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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 19 (September 10, 1949)
Ejsmond, Juljan
Liebe und Tod, pp. 10-11
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JULJAN EJSMOND 2iebe u4–d 7Jd In grauen, dampfenden Wolken kochte der Nebel ¸ber den Waldbergen. Irgendwo in den Schluchten pl"tscherte ein Sturzbach4 und aus weiter Ferne kam der Brunftschrei eines Hirsches wie das anhaltende Dr–hnen des Donners. Auf einer Waldwiese voll goldgelben L–wen- zahns, voll Minze und Kissen tiefblauen Enzians "ste der Unbesiegliche, ein m"ch- tiger Hirsch, der stolze Gebieter ¸ber eine Herde von f¸nf sanft"ugigen und furchtsamen Hirschk¸hen. Inmitten der Berge, umgeben von feierlicher Fruchtbarkeit, f¸rchtete er nicht den heimlichen Nebenbuhler noch das t¸ckische Raubzeug, wederWolf noch Mensch. Eine alte Hirschkuh war das Leittier der Herde und wachte Tag und Nacht ¸ber sie. Kamen W–lfe, diese grauen Banditen, in die N"he, gewahrte sie sogleich ihre Anwesen- heit. Der leiseste Windhauch warnte sie, indem er ihren N¸stern den scharfen Ge- ruch des lauernden R"ubers zutrug. Wenn bei Tagesanbruch der J"ger auf dem Hoch- stand saþ, um seine Kugel auf den r–hren- den Bullen anzubringen, oder wenn nur ein Mensch ¸ber die P"sse kam, hauchte der Morgenwind der alten Hirschkuh zu: ãSei auf der Hut! Der Feind ist nah!' Das feine Geh–r der Hirschkuh belauschte jedes Dickicht, und wenn derUnbesiegliche seinen Liebesruf in die Welt hineindonnerte, ver- -gaþ sie nicht einen Augenblick, daþ die Sicherheit aller von ihr abhing. Wenn sie einen Laut gab, st¸rzte sich die Herde im gleichen Augenblick wie eine Steinlawine in das schwarze Dunkel der Tannen. Dann war alles still. Nur das Pl"tschern und Rauschen des Sturzbaches klang aus der Schlucht her- auf, und aus dem steigenden Nebel dr–hnte die Liebesklage des Hirsches. Eifers¸chtig beh¸tete der Unbesiegte seine Herde. Er fand es nicht wert, einem Rivalen Antwort zu geben. Hin und wieder machte er seinem Zorn Luft und bl"hte die N¸stern. Ihn packte nicht mehr die Raserei der Jun- gen. In dieser Wildnis hatte er das uner- sch¸tterliche Bewuþtsein unbestrittener Kraft und unersch–pflicher Macht. Erdreistete sich wirklich ein Fremder, ihm zu nahe zu kom- men, zeigte er dem Eindringling seine Waffen, und der Nebenbuhler zog es vor, in den B¸schen zu verschwinden. Kamen zuf"llig zwei Herden zusammen, sprangen sich die beiden Bullen mit zornigen Rufen entgegen, senkten einer vor dem anderen die Majest"t der Kronen, um dann stolz zu ihren Hindinnen zur¸dczuschreiten, mit denen sie sich in den flammenden Buchen entfern- ten. Nicht immer endete eine solche Begeg- nung ohne Kampf. Oft floþ das Blut in B"chen und r–tete den Schnee der Berg- k"mme. Der Unbesiegliche konnte sich noch des Tages erinnern, an dem das Blut im stechenden Gras rauchte; jenes Tages der Tage, der ihm die Herrschaft ¸ber dieses Revier gab. Damals kam er hungrig und gehetzt von Verlangen und Leidenschaft aus den fernen Bergz¸gen des S¸dens in dieses Revier, dessen H–hen und Schluchten ein anderer beherrschte. Nach erbittertem Kampf warf er den Ÿlteren ins Gras. Der Besiegte wuþte, daþ es um ihn geschehen war. Er brach auf und floh. Mit wahnsinnigen Spr¸ngen lieþ er die Tage seiner Wonnen mit ihrer Herrlichkeit hinter sich. Der Sieger gestattete ihm die Flucht. Nur wenige Schritte folgte er dem Geschlagenen. Dann wandte er sich stolz und gebieterisch den Hindinnen zu und verk¸ndete mit don- nerndem Siegesgeschrei den Bergen und W"ldern, daþ er von jetzt an der Herrscher sei, un¸berwindlich in seiner Macht. Die lohfarbenen klugen Hindinnen "sten fried- lich weiter, als ob kein blutiger Kampf um sie getobt h"tte. Herrlich standen sie in der Sonne, die den Schnee schmolz und blaue Kissen Enzian in den Schnee stickte. Die Tage kamen und verstrichen gleichm"þig wie eine Kette angereihter Perlen durch die W"lder. Nebenbuhler mieden "ngstlich das Revier. Hohe Schilfmauern umgaben die Teiche, die im Sommer die K–stlichkeit des Bades gew"hrten, dazu schmale Salzsteine zum Lecken und moosige Teppichpl"tze, die der Hirsch f¸r seine