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Aufwärts
Jahrgang 3, Nr. 7 (April 8, 1950)
Johi
Männer am Rande, p. 14
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Manner am Rande Kennt ihr ihn ¸berhaupt? Habt ihr ihn schon beobachtet, wenn er hinter der Torlinie steht, manchmal etwas nerv–s an seiner Zigarre kaut, oder wenn er die Seitenlinie eines Fuþballplatzes auf und ab schreitet? Auf und ab... immer da, wo gerade der Ball gespielt wird. Oder der in der Ecke des Boxers aufmerksam jede Aktion seines Sch¸tzlings oder die seines Gegners ver- folgt. Der Mann, der beim Sechstage- rennen nicht von der Koje seiner Jungs wegzudenken ist. Der Mann, der, mit einer Unzahl von Stoppuhren bewaffnet, schein- bar gleichg¸ltig, doch in Wirklichkeit fieber- haft gespannt auf jede Ansage des Strecken- beobachters achtend, an der Box seines Fahrers am Start und Ziel bei groþen Auto- und Motorradrennen todsicher zu finden ist? Ich weiþ, ihr habt ihn schon gesehen, aber ich weiþ auch, daþ ihr euch vielleicht noch gar keine Gedanken dar¸ber gemacht habt, wie wichtig dieser Mann ist und wie ent- scheidend er manchmal in das sportliche Geschehen eingreifen kann. Die Taktik ist's, die oft entscheidet Denn es ist ja so, da, wo zwei gleichwertige Gegner aufeinanderstoþen -ganz gleich, ob es im Einzelkampf oder im Mannschafts- treffen ist -, wird der gewinnen, dessen Taktik die bessere ist. Sei es, daþ sie vor- her geplant und sich im Kampf als richtig erwiesen hat, oder sei es, daþ sie vom Mann am Spielfeldrand rechtzeitig ge"ndert wurde. Oder glaubt ihr, wenn der 1. FC N¸rnberg gegen F¸rth oder Schalke 04 gegen Borussia Dortmund spielt, daþ man einfach munter drauflos spielt? Dann seid ihr aber auf dem Holzweg. Jeder weiþ, was er zu tun hat. Jeder spielt nach genauer Anweisung, die er vorher er- halten hat. In langen Beratungen ist der Schlachtplan aufgestellt und diskutiert wor- den. Da hat Fritz Szepan, der Trainer von Schalke 04, den Verteidiger Matzeck und den L"ufer Dargaschewski todsicher darauf auf- merksam gemacht, wie gef"hrlich der rechte Fl¸gel der Dortmunder mit Erdmann Preiþler besetzt ist. Und er hat bestimmt seinen Halblinken gewarnt, daþ er nur ja Max Michallek im Auge haben muþ, weil der sich gerne als sechster St¸rmer in den Angriff Jj' fr Der Trainer fl¸stert dem Boxer in seiner Ecke die letzten Ermahnungen ins Ohr. Foto. W Dic& einschaltet. Ebenso sicher hat ,Bumbas' Schmidt dem erfahrenen Kennemann ein- getrichtert, dem F¸rther Rekordtorsch¸tzen Schade auf Schritt und Tritt zu folgen. Doch mit Abwehrmaþnahmen allein kann man kein Spiel gewinnen, man muþ auch daran denken, wie man die Deckung des Gegners aufrollen kann. Man muþ seinen schwachen Punkt finden! Seht... und gerade den kann man nicht immer vorher genau kennen. Der ergibtsich meist erst w"hrend des Spiels. Die Tages- form einzelner Spieler ist hier entscheidend. Entdeckt der Mann am Spielfeldrand eine gegnerische Schw"che oder kann er beizei- ten eine L¸cke in seiner Reihe durch Um- stellungen schlieþen, so hat er seiner Elf schon einen Vorteil verschafft, der meist auch die Entscheidung zugunsten seiner Mannschaft oder seines Sch¸tzlings bedeutet. Das tat zum Beispiel Bumbas' Schmidt, als er sah, daþ der verletzte Halbrechte Michal- lek seinem VfR-Auþenl"ufer im Tempo nicht mehr folgen konnte. Er lieþ ihn offensiv spielen, wodurch seine sch"rfste Angriffs- waffe - der Fl¸gel de la Vigne Langlotz - entscheidend ins Spiel kam. Der Erfolg, VfR Mannheim gewann die Deutsche Fuþball- meisterschaft 1948 49, und der Favorit Borus- sia Dortmund verlor, trotzdem er noch 7 Minuten vor Schluþ 2:1 f¸hrte! Hier tr"gt man nicht den siegreichen Sportler auf den Schultern, sondern den