Page View
Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 22 (October 22, 1949)
H. A.
Ein Mann allein, p. 14
Page 14
Fast an einem jeden Sonntag gibt es irgendwo auf Sportveranstaltungen haþ- liche Stellungnahmen der Zuschauer. Der Sportplatzbesucher, der Sportsmann und ein gerechter Kritiker ist, scheint immer mehr auszusterben. So wieder am ersten Oktobersonntag in M¸nchen, wo das Fuþballspiel Norddeutschland - S¸d- deutschland stattfand. Hier randalierten ungef"hr 20 Minuten lang lokalpatrio- tische Fanatiker, weil sie mit einer Ent- scheidung des Schiedsrichters nicht ein- verstanden waren, die der S¸dmann- schaft ein Tor kostete. Es kam so: Als in der 70. Minute der S¸den 2:1 in F¸hrung ging, erhielt postwendend der Mittel- st¸rmer Boller aus Norddeutschland eine Vorlage, entwischt dem ihn deckenden Mittell"ufer Baumann und schieþt wuch- tig und ¸berlegt ins Tor. Es steht 2:2. Und nun spielen sich Szenen ab, die nach Berichten seri–serSportjournalisten mehr als widerlich waren. Spieler des S¸dens zerren den Schiedsrichter hin und her X Schon kurz hinter Salzburg, auf der Etappe nachAugsburg ¸berM¸nchen, muþte er alle seine Kameraden ziehen lassen. Er konnte ihr Tempo, das durchaus nicht besonders schnell war, nicht mithalten. Ein steifer Gegenwind hemmte die Fahrt, und ein leiser, zeitweise heftiger Regen nahm die Freude an der Fahrt. Alle Fahrer litten unter diesen Umst"nden, aber dieser, der das Schluþlicht bildete, der Meter um Meter verlor, war ganz besonders den Unbilden ausgesetzt. Gestern war es geschehen. Am P–tschen-Paþ, auf der Bergfahrt, lag er weit an der Spitze, und auf dem Gipfelpunkt der Straþe hatte er eine volle Minute Vorsprung. Ja, er war schon wer, der Franzose Paul Chocque, Spe- zialist in den Bergen und oftmaliger Teil- nehmer der .Tour de France", Sieger in vielen groþen internationalen Rennen. Auch gestern hatte er sein K–nnen bewiesen, und als er den Gipfelpunkt ¸berfahren, lieþ er sein Rad brausend mit der Geschwindig- keit eines D-Zuges durch Schleifen und Kehren zu Tal laufen. Und da war es ge- schehen! In einer Kurve rutschte die Ma- schine weg, und kopf¸ber flog Chocque auf die Straþe. Wie lange blieb er liegen? Zehn Sekunden? Oder 20, 30 Sekunden? Oder eine halbe Mi- nute? Oder mehr? Als Paul Chocque an Kopf und Armen blutend sich erhob, da feg- ten in sausender Talfahrt die ersten Ver- folger an ihm vor¸ber. Er stieg auf sein Rad, das unbesch"digt geblieben war, und jagte hinter den Enteilenden her. Zum Siege langte es nicht mehr, doch er fuhr die Etappe gut zu Ende Doch heute am Start. Alle Glieder taten ihm weh. Das Gehen zum Start fiel ihm schwer. Jeder Atemzug schmerzte, Kopf, Arme und Beine klebten voller Pflaster. Es wurde ihm geraten, die Fahrt aufzugeben. "Nein", er fuhr. Und so waren sie losgefahren. Aber es war eine Qual f¸r Chocque. Die Beine waren bleiern, und er vermochte nicht durch- zuatmen. Und unabl"ssig fiel der Regen. Die sch–ne Landschaft lag im grauen Regen- dunst. Paul Chocque viele Kilometer hinter den Kameraden. Allein. Fremder Mann auf fremden Straþen. Er erreicht M¸nchen. Dort ist Rast, "Zwangs- verpflegung". Die anderen sind l"ngst wieder davon. Chocque vermag sich kaum auf den Beinen zu halten. Man bringt ihn ins Warme, massiert ihn, reicht ihm heiþe Get"nke und Speise. Jemand spricht von - Aufgabe -. Chocque sch¸ttelt den Kopf. 14 Dann ist er wieder allein. 58 liegen vor ihm, so weit ist es von nach Augsburg. Mit eiserner Ener er seine Beine, die Pedale zu tret noch rauscht der Regen herniede Wolkenbruch werdend. Chocque mand ist bei ihm, der ihm Mut niemand vor ihm, der ein wenig ihm nimmt. der ihn f¸hrt, nieman/ sagt, wie fern das Ziel ist. Da si kleine St"dtchen, Chocque kennt sie k–nnen ihm nicht sagen, wi noch bis zum Ziel ist. Chocque f"hrt. Der Regen hat Pflaster abgewaschen. Vor ihm e nasse Straþe, die kein Ende neh Woran denkt er? An die s¸dlic Frankreichs? An das Ziel? An W Geborgenheit? Ob er noch zur re in Augsburg eintrifft, ehe Kontroll! Qu"lt