Liebesfeiern sucht. Es schien, als ob in der Stille dieser unend- lichen Waldwildnis die Ewigkeit ihren Thron aufgeschlagen h"tte. Die Hindinnen waren ihrem Gebieter in Liebe zugetan, Der Nebel hob sich geisterhaft aus den Tal- kesseln, und Wolken schleppten sich schwer von Feuchtigkeit am niedrigen Himmel fort. Sie hefteten weiþe Fahnen an die Berg- firste. Wie ein Traum kam eines Tages in die Stille dieses Reviers ein Fremder, d¸rstend nach Liebe und Kampf. Mit keinem Laut k¸ndete er sein Kommen an. Der Geruch der Hindinnen war in seine N¸stern gestiegen, und er folgte ihm, bis er den leichtbeschneiten Bergkamm betrat und pl–tz- lich den Unbesieglichen mit seiner Herde vor sich sah. Der Unbesiegte rupfte zornig an den Grasb¸scheln und gab einen warnen- den Laut, weniger eine Herausforderung als vielmehr eine Drohung, daþ er der Herr dieses Bezirkes sei, gekr–nt mit der furcht- baren Waffe des Zwanzigenders. Er h–rte das Brechen der Schneekruste und das N"her- kommen von Hufen. Er sah auf und stampfte. Im brauenden Nebel stand der Fremde mit- ten in der Lichtung. Seine Ann"herung lieþ ihn im Nebel ungeheuer erscheinen. Das Tier reckte sich zu seiner vollen Majest"t hoch und stand da wie ein Block aus Granit. Der Unbesiegliche erkannte sofort, daþ er einem furchtbaren Nebenbuhler gegen¸ber- trat, der ihn zum Kampf auf Leben und Tod herausforderte. Langsam, fast z–gernd, ging er auf ihn zu. Nur wenige Schritte noch trennten ihre Kronen, dann st¸rzten sie wie losbrechende Lawinen aufeinander, daþ die Stille der W"lder und Berge von dem ge- waltigen Zusammenprall in donnerndem Echo widerdr–hnte. Sie sprangen gegenein- ander an, rissen ihre zusammengefahrenen Geweihe auseinander, um einer dem an- deren die Weichen aufzureiþen. Wie S"bel und Lanzen hieben und stieþen die Geweihe gegeneinander. Wirbelnd schleuderten sich die Zentnergewichte ihrer Leiber im Kreise. Es war, als ob die Urkr"fte der Erde gegen- einanderrasten. Liebe und Tod, die unge- heuren Gewalten, sch¸ttelten sich in den dampfenden Leibern. Blutspritzer warfen Rubinen in den Schnee. Der s¸þe Blutgerudc machte die K"mpfenden toller und steigerte ihre Wut zur Raserei, so daþ nur der Tod des einen oder anderen dem furchtbaren Zweikampf ein Ende bereiten konnte. Die Urgewalt aus den fr¸hen Tagen der Erde brach aus den K"mpfenden hervor, als ob die entfesselten Urkr"fte, ges"ttigt von Feuer und Wasser, vor ihrem Erstarren zer- fetzend und zersplitternd ineinanderschl¸gen. Ohne Unterlaþ rasten die K"mpfer, Angriff um Angriff, aufeinander los, bis ihre Leiber zu einem w"lzenden Kn"uel zuckender Glie- der wurden. Die riesigen Tiere hielten sich mit ihren furchtbaren Waffen die Waage. Das Steinger–ll spritzte unter ihren Hufen wie aus Vulkanen hoch, bis die Tiere reglos erstarrten, eines bewegungslos an das an- dere geschmiedet und mit ihren Kronen fest aneinandergeschlossen. Ringsum war alles still, angstvoll still. Ein Blatt senkte sich kreiselnd aus dem Goldgew–lbe der Buchen, und aus Ahornzweigen schwebte ein Samen- flugblatt wie ein sterbender Falter hinab auf den Schnee. Als der Kampf begann und die Tiere auf- einander losgingen, daþ die Funken aus den Steinen spritzten, war es ein erschreckender Anblick. Jetzt war es furchtbar zu sehen, wie die verrenkten R¸ckenwirbel die Sch"del der Tiere unter dem doppelten Gewicht der zusammengeschlossenen Geweihe aneinan- derketteten. Kein Muskelzug, dem der an- dere nachgeben konnte. Kein Schritt, keine Regung, kein Vor und Zur¸ck. Die Majest"t ihrer gewaltigen Kronen schmiedete sie zu- sammen und verurteilte sie zum schreck- lichen Tode, dem des Verschmachtens. Nie- mals wieder w¸rden sie ihre stolzenKronen erheben, niemals wieder sich ihre M"uler hinabsenken in den spiegelnden Bach. . Der Todesmut besiegte den Furchtlosen und die unersch¸tterliche Kraft den Unbesiegten. FR0HHERBST Die leeren gelben Felder sind sonnen¸bergl"nzt. Herbstluft zieht durdc die Wdlder, der Tag ist bunt umkr–nzt. Welt leudctend steht die Heide, Blaudunst liegt um den Hang; am Weg klingt Wanderfreude und heller Fahrtgesang. - G¸nther Petersen
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