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Aufwärts
Jahrgang 8, Nr. 25/26 (December 8, 1955)
Doherr, Annemarie
Andere Mädchen, andere Städtchen, p. 11
Himmel ohne Sterne, pp. 11-12
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Andere Mädchen, andere Stadtchen M$)J diskutiert fortshrittidie Ehe und Lippenstift Von Annamarle Doherr (Berlin) Mit wohltuendem Willen zu ehrlicher Neu- tralität wie mit filmkünsterischer Gewandt- heit hat Helmut Käutner die Dinge auf beiden Seiten unverblümt herausgestellt. Er zeigt. nicht nur den deprimierenden östlichen Polizei- und Partelapparat, hinter dem er dennoch die Fortsetzung Seite 12 Unter dem Titel .Andere Mädchen, andere Städtchen...' hat die FDJ-Zeitung SJunge Welt" eine Diskussion über fortschrittliche« Ehe- und Liebesbeziehungen geführt, in deren Mittelpunkt zwei Fragen standen: 1. Gibt es noch ein Privatleben, oder ist auch die Ehe eine Funktion des Arbeiter- und Bauern- staates in der DDR? Müssen die Ehepartner die gleiche politische Weltanschauung haben? 2. Zerstört die Einberufung Tausender junger Ehemänner in die kasernierte Volkspolizei die Ehe? Werden auch Sklassenbewußte' junge Frauen dadurch zu Gegnern der Volks- polizei? Keine Freude an Politik .Mir paßt es nicht, wenn mein Mann sich abends noch mit mir über Politik unterhalten will', schreibt die FDJlerin Rosemarie Schmidt aus Königswusterhausen.SEs gibt ja doch nur Meinungsverschiedenheiten, die zum Schluß in Krach enden. Nach Feierabend will ich mit Politik nichts zu tun haben, sondern meinen persönliche» Interessen nachgehen.' Unver- blümt packt Rosemarie Schmidt eines der heikelsten Probleme an, das, wie die Diskus- sion zeigt, zahlreiche junge FDJ-Ehen über- schattet: SIch wäre todunglücklich, wenn mein Mann abends über politischen Büchern säße und mir womöglich ein Kurzreferat hielte.' Geradezu ketzerisch äußerte sich der FDJIer Wolfgang Müller aus Rathenow, der das zen- tral^ p Pr obl fnrtschrittlichen' Ehe an- Beide werden zwar von FDJ-Funktionären belehrt, aber der Verlauf der Diskussion zeigt immer wieder, daß die Vielfalt menschlicher Beziehungen nicht nach dem Statut der FDJ oder der SED zu regeln Ist und daß selbst bei Jugendlichen, die jahrelang der FDJ ange- hören, immer wieder das alth Problem auf- taucht, wieweit Staat oder Partei in das Privatleben eingreifen darf oder soll. Ein FDJ-Funktionär schreibt brüsk: SZwei Menschen, die ihr Leben gemeinsam verbrin- gen wollen, müssen unbedingt die gleiche politische Einstellung und Weltanschauung haben. Gerade die gemeinsame gesellschaft- liche Arbeit in der Partei oder FDJ ist die beste Gewähr gegen den Hauptfeind der Ehe, die Langeweile... Ein Volkspolizist meint kurz und bündig: SHier Politik - hier Privatleben, das gibt es nicht mehr. Auch in der Ehe haben wir unsere gesellschaftlichen Aufgaben zu erfüllen.' Da- gegen klagt ein Fähnrich der kasernierten Volkspolizei: .Meine Bemühungen, meine Frau an das politische Zeitgeschehen heran- zuführen, zeigen bis heute keine nennens- werten Erfolge. Daß es für eine Frau nicht leicht ist, drei Jahre getrennt von ihrem Mann zu leben, ist noch lange kein Grund, eine ab- lehnende Haltung gegenüber meinem Beruf einzunehmen. Das Problem kann meiner Mei- nung nach nur gelöst werden, wenn auch die Frauen die Notwendigkeiten des bewaffneten Schutzes der DDR einsehen.' ist die Treue... Ich weiß nicht, wie weit ich meinem Verlobten trauen kann.' Ihre Wut über die Einziehung ihres Mannes zur Grenz- polizei äußert eine junge Frau aus dem Erz- gebirge: SNach vierjähriger glücklicher Ehe Ist mein Mann jetzt bei der Grenzpolizei. Drei ledige Kameraden haben ihn jetzt verleitet, mich zu betrügen... Das Fazit zieht eine Leipziger FDJ-Funktio- närin: .In vielen FDJ-Ehen klappt es nicht.» Als Rezept empfiehlt sie: SDie Jugendfreunde müssen reale Vorstellungen von der Ehe ge- winnen." Friedrich Dextor aus Berlin-Erkner will dagegen Ehekrisen verhüten, Swenn sich die Partner schon vor der Ehe gründlich mit politischen Fragen befassen. Dann weiß man, woran man Ist!' .Aufgeputzt Ist lächerlich» Nicht weniger hart prallten die Meinungen bei einer FDJ-Diskussion über den Lippen- stift aufeinander. Kann sich ein Mädchen zum Blauhemd schminken, oder hat die FDJ in ihrem Statut dies verboten? Die Mehrheit erklärte: .Eine FDJlerin wird durch Schmin- ken nicht besser und nicht schlechter.* Die Minderheit: SRote Lippen zum Blauhemd sto- ßen unsere Werktätigen ab, Aufgeputzte Pio- nierleiterinen sind lächerlich1' Eine beson- ders sture Gruppe vertrat die Meinung: SNur ältere Frauen und Schauspielerinnen sollten sich schminken. Kurzkommentar der Schau- spielerin und Nationalpresträgerin Helene n jumer Russe, der zur Besatzung der Ostzone gehört, ein westdeutscher Grenwäichter und eine junge Frau aus der Ostzone. Sie sind r
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