ihn der Gedanke, es k–nne geblich gewesen sein? Uber den Lenker geduckt, mit b Wunden, schmerzendem Brustl fremder Straþe, in fremder Landsc fremden Menschen, f"hrt er gegen Was sind 58 Kilometer f¸r einei fahrer, wenn er sich in Form f¸hl Wenig, wenn man ¸berlegt. welche diese M"nner der "Straþe" auf ih fahrten wie "Tour de France", De fahrt, die Rundfahrten in Italien, Belgien hinter sich bringen. Aber 130 Kilometer, in endlose allein, zerschlagen und zerschund Wind und Atemnot k"mpfend sind Wieviel k–rperliche und seelisc sind notwendig, um nicht weich z um nicht das Rennen aufzugeben hafter Mut und ¸bermenschliches fordern es, durchzuhalten. Und Franzose Paul Chocque bringt d: und dieses Wollen auf. Er erreicht Augsburg in der Sekun Rennleitung die Kontrolle schlig Man muþ ihn st¸tzen, als er vom 1 Paul Chocque wurde die Sonder[ die gr–þte Leistung des Tages Und ihn, den Tapferen, Kranken, S ¸bermannten die Tr"nen. Sein unermeþlicher Mut und seine lose Energie, sein Durchhalten, seiz Alleinfahrt von kurz hinter Sal Augsbuig ¸ber mehr als 250 waren zur groþen sportlichen Lei worden. Und er war noch im R durfte sich am anderen Morgen dt stellen. Foto: Ardciv UHU reim LBUUU ',F.sULs . Aie Zu schauer ergreifen Partei und skanda- Kilometer lieren. Spieler und Zuschauer bilden eine M¸nchen unbeherrschte, unerzogene, blinde 1ana- gie zwingt tische Mass Dabei waren sie im Un- en. Immer recht Es war ein regul"res Tor. Die r, oft zum Fachkritiker, auch die s¸ddeutschen, be- f"hrt. Nie- richten es Ðbereinstimmend. Und wenn zuspricht, auch. Die Entscheidung des Schiedsrich- Wind von ters ist Gesetz. Er hat seine Entschei- d, der ihm dungen allein zu treffen. Die Linien- nd D–rfer, richter sind seine Assistenten, seine sie nicht, Helfer, aber nicht Mitschiedsrichter. In e weit es England. das schon seit Jahrzehntenden Berufsfuþball kennt, sind solche Szenen ihm die unm–glich. Englische Zuschauer, die die endlos einem deutschen Spiel beiwohnefi sind men will. ¸ber das, was sich auf deutschen Sport- che Sonne pl"tzen abspielt, fassungslos.. Der gute r"rme und Ton bei deutschen Sportveranstaltungen chten Zeit scheint vor¸ber zu sein. Und die Zeit schluþ ist? 'ist nahe, daþ man, wie im S¸den Euro- alles ver- pas, nur durch ein Drahtgitter die Vor- g"nge auf dem gr¸nen Rasen verfolgen rennenden kann. corb, auf Weil wir gerade beim Thema sind, noch haft, unter folgende Zeitungsnotiz Wort f¸r Wort Augsburg. nachgedruckt: "In den Waschtrog ge- n Straþen- worfen und schwer verpr¸gelt wurde It! Wenigl Schiedsrichter Schneider, Neckargartach, a Strecken der beim A-Klassen-Spiel Schwalgern lren Rund- gegen Eschenau vier Spieler von E. vom utschland- Platz gestellt hatte. Fast die ganzeMann- Schweiz, schaft von E. soll sich an der Untat be- teiligt haben." im Regen, [en, gegen Ein merkw¸rdiger Fall ereignete sichim eine Qual. w¸rttembergischen Jugendfuþball. Waib- he Kr"fte lingen ben–tigte noch zwei Punkte aus zu werden, einem r¸ckst"ndigen Spiel gegen Heg- ! Beispiel- nach, um Staffelsieger vor Schwaikheim Wollen er- zu werden. -,Der Einfachheit halber" der kleine wurde das Spiel gar nicht ausgetragen, iesen Mut sondern mit 3:1 gewonnen der Beh–rde gemeldet. Vier Monate sp"ter kam man de, als die hinter den Schwindel. eþen will. Mit Riesenschritten geht die sowjetische Rad steigt. Fuþballmeisterschaft ihrem Ende ent- br"mie f¸r gegen. Bei noch vier ausstehenden Spie- zuerkannt. len liegt "Dynamo" Moskau mit vier chwachen, Punkten Vorsprung an der Spitze und steht damit vor dem Gewinn der Meister- e grenzen- schaft. ne endlose Die Teilnahme Deutschlands an den zburg bis Olympischen Spielen in Helsinki im Jahre K-lometer 1952 wird das Hauptthema einer Sitzung Istung ge- der Exekutivkommission des Internato .ennen, er nalen Olympischen Komitees Jn Pris en Starter Euis Oktober sein. H. A.
This material may be protected by copyright law (e.g., Title 17, US Code).| For information on re-use see: http://digital.library.wisc.edu/1711.dl/Copyright