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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 19 (September 10, 1949)
Briefe an die Redaktion, p. 15
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Unser Recht, p. 15
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Page 15
Z 1 I 11;11 * 11 e11 Liebe Kollegen 1 Bei unserem Aufenthalt auf der Insel Langeoog w"hrend unseres Bezirkszeltlagers sind mir einige seltsame Dinge aufgefallen, die ich f¸r richtig genug halte, daþ sie in unserer Jugendzeitschrift Aufw"rts' erscheinen und diskutiert werden. Bei der Ankunft in Langeoog und auf dem Weg zum Lagerplatz kam es uns schon merkw¸rdig vor, daþ wir eine Unmenge Fahnen, F"hnchen und Wimpel in den Gesch"ften sahen, nur die Farben, die wir als neue Bundesrepublikfahne kennen, n"mlich .Schwarz-Rot-Gold', waren nirgends zu sehen. Bei unseren Spazierg"ngen auf der Insel muþten wir immer wieder die Feststellung machen, daþ auf den dort angefertigten Sandburgen meterhohe Fahnen- stangen aufgepflanzt wurden mit einem Meer von Wimpeln. Nur die neue Bundesfahne Schwarz-Rot- Gold' war nirgendwo zu sehen; - aber was zu sehen war, ,Schwarz-Weiþ-Rot in allen Variationen und in einer derartigen Fulle, daþ einem der Gedanke kam, hier ist man nur unter ehemaligen Stahlhelmern und Reaktion"ren. Die wenigen, die vielleicht anders ge- sinnt waren, zeigten entweder eine ganz neutrale Flagge oder ihre Stadt- bzw. Landesflagge. Ich bin in verschiedenen Verkaufsl"den gewesen und habe eine schwarzrotgoldene- Fahne verlangt. Man kam mir mit den verschiedenen Ausfl¸chten: .sind gerade ausverkauft oder "die Sendung ist unterwegs" bzw. "werden gerade angefertigt" u. ".. aber kein Gesch"ft konnte mir eine Fahne verkaufen in den Farben "Schwarz-Rot-Gold", daf¸r in rauhen Mengen "Schwarz-Weiþ-Rot'. Als Parallele hierzu kann ich aus Bremen berichten, daþ gerade auf den Schiffen, die nun wieder aus- landische H"fen anlaufen, die Frage der Flaggen, wenn sie von uns angeschnitten wird, eine sehr groþe Rolle spielt. Bei unseren h"ufigen Besuchen im Hafen auf den Schiffen herrscht eine etwas seltsame Auffassung ¸ber die Flagge "Schwarz-Rot-Gold". Die j¸ngeren Menschen k–nnen sich wohl kaum noch daran erinnern, jemals eine schwarzweiþrote Fahne gesehen zu haben; denn kurz nach 1933 wurde die Reichsflagge die Naziflagge. Wenn man heute - gerade von den jungen Menschen - h–rt, die Schiffsflagge muþ auffallend sein, die Farben "Schwarz-Rot-Gold' seien schlecht erkennbar, "Schwarz-Weiþ-Rot" dagegen sei die richtige Farbe und auf See stets gut zu erkennen, so sei diesen Menschen nur gesagt, daþ auf See in den seltensten Fallen die Landestlagge gesetzt wird, und wenn eine Begegnung von Schiffen vor sich geht, dann wird meistens die Reedereiflagge gesetzt, und nur beim Anlaufen ausl"ndischer H"fen wird die Heimatflagge gezeigt. Ich bin der Meinung, daþ wir uns die M¸he machen und der neuen Bundesfahne einen groþen Raum inner- halb unserer Jugendzeitschrift "Aufw"rts" widmen sollten, damit allen unseren jungen Kolleginnen und Kollegen sowie auch den anderen Lesern unserer Zeitschrift einmal vor Augen gef¸hrt wird, welche Bewandtnis die Fahne "Schwarz-Rot-Gold' f¸r alle fortschrittlichen Menschen haben m¸þte und daþ man dagegen der Fahne "S,,hwarz-WeiB-Rot" nur ein un- seliges Angedenken nachsagen kann und einmal aufzeigt, was unter dieser Fahne bereits angerichtet und geschehen ist. Es sollten von mir nur einmal diese beiden Punkte als Diskussionsthema aufgeworfen werden. Ich meine, daþ wir gerade heute allen Grund h"tten, die Fahne "Schwarz-Rot-Gold" als die Fahne zu bezeichnen, die uns immerhin in eine verheiþungsvollere Zukunft f¸hren kann, indem wir an dem Neubau des neuen Deutschlands tatkr"ftig mitarbeiten und die Demo- kratie aber auch bis ins letzte verteidigen. "Schwarz-WeiB-Rot' hat immer nur der Reaktion und Gewaltherrschaft