erfolgreichen Trainer Schmidt. der im vorigen Jahr den VfR Mannheim zur Deutschen Meisterschaft f¸hrte. FMto: dpa Eine Weltmeisterschaft wer der Lohn Laþt mich ein anderes Beispiel anf¸hren, das der deutschen Wasserballsieben 1928 die Weltmeisterschaft einbrachte. Es war an dem Tag vor dem Endspiel. Unsere Jungen hatten sich schon die Teilnahmeberechtigung durch einen Sieg ¸ber Englands Nationalmann- schaft erk"mpft, und vor uns im Becken des Olympischen Schwimmstadions in Amster- dam stritten die beiden alten Rivalen Frank- reich und Ungarn dar¸ber, wer gegen uns antreten w¸rde. äUns", das war der Stan- dardvertejdiger Otto Cordes vom Hellas Magdeburg und ich. Padou, der alte Wasser- ballk–nig, hatte soeben ein Tor erzielt, und die Franzosen f¸hrten 1:0. .Mensch, Otto', sagte ich, wenn die Ungarn verlieren w¸rden.' Hoffentlich nicht', ant- wortete der Lange und f¸gte ob meines er- staunten Gesichts erkl"rend hinzu: Wir spielen lieber gegen die Ungarn. Sieh, diese sind haushohe Favoriten, und darauf haben wir unsere Taktik abgestellt. Wir wollen und wir werden gewinnen.' Am anderen Taoe sah ich, was Otto gemeint hatte. Die deutsche Taktik ging darauf hin- aus, die Ungarn zu erm¸den und vor allem den ersten Ansturm der Madjaren aufzu- fangen, was ihnen zwar nicht ganz gelang. Immerhin, die sieggewohnten Ungarn f¸hr- ten bei Halbzeit nur 2:0 und ahnten nichts B–ses. Aber dann ging's los. Auf der Gegen- seite war der linke Verteidiger Homonav 2 der Mann, der die Angriffe der Ungarn vor- trug, und gegen ihn spielte der deutsche Langstreckenmeister Aki Rademacher, ein Bruder des ber¸hmten Weltrekordschwim- mers Ete, der im Tor stand. Wieder hatte der Ungar einen Durchbruch unternommen, und sofort war Aki im Gegenstoþ auf und davon. Homonav holte ihn ein und ging wieder ab. Aki lieþ nicht locker, erk"mpfte sich den Ball, um seinerseits wieder abzu- hauen. F¸nf- oder sechsmal wiederholte sich das Spiel, dann war der Ungar alle, Aki geht auf und davon, und seine Vorlage kann B"hre zum 1:2 verwandeln. Und kaum ist das Spiel wieder im Fluþ, da wiederholt sich haargenau das Geschehen, nur daþ diesmal Amann das Tor und damit den Ausgleich erzielte. Die Verl"ngerung entschied Die notwendige Verl"ngerung kam, und eine ungeheure Spannung hatte sich unter den Tausenden von Zuschauern ausgebreitet. Sollte Deutschland wirklich... Und wieder "nderten die Deutschen ihre Taktik. Diesmal war Cordes der Mann, welcher... Wie der Blitz l–ste er sich von seinem Mann, und Torh¸ter Rademachers Vorlage kam auf Zentimeter genau vor seinen Kopf. Ein kurzes, rasend schnelles Dribbling... ein Blick zur Orientierung... und schon sauste sein Schuþ aus 15 Meter Entfernung aufs Tor. Verzweifelt schnellte Ungarns Torh¸ter hoch ... aber in die verkehrte Ecke. Der Ball hatte Effet, und kurz vor seinem Ziel ver- "nderte er seine Richtung... landete haar- genau im anderen Torwinkel. Das war der Sieg, die Ungarn gaben auf. Am Ende stand es 5:2 f¸r unsere Sieben. Die richtige Taktik hatte den stolzen Erfolg ¸ber den an sich besseren Gegner erm–g- licht. Ich k–nnte noch viele Beispiele anf¸hren. Etwa das von Joe Louis, der in seiner Revanche mit Schmeling darauf ausging, eine Blitzentscheidung herbeizuf¸hren, da er ge- nau wuþte, daþ Max ein langsamer Starter - ist. Oder das Ans-Netz-Locken der Tennis- spieler, um den Gegner zu ¸berspielen. Die Verschleppungstaktik der Flieger, die an- gewandt wird, um dem Gegner die Spitze aufzuzwingen. Fest steht in jedem Fall: Taktik wird, richtig angewandt, immer dem, der sich nicht nur auf Kraft, Schnelligkeit oder Geschicklichkeit verl"þt, Vorteile brin- gen. Vorteile, die meist entscheidend sind. Johi 14
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