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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 20 (September 24, 1949)
W. B.
Altmodisch-unkameradschaftlich oder Selbstkontrolle in der Gemeinschaft?, pp. 4-5
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WAŸNfzŸueleil 1 i 0",q.Ÿv jr i :1 "fil 33.114 um LŸI " g g Eid reT DT: ri - - Vielf"ltig und zahlreich sind die Antworten, die auf die Artikel in Nummer 12 - Was haltet ihr davon? - und in Nummer 14 - K–nnen Jungen und M"dchen in den Ju- gendorganisationen zusammenleben - ein- gelaufen sind. Wir fanden Antworten, die so richtig deutsch sind: N"mlich das Kind mit dem Bade aus- sch¸tten, also von einem Extrem zum an- deren reichen. Nur sehr wenige haben sich ehrlich bem¸ht, beide Seiten zu sehen und damit das Anliegen unserer Zeit - den Weg zu einer neuen Jugenderziehung wirklich mitzuerarbeiten. Das geht so weit, daþ man, wie Kurt Wurch aus Recklinghau- sen es macht, einer Jugendzeitsdcrift einfach verbietet, die ureigenen Anliegen der Ju- gend zu diskutieren, weil hierin auch eine Kritik an einer "lteren Generation sichtbar wird, deren Verschweigen eine Unwahrheit gegen¸ber den heutigen Zust"nden bedeute. Dar¸ber hinaus ergaben die Antworten einen interessanten Uberblick ¸ber die Zu- sammensetzung unsers Leserkreises. Einige wenige aufmerksame Leser fanden auch in Num- mer 12 den Zusammenhang zwischen dem Artikel von Erika Wettig und dem auf der folgenden Seite stehen- den Beitrag von Oskar Neisinger: "Du M"dchen', heraus. Einzelne, wie Jakob Dohmen ausBerghausen, fragen, war- um wir ¸berhaupt diese Dinge im ,Aufw"rts' zur Diskussion stellen. Er be- zweifelt sogar die Erfahrung der Artikelschreiber auf dem Gebiete der Jugendpflege und kommt dann von selbst zu Problemstellungen, die nicht notwendig gewesen w"ren, wenn er sich von vornherein dar¸ber im klaren war, an wen sich unsere Ju- gendzeitung richtet. In den wenigsten F"llen kommt un- sere Jugendzeitschrift Schul- kindern in die H"nde, so daþ wir Keine Anyst zu naUen brauchen, daþ sich Zehnj"hrige mit den im ,Aufw"rts' angepackten Problemen befas- sen. Das Problem geht nicht um die gemein- samen Schlafr"ume oder um die K¸sserei. Es setzt sich auseinander mit den letzten Dingen des Gemeinschaftslebens in der Ju- gend. Die Zeiten, da Jugenderziehung von Erziehern auf sogenannter p"dagogischer Grundlage durchgefiihrt werden konnte, sind vorbei. Die Entwicklung verlangt eine Ge- meinschaft von Erziehern und Erzogenen. Karl Gr¸tzner, Kirchdorf, hat ganz richtig die Beziehungen zwischen dem Wettig- und dem Neisinger-Artikel herausgefunden, ver- steht aber nicht, daþ beide in einem Zu- sammenhang zu sehen sind. Gerade weil die V–lker in ihrer Eigenart verschieden sind, gerade deshalb sollte man mit Recht sagen d¸rfen, wie Wilhelm Kramer, Bielefeld, schreibt: "Andere L"nder, andere Sitten'. Karl Gr¸tzner f"hrt dann fort, indem er diese anderen Eigenarten, Charaktereigen- schaften, als ein belastendes Moment f¸r die einzelnen V–lker herausstellt, und fragt: ,Hat es nicht den Anschein, als ob man jetzt Deutschland geradezu alles Fremd- artige aufdr"ngen will? Warum man aber jetzt, nach dieser an s"mtlichen, nicht auch zuletzt an sittlichen Vorstellungen so ver- worrenen Zeit schon wieder an Erziehungs- formen denkt, erscheint mir nicht ganz klar.' Es geht vielen so, daþ nach den Jahren des Abgeschlossenseins von drauþen sie nun mitunter das viele Neue als verwirrend und nicht als kl"rend empfinden. Damit sind wir schon mitten drin in der Problemstellung der Jugend von heute. Det- lev Kirchgatter aus L¸nen weist in seinem Brief auf die Haltung der Jugend auf der Straþe hin und schreibt: ,Wir k–nnen heute auf jeder Straþe, Tanz- diele usw. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren in enger Umarmung mit ãDamen' gleichen Alters beobachten. Findet man die- ses Benehmen normal? Die Jugend ist am Verlottern. Es w"re langsam Zeit, etwas da- gegen zu unternehmen.' Es fehlt auch jetzt an Vorschl"gen nicht, die hier weiterhelfen sollen, und wenn Irmgard Stemmer aus Hannoversch-M¸nden in ihrem Brief zun"chst noch einmal auf die Nach- kriegsjahre hinweist und meint, daþ es unsere Pflicht ist, die Jugendlichen in eine gesunde und saubere Gesellschaftsordnung einzuf¸hren, ihnen zu helfen, ihr geistiges Wissen zu erweitern, so sagt sie dann am Schluþ ihres Briefes: ,daþ wir in Deutschland noch nicht reif ge- nug sind f¸r die in euren Artikeln aufge- zeigten Dinge! Und diese Worte von der Unreife unserer deutschen Jugend kehren audi im Briefe Eugen Voigtmanns aus Freiburg wieder, wenn er fragt: ãBei internationalen Lagern d¸rfte das Zu- sammenleben von Jungen und M"dchen leichter sein als in deutschen Lagern. Haben wir Deutsche die n–tige Zucht dazu? Wenn sich in Deutschland die beiden Geschlechter verkrampft gegen¸berstehen, so zeigt das eine gewisse geistige Unreife, f¸r uns Bu- ben ist es heute schwierig, den M"dchen frei gegen¸berzutreten, da die M"dchen gleich (groþ ausgedr¸ckt) Absichten haben.' Daþ diese Absichten keinesfalls einseitig sind, versucht in einem Brief Barbara Schnei- der aus Rheinberg zu erkl"ren. Ihr hat es weniger der Artikel von Erika Wettig an- getan als die Worte Oskar Neisingers, zu denen sie folgendes schreibt: ,Er hat den Mut, sich zu den M"dchen zu bekennen, von denen man sagt, sie paþten nicht in unsere Zeit. Aber ich habe in seinen Worten doch eines vermiþt. Hat er nicht vergessen, wie schwer es uns heute gemacht wird, so zu bleiben, wie er und wenige an- dere es w¸nschen? Hat er nicht die Vor- und Nachteile vergessen anzuf¸hren, was es bedeutet, sauber zu bleiben? Hoffentlich appelliert er einmal an seine Kollegen, da- mit sie sich anders einstellen, denn gerade die m"nnlichen Kollegen r¸mpfen oft ob einer solchen Haltung die Nase. Altmodisch, im Kloster erzogen, unkameradschaftlich sind die verletzenden Worte, die man als Waffe gegen uns braucht.' Und sie meint im besonderen dann: ,daþ sie es nicht ertragen k–nne, sich bei der Begr¸þung oder sonstigen Angelegen- heiten zu k¸ssen', um damit ihre Altmodischkeit zu begr¸nden. Die ,K¸sserei' im Bericht der Erika Wettig hat viel Staub aufgewirbelt. Wir k–nnten eine wahre Kuþphilosophie' zusammen- stellen, wenn wir alle die Worte, die dar- ¸ber verloren sind, ver–ffentlichen w¸rden. B"rbel Gr¸þt aus L¸nen hat schon recht, wenn sie darauf hinweist, daþ die Zeiten unserer Eltern, in denen der erste Kuþ die Verlobung bedeutete, schon lange vorbei sind, und m–chte daf¸r Sparmaþnahmen' des Kusses einf¸hren, und Heinz Kiel, Frankfurt-Sindlingen, fragt in einem Ab- schnitt seines Briefes: ãWas das alles mit ein biþchen harmloser K¸sserei zu tun hat, fragt ihr? Wer sich ein- mal die Frage gestellt hat, warum habe ich das M"dchen gek¸þt, und die Frage ehrlich
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