gedient, wogegen die Farben "Schwarz-Rot-Gold" von allen freiheitsliebenden Men- schen stets als Fahne der Freiheit und der Ver- st"ndigung angesehen worden ist. Franz Seiler liebe Kolleginnen und Kollegen 1 In fast allen Versammlungen, Sitzungen und Bespre- chungen, die wir unter uns Gewerkschaftsjugend, aber auch mit den "lteren Kollegen ganz allgemein in der Organisation durchf¸hren, kommt meistens zum Schluþ der Aufruf, die Reihen unserer Bewegung noch fester und noch enger zu schlieþen und vor allen Dingen zu werben und nochmals zu werben, um den Kreis der aktiven Junggewerkschafter zu ver- gr–þern. Es ist unbestreitbar, daþ es trotz unserer mannigfaltigen Erfolge eben noch immer notwendig ist, mehr Jugend f¸r unsere Arbeit zu interessieren und zu gewinnen. Stellen wir uns einmal vor, alle noch im Jugendalter stehenden und demzufolge bei uns zu erfassenden S–hne und T–chter unserer aktiven Gewerkschafter, die wir doch in unserer Organisation in so ¸beraus groþer Anzahl vertreten haben, k"men zu unseren Veranstaltungen. Ja, wenn sie nicht nur hink"men, sondern auch regen Anteil an unserer Arbeit n"hmen! Ich kenne n"mlich pers–nlich eine ganze Anzahl von aktiven Gewerkschaftskollegen, deren S–hne und Tochter irgendwelchen anderen Dingen des taglichen Lebens wie Sport und dergl. nachgehen. Durch das werbende und vielleicht auch einmal eindringliche Wort des Vaters oder gar der Mutter kann sicherlich manches erreicht werden. Daþ dies hier und da nicht so einfach ist, versteht sich von selbst. Wir sollten aber wirklich nicht ver- saumen, allen "lteren Kollegen, die aufstehen und sagen, die Jugend stehe abseits, immer und immer wieder auf die M–glichkeit der Werbung in der eigenen Familie hinzuweisen. Zuerst einmal sollte daf¸r Sorge getragen werden, daþ dort alles in Ord- nung ist und nicht nur der Vater vielleicht Betriebs- rat oder Vorstandsmitglied ist, sondern auch der Sohn oder die Tochter zu uns geh–rt. Unsere Werbungs- arbeit darf sich ndturlich nicht nur auf dieses Gehiet erstrecken. Auch alle anderen Jugendlichen, die, fami- li"r gesehen, auþerhalb stehen, gilt es zu erfassen, Dar¸ber hinaus schlage ich vor, nach M–glichkeil Dei jeder Versammlung der Gewerkschaft die Frage der Jugendarbeit anzuschneiden. Wir k–nnen gar nict' oft genug die Jugendarbeit in den Mittelpunkt der Biera- tungen stellen. Wenn wir einmal meinen Gedanken Wirklichkeit verleihen k–nnten, dann glaul, ich, haben wir den Jugendfunktion"rmangel fast ¸ber- wunden. k Helmut Demski. NN. Der Jugendliche Im Arbeitsrecht 1. Kann ein Minderj"hriger selbst ein Ar- beitsverh"itnis eingehen? Nachdem in den drei letzten Nummern des ,Aufw"rts' in zwei Artikeln die Fragen der Gesch"ftsf"higkeit aus dem b¸rgerlichen Recht behandelt worden sind, k–nnen wir heute die Nutzanwendung daraus f¸r das Arbeitsrecht ziehen und die in der Uber- schrift gestellte, uns am meisten interessie- rende Frage beantworten. Wie wir gesehen haben, sind die Minder- j"hrigen vom siebten bis einundzwanzig- sten Lebensjahr nur beschr"nkt gesch"fts- f"hig, d. h. sie k–nnen grunds"tzlich nicht mit voller Wirksamkeit rechtsgesch"ftliche Erkl"rungen abgeben bzw. entgegennehmen. Auf das Arbeitsrecht bezogen heiþt das, ein Minderj"hriger bedarf zum rechtswirksamen Abschluþ eines Arbeitsvertrages in der Re- gel der Zustimmung des gesetzlichen Ver- treters (ß 107 BGB). Ist der gesetzliche Ver- treter ein Vormund, so ist auþerdem die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich, wenn der Arbeitsvertrag auf l"nger als ein Jahr abgeschlossen werden soll (ß 1822 Ziff. 6 und 7 BGB). Von dem Grundsatz, daþ Minderj"hrige nicht mit voller Wirksamkeit rechtsgesch"ft- liche Erkl"rungen abgeben k–nnen, gibt es nun - wie bereits in der letzten Nummer am Schluþ angedeutet - auf dem Gebiet des Arbeitsrechts eine wichtige Ausnahme. Der gesetzliche Vertreter des