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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 4 (April 15, 1966)
Averhoff, Thomas
Wenn Jesus wüßte, was auf der Welt geschieht..., pp. 22-23
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Wenn Jesus wüßte, was auf der Welt geschieht. Folklore-Welle rollt nun auch in Euro- pa - Erste deutsche Protestsänger - Beat und 1000 Kampfansagen: Joan Baez, Bob Dylan, Barry McGuire, P. F. Sloan / Von Thomas Averhoff E ssei ein Risiko, über Jesus zu schrei- ben, sagte mir ein Freund. Aber ich riskiere es. Ich frage mich, ob Jesus weiß, was in unserer Zeit auf der Welt geschieht. Zögere nicht, wieder einmal vorbeizukommen, Jesus!" Diese unge- wöhnlichen Zeilen schreibt das neue Idol der amerikanischen Jugend auf die Hülle einer seiner Schallplatten. Dieses Idol ist 23 Jahre alt. Eine schwarze Haar- flut stürzt von seinem Haupt. Es stammt aus gutem Hause, heißes mexikanisches Blut fließt in seinen Adern. Joan Baez heißt das Mädchen, dessen Stimme die jungen Leute in Amerika aufrüttelte. Sie steht im Begriff, auch die europäische Jugend in ihren Bann zu ziehen. Die Amerikanerin Joan Baez, deren Vater bei der UNESCO in Paris arbeitet, singt Lieder, die weder Jazz noch Beat sind, weder Volkslieder noch Chansons - sie sind alles zusammen. Joan Baez ist die beste Vertreterin jener neuen Welle, die Protest- und Folkloresongs auch an un- sere Küsten spülte. Woraus besteht die- se Woge, was wollen diejenigen, die sie in Bewegung setzten? Schon vor Jahren betraten zwei Männer und eine junge Frau die Szene des ame- rikanischen Musikmarktes: Peter, Paul and Mary. Sie brachten etwas, das wir in Deutschland als ~modernes Volkslied" umschreiben würden. Peter, Paul and Mary machten mit ihren Gitarren und ihrem Gesang den Folksong populär. Immer mehr Sänger verschrieben sich der Folklore. Ihr Plattenabsatz schnellte in Rekordhöhe. Schließlich verbrüderte man sich mit dem Beat, dessen Grund- bestandteile wiederum dem Jazz ent- stammen. Es entstand der Folk-Beat. Der Folksong verwendete zwar überliefertes Liedgut, kleidete es aber in moderne For- men. Schließlich blieb es auch dabei nicht. Man schmiedete neue Texte, Altes und Neues angriffen, die Mensch und den Krieg, die Gleichgültigkeit u die Tradition. Der engagierte Folksi entstand, das Problemlied, der Protei song. Wer schrieb die neuen Texte, wer Musik, wer sind die Führer der neuen E wegung? Vier Namen muß man sich allem merken: Bob Dylan, Barry McGu P. F. Sloan - und Joan Baez. Der prodt tivste von allen ist zweifellos Bob Dyli Er schrieb in drei Jahren über 250 Soni Sie brachten ihm inzwischen ein Vera gen ein. Alle Interpreten der neuen We verehren ihn. Dabei singt der 25jähr auch selbst. Aber seine Stimme klir dünn und schwächlich, als habe er ! rade eine Hungerkur hinter sich gebrac Trotzdem: Wo Bob Dylan auftritt, gibt ausverkaufte Häuser. Am besten at werden seine Lieder von anderen int pretiert. Joan Baez singt vornehmli Dylan-Songs, ebenso Barry McGui Der vierte im Bunde ist wiederum Ko ponist und Textdichter: P. F. Sioan, ( junge Mann, der seine Haarflut stets t ter einer Ballonmütze verbirgt, schri neben Dylan die erfolgreichsten Song Alle vier haben eines gemeinsam: ý lebten eine Zeitlang im NewYorkerKün ler- und Gammlerviertel Greenwich \ lage. Sie schlugen sich lange recht u schlecht durch, beinahe am Hungertuc nagend. Sie traten in Gerdes Folk C auf und sangen für wenig Geld. Ihre V bilder waren Musiker und Sänger, Hank Williams, Muddy Waters, Big J Williams und vor allem Woody Guthr Man muß ein paar Zeilen oder Stroph von Dylan gehört oder gelesen hab dann weiß man, was die Protestsäng wollen. In einem der Lieder heißt es z ,lf you miss me at the Back of the Bus. - Falls du mich im hinteren Teil c Autobusses nicht findest - dann bin im vorderen Abteil, dort, wo die Weiß sitzen." Die jungen Leute der neu Welle treten für die Rassengleichheite Sie sind gegen den Krieg im allgern
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