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Aufwärts
Jahrgang 15, Nr. 4 (April 15, 1962)
Móra, Franz
Die Schlacht bei Csóka, p. 6
Gorki, Maxim
Brüderlichkeit, pp. 6-7
Page 6
Von Maxim Gorki geklirr, Gepfeife und Geschrei. Auf dem mit heißem Sonnenlicht übergossenen Platz istes ruhig und drückend heiß. Auf den Balkons und an den Fenstern der Häuser stehen hell- gekleidete Frauen mit Blumen in den Händen, festtäglich geputzte Kindergestalten, die selbst wie Blumen aussehen. das Gesumme der feierlich gestimmten Menschenmenge. Über ihr auf hohem Sockel ragt die schöne Gestalt des Kolumbus empor, der so viel leiden mußte, weil er glaubte, und der den Sieg davontrug, weil er glaubte. Auch heute noch schaut er auf die Menschen herab, als wollten seine Marmorlippen sagen: <Nur die siegen, die da glauben." Rings um den Sockel zu seinen Füßen haben die Musikanten ihre Messingtrompeten auf- gestellt, und das Messing glänzt in der Sonne wie pures Gold. Das schwarze Marmorgebäude des Bahnhofs steht wie ein schwarzer Halbkreis da und hat seine Flügel ausgebreitet, als wolle es die Menschen umarmen. Aus dem Portal dringt das dunkle Keuchen der Lokomotiven, Ketten- Männer treten hervor, wenden sich mit dem Gesicht der Menge zu und sprechen, eifrig mit den Händen fuchtelnd, auf sie ein. Schwer und langsam Weicht die Menge aus- einander und läßt einen breiten Ausgang nach der Straße frei. .Wen erwartet man hier?" <Die Kinder aus Parma." Dort unten in Parma waren die Arbeiter in den Streik getreten. Die Unternehmer wollten nicht nachgeben, die Lage der Arbeiter wurde immer schwieriger. Darum haben sie ihre Kinder, die schon vor Hunger zu kränkeln begannen, zu ihren Genossen nach Genua gesandt. Hinter den Säulengängen des Bahnhofs kommt jetzt eine sonderbare Prozession von Mensch- Trompeten schmettern. Die Kinder sind von diesem Empfang ein wenig verwirrt,sie weichen einen Augenblick zurück, aber auf einmal haben sie die Reihen geschlossen, sich zu einem Körper zusammengeballt, und Hunderte von Stimmen, die aus einer Kehle zu kommen scheinen, brechen in den Ruf aus: <Salutel Salute'' <Es lebe das junge Parmal" schreit die Menge, die auf sie zustürzt. <Hoch lebe Garibaldil' rufen die Kinder und dringen wie ein grauer Keil in die Menge hin- ein, um dort zu verschwinden. In den Fenstern des Hotels, auf den Dächern der Häuser flat- tern gleich weißen Vögeln unzählige Tücher; ein Blumenregen ergießt sich von dort auf die Menge, fröhliche laute Rufe ertönen. Jedes Kind fühlt sich ergriffen, auf die Schul- tern der Erwachsenen gehoben, von -rauhen, schnauzbärtigen Männern an die Brust ge- drückt. Die Musik ist bei dem allgemeinen Lärm, dem Lachen und Schreien kaum noch zu hören. Man sieht Frauen durch die Menge schwirren, weiche die übriggebliebenen Kin- der an sich nehmen wollen. Man hört sie rufen: <Sie nehmen zwei, Anita?- ,Ja, Sie auch ?" <Und eins für die lahme Margherital" Überall begegnet man fröhlich erregten fest- täglichen Gesichtern, feuchten, freundlichen Augen. Hier und da sieht man die Kinder der Streikenden bereits ein Stück Brot kauen.
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