes mehr übrig. Was die James-Bond- Filme hier propagieren, sollte an Ausch- witz erinnern, wenn wir uns die Folgen der Bond-Filme ausmalen wollen. Aber diese These von einer allmächtigen Tech- nokratie, die den einzelnen wie auch den Politiker als machtlos hinstellt im An- gesicht des technischen Apparates, ist Ideologie, ist falsches Bewußtsein. Denn es zeigt sich gerade im Gegenteil, daß jede noch so kleine politische Entschei- dung von großem Gewicht für den Weg in die Zukunft ist. Das läßt sich in unse- rem Land an der Haltung der Gewerk- schaft in den Fragen der Notstandsge- setzgebung und der Mitbestimmung schlagend beweisen. James Bond ist der Inbegriff der Man- schenfeindlichkeit. Der mangelnde poli- tische Einfluß des einzelnen auf die aktuelle Politik wird bei Bond als eine Notwendigkeit des technischen Apparats erklärt, so als könne man daran nichts ändern, mit dem deutlichen Hinweis, daß der einzelne sich fügen soll, wenn er nicht mit den Interessenten der Bondschen These hintereinander kommen will. Bond sollte uns eine deutliche Warnung seinl Gerhard Amendt
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