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Aufwärts
Jahrgang 3, Nr. 3 (February 11, 1950)
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Ich höre was, p. 4
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pflegt . . ., sagt eine weiche Frauenstimm e. Da haue ich den rechten Knopf wieder rein. Der Mensch von 1950 ist in puncto Radio verw–hnt. 1927: Eines Abends war groþe Aufregung in der Familie. Vater war nach Hause ge- kommen und hatte erz"hlt, Onkel Eberhard habe sich einen Rundfunkempf"nger gekauft. Zun"chst konnte sich keiner etwas darunter vorstellen. Vater erkl"rte, das sei so was Ÿhnliches wie ein Telefon: In Hamburg spreche einer, und in K–ln k–nne man es h–ren. Aber es sei kein Draht da, sondern es ginge irgendwie durch die Luft. Die Sache kam uns jedenfalls spanisch vor: Wie sollte man in K–ln etwas h–ren k–nnen, wenn in Hamnburg gesprochen wurdte urnd kein Draht dazwischen war. Mutter murmelte etwas von .verr¸cktem Zeug' und ãecht Eberhard'. Wir Jungen versuchten aber dahinterzu- kommen, wie und ob es m–glich sei, bis Vater uns ins Bett schickte. Eine Woche sp"ter wurden wir von Onkel Eberhard zum ãRadio---h–ren' eingeladen. Das gab neue Aufregung, und wir muþten an dem betreffenden - Nachmittag unsere Sonntagsanz¸ge anziehen. Es war uns ganz feierlich zumute, als wir in das Wohnzim- mer gingen, wo das geheimnisvolle Ger"t stehen sollte. Auf dem Tisch sahen wir eine Menge K"sten, die alle mit Dr"hten verbun- den waren. Daneben lagen die Kopfh–rer. Onkel Eberhard erkl"rte uns alles. Ich be- griff aber nur, daþ die K"sten Batterien waren, bis auf den kleinen schwarzen. Das sei das Wichtigste, sagte Onkel Eberhard, das sei der Empf"nger. Dann bekamen wir einen Kopfh–rer um. F¸r Willi und Fr"nz- chen war keiner mehr da. Die wurden da- f¸r ermahnt, sich ganz ruhig zu verhalten. Onkel Eberhard arbeitete angestrengt an demn kleinen schwarzen Kasten. Im Kopf- h–rer knatterte es, daþ uns die Ohren weh taten., Da wird geschossen', meinte meine Mutter. Onkel Eberhard sagte: ãQuatsch, das sind nur St–rungen.' Nach f¸nf Minuten schrie er pl–tzlich: ãIch h–re was!' Wir h–r- ten nichts, auþer dem Geknatter nat¸rlich. Willi und Fr"nzchen l"rmten noch mit. Sie wollten auch was h–ren und st–rten den On- kel bei seiner anstrengenden Arbeit. Sie bekamen also eine gelangt und flogen hin- aus. Nach weiteren zwei Minuten h–rten wir endlich auch was. Es muþte eine mensch- liche Stimme sein, wenn man anch nir+,t va,- stehen konnte, wa wen st–rten in d Kleinigkeiten. Nac konnte man den IN erz"hlte anscheinei fuhr drauþen aber und die Stimme wi Geknatter erstickt. uins Kaffee und sagte Onkel Eberh, solltest dir auch e kaufen, man hat di Unterhaltung. Vor 25 Jahren wu geb"ude in der 1 ausger"umt. Dann heimnisvoller K"s' Dr"hten verbunden und T¸ren verh"n daþ kein Laut von In die Mitte des Stange, da war s drauf. Dann entsti des Hauses ein kle Raum einer sprec ihn mit irgendeinem Apparat ¸berall h–ren, erz"hlte mani sich im Hause. Die alten Post- beamten schimpften auf das neumodische Zeug und "rgerten sich, weil sie nun in den anderen Zimmern zusammenr¸cken muþten. Zuletzt kam ein Schild an die T¸r: s da gesagt wurde. Aber Am 2. Mai 1924 nahm dieser Sender, so iesem Augenblick solche nannte sich groþspurig die ganze Herrlich- h weiteren f¸nf Minuten keit, sein Programm auf. Und das Ding ,4ann sogar verstehen. Er funktionierte. Es stimmte zwar nicht, daþ nd eine Geschichte. Dann man ihn ã¸berall' h–ren konnte; aber im- eine Straþenbahn vorbei, merhin beinahe bis Cuxhaven, bis kurz vor irde von einem h–llischen Bremen und Kiel - also rund 100 km -- bei Ersch–pft wandten wir gutem Wetter wenigstens. Bei schlechtem ... Kuchen zu., Ferdinand', na ja, die NORAG muþte sich gut mit Pe- 3rd zu meinem Vater, ãdu trus halten. inen Rundfunkempf"nger Meistens wurde Musik gesendet. Daf¸r hatte inn zu Hause etwas mehr die NORAG ein sogenanntes Salonorchester. Elf Mann waren das. Sie m¸ssen wahre K¸nstler gew~esen sein. Sie durften weder zu laut noch zu leise spielen. Bei Fortissimo irde im Hamburger Post- platzte in den Kopfh–rern beinahe die Memn- 3inderstraþe ein Zimmer brane, und bei Piano h–rten die Leute am kam eine Menge ge- Ende des Drahtes nur noch ãdas Schweigen ten hinein, die alle mit im Walde". Viele Musikst¸cke konnte man wurden. W"nde, Fenster gar nicht auff¸hren. Den gr–þten Ÿrger ver- gte man mit Decken, so ursachte der Klavierspieler. Die T–ne seines auþen eindringen konnte. Instrumentes waren f¸r das Mikrophon nicht Raumes stellte man eine geeignet. Er muþte sich deshalb immer in o etwas wie eine Dose die "uþerste Ecke des Raumes verziehen ind noch auf dem Dach und durfte es nie wagen, das Pedal zu !iner Turm. Wenn in dem treten. hen w¸rde, k–nne man Es wurden auch noch Vortr"ge gehalten, ausb Duuierii vorgelesen, 1-orspiele au!- gef¸hrt und Nachrichten gesendet. Sehr fr¸h nahm der Norddeutsche Rundfunk schon ak- tuelle Reportagen auf, die direkt ¸bertragen werden muþten. Schallplatten uod Magneto- phonband waren damals beim Rundfunk noch unbekannt. Da man nur den einen Senderaum zur Verf¸gung hatte, wurde auch die Probe zu den Hauptsendungen mit einem entsprechenden entschuldigenden Hin- weis ¸bertragen. Das war aber weiter nicht so schlimm: die paar Rundfunkh–rer im Um- kreis von 100 km waren froh, wenn sie ¸berhaupt etwas h–rten. Nachdem man aber einen Sendeturm auþerhalb von Hamburg aufstellte, wurde die Reichweite gr–þer. Be- sonders ung¸nstig gelegene Orte haben allerdings noch jahrelang auf einen Emp- fang verzichten m¸ssen. Erst am Ende der zwanziger Jahre streifte der Rundfunk seine Kinderschuhe ab. Heute steht in unserer K¸che ein kleiner schwarzer Kasten, doppelt so groþ wie eine Zigarrenkiste. Ich ziehe den rechten Knopf heraus . . . hst
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