Minderj"hrigen kann diesen n"mlich im voraus erm"chtigen, "in Dienst oder Arbeit zu treten' mit der Wirkung, daþ der Minderj"hrige f¸r solche Rechtsgesch"fte unbeschr"nkt gesch"ftsf"hig ist (dl. h. als vollj ihrig gilt), welche die Ein- gehung oder Aifhebung eines Dienst- oder Arbeitsve ch"ltnisses der gestatteten Art oder die Erf¸llung der sich aus einem solchen Verh"ltnis ergebenden Verpflich- tung betreffen (ß 113 Abs. I S. 1). Man be- zeichnet diese Befugnisse, die der Minder- j"hrige erh"lt, auch als erweiterte oder partielle Gesch"ftsf"higkeit. Hat der gesetzliche Vertreter einmal f¸r einen Einzelfall diese Erm"chtigung gegeben, so gilt sie im Zweifel als allgemeine Er- m"chtigung zur Eingehung von Dienst- und Arbeitsverh"ltnissen derselben Art (ß 113 Abs. IV BGB). Die unbeschr"nkte Gesch"fts- f"higkeit erstreckt sich dann auf die Fest- setzung der Arbeitsbedingungen, die Ver- Bei Sonne und frischer Seeluft schmeckt es noch einmal so gut. Gewerkschaftsjugend auf der Nordseeinsel Langeoog (Ostfriesland). Foto: Koberg einbarung des Lohnes, die Aufhebung und Ab"nderung des Arbeitsverh"ltnisses, ins- besondere K¸ndigung und Entgegennahme der K¸ndigung, ferner die Erf¸llung des Vertrages, insbesondere die Empfangnahme des Lohnes sowie sonstige Rechtsgesch"fte in bezug auf den Lohn (Stundung, Verzicht, Vergleich). Die Erm"chtigung umfaþt jedoch nicht gleichzeitig die Erm"chtigung zur Ver- f¸gung ¸ber den Arbeitsverdienst. Letztere wird aber in der Regel als stillschweigend erteilt angesehen werden m¸ssen. In diesen F"llen ist der Minderj"hrige auch zur selb- st"ndigen klageweisen Durchsetzung seines Verg¸tungsanspruches berechtigt (ß52 ZPO). Hier im Zusammenhang ist auch die Rege- lung des ß 110 BGB, des sogenannten Taschengeldparagraphen, von Bedeutung, der in der letzten Nummer des ,Aufw"rts' besprochen worden ist. Gem"þ ß 113 Abs. II BGB kann die Erm"ch- tigung von dem gesetzlichen Vertreter auch eingeschr"nkt oder zur¸ckgenommen wer- den. Wird die Erm"chtigung dem Minder- j"hrigen gegen¸ber verweigert, so kann sie durch einen Antrag des Minderj"hrigen durch das Vormundschaftsgericht ersetzt wer- den. Diese M–glichkeit besteht aber nur, wenn der gesetzliche Vertreter Vormund ist, nicht jedoch, wenn der Vater bzw. die Mutter die Genehmigung verweigert hat (ß 113 Abs. II BGB). Es ergibt sich auch die Merkw¸rdigkeit, daþ der Kreis der geneh- migungsbed¸rftigen Gesch"fte beim Vor-. mund und beim Vater verschieden umgrenzt ist. Der Minderj"hrige, der vom Vater er- m"chtigt ist, hat einen weiteren Handlungs- bereich. Dies deshalb, weil der Vormund - wie schon oben angedeutet - in gewis- sen F"llen die Zustimmung des Vormund- schaftsgerichts braucht, wenn er dem M¸ndel die Erm"chtigung des ß 113 BGB erteilt hat (s. ß 113 Abs. I S. 2). Zu Lehrvertr"gen kann die Erm"ch- tigung des ß 113 BGB nicht gegeben wer- den (vgl. auch ß 1822 Ziff. 6 BGB). Eine solche partielle Gesch"ftsf"higkeit gibt es auþer in dem eben erl"uterten Falle auch bez¸glich des selbst"ndigen Betriebes eines Erwerbsgesch"ftes (ß 112 BGB). Mit diesem Artikel schlieþen wir das Kapitel der Gesch"ftsf"higkeit ab, das eines der grundlegendsten unserer Rechtsordnung ¸berhaupt darstellt. Kt. Lizenztrager: Hans B–ckler, Albin Karl, Franz Spliedt. Schriftleitung: Hans Treppte, K–ln, Pressehaus, Breite Straþe 70, Ruf 5 86 41. Verlagsleltung: Heinz Decker, K–ln, Pressehaus, Breite Straþe 70, Ruf 5 86 41. Verlag: Bund-Verlag GmbH., K–ln, Pressehaus, Breite Straþe 70, Ruf 5 86 41. Ver–ffentlicht unter Zulassung Nr. 234 der Milit"rregierung. Erscheint alle 14 Tage. Auflage 200 000. Druck: K–lner Pressedruck GmbH.. K–ln, Pressehaus. Unverlangt eingesandten Manu- skripten muþ R¸ckporto beigef¸gt werden. Die Jugendzeitschrift "Aufw"rts-- kann bei allen Post"mtern und Jugendfunktion"ren bestellt werden. 15
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