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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 22 (October 22, 1949)
Dohrenbusch, H.
Kleines, glückliches Land, p. [8 and 9]
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Heuernte ¸ber dem Lauterbrunnental, Auch der Bauer muþ in der Schweiz schwer arbeiten. Und der schweizerische Boden ist sehr verschuldet - er ist dem Geld untertan. Schwer dr¸ckt die Last dar Hypotheken auf den Besitz des Bauers. In f¸nf Kantonen der Schweiz treten allj"hrlich die wahlberechtigten M"nner des Kantons zusammen und beschlieþen Gesetzesvorlagen und Budget. Auþerdem w"hlen sie an diesem Tag die Beh–rden des Kantons. Man nennt das die Landgemeinde. Hier die Landgemeinde im kleinen Kanton Glarus. Der Fremde, der zum erstenmal in die Schweiz kommt, wird vielleicht einen kleinen Schrecken bekommen, wenn er mit einmal Zivilisten mit geschultertem Gewehr neben sich gehen sieht. Da aber diese Zivilisten von der Polizei (die kein Gewehr tr"gt) nicht angehalten werden, beruhigt er sich. Auf seine Frage wird er dann erfahren, daþ jeder wehrf"hige Mann in der Schweiz Ge- wehr und Munition daheim hat. Und doch gibt es keinen B¸rgerkrieg? Man stelle sich das in Deutschland, Frankreich, Italien oder gar in S¸dosteuropa vor. ,Muþ das ein innerlich ruhiges Land sein - denkt dei Fr;emde. Wenn er sich nun die Karte Europas vergegenw"rtigt, so sieht er, daþ dieses kleine Land mit seinen 40 000 qkm und seinen rund vier Millionen Einwohnern inmitten Europas von vier M"chten einge- schlossen ist: Frankreich, Italien, Osterreich und Deutschland. Und er wundert sich, daþ die Schweiz sich aus den beiden Weltkriegen draushalten konnte. Zwar sang man in Deutschland nach dem Siege ¸ber Frank- reich: ,Und die Schweiz, das Stachelschwein, stecken wir auf dem R¸ckweg ein", aber man hatte wohl eine Ahnung davon. daþ das nicht so einfach sein w¸rde, als man die von General Guisan, dem Befehlshaber des schweizerischen Milizheeres, ausgege- bene Parole h–rte: Bei einem Einfall ist jeder Schweizer berechtigt und verpflichtet, bis zum Auþersten Widerstand zu leisten. Man wuþte wohl, daþ man mit diesem Volk einen Krieg angefangen h"tte, der in diesem Lande, wo fast jeder Berg zu einer Festung ausgebaut war, wenn ¸berhaupt, so schnell nicht zu Ende gegangen w"re. Wir kennen die Geschichte des Wilhelm Tell, die uns Schiller mit seinem Drama nahegebracht hat. Damals, vor mehr als 750 Jahren, waren die drei Waldst"tten Uri, Schwyz und Unterwalden von den Oster- reichern unterdr¸ckt und gr¸ndeten, um die Unterdr¸ckung abzusch¸tteln, den Bund der Eidgenossen. Im Lauf der Jahrhunderte schlossen sich den genannten Urkantonen immer mehr Kantone an. Heute sind es 25, die bis zum Jahre 1848 ein loser Bund waren, sich dann aber zu einem demokra- tischen Bundesstaat zusammenschlossen, wo- bei wirtschaftliche Gr¸nde die Hauptrolle spielten. Freiheit in der Einheit und Freund- schaft in der Freiheit sind die Grundlagen dieses Staates. Die Freiheit der Kantone ist deshalb auch nur dort eingeschr"nkt, wo das Gesamtinteresse des Bundes dies unbe- dingt erforderlich macht. Weiþ man nun noch, daþ vier Nationalit"ten mit vier ver- schiedenen Sprachen in der Schweiz zusam- mengefaþt sind, so bekommt man einen Be- griff davon, was an politischer Klugheit, To- leranz und wirklicher Freiheit in diesem kleinen Staat vorhanden sein muþ. Und dem um die Zukunft Europas besorgten Zeit- genossen k–nnte sich wohl der Wunsch auf- dr"ngen, daþ dieser Kontinent, von dem zwei Weltkriege ausgingen, f¸r seine zu- k¸nftige Gestaltung manches von der Schweiz lernen m–chte. Wie die Freiheit der einzelnen Kantone wirksam ist, so auch die Freiheit des B¸rgers, der seine Beh–rden, Beamten, Richter, Lehier usw. auf Zeit w"hlt. In f¸nf der kleinsten Kantone herrscht heute noch die aus der Gemeindeautonomie her- vorgegangene Landgemeindedemokratie. In diesen Kantonen treten an einem Tag im Jahr die wahlberechtigten M"nner des Lan- des zusammen und beschlieþen Gesetzesvor- lagen und das Budget und w"hlen die Be- h–rden. Ein groþer Sch–nheitsflecken ist allerdings auf dem Schweizer Fahnentuch. Die Frauen haben kein Wahlrecht. Die Schweiz hat eine M"nnerdemokratie. Viele aufrechte Frauen und M"nner der Schweiz sehen die- sen Fledcen nur mit innerer K¸mmernis. * Sch–n ist dieses Land mit seinen Seen, seinen schneebedeckten Bergen und Mittel- gebirgen, mit der Sauberkeit seiner St"dte und D–rfer, mit seinen W"ldern und Fl¸s- sen. Und der Fremde, der nur ein paar Wo- chen Ferien in der Schweiz verbringt, der kann leicht ¸bersehen, daþ auch in diesem Land hart und schwer gearbeitet wird, daþ es auch hier Menschen gibt, die inmitten eines groþen Reichtums ein k"rgliches Le- ben fristen, wie Bergbauern, Heimarbeiter und viele Industriearbeiter. Und daþ die soziale Gesetzgebung l"ngst noch nicht so ist, wie sie den arbeitenden Menschen zusteht. Vieles von dem, was die gr–þten Dichter der Schweiz, Pestalozzi, Keller und Gotthelf, in ihren Werken gegeiþelt haben, ist heute noch, wenn auch in ver"nderter Form, vor- handen. Auch in der Schweiz wird zwischen Kapital und Arbeit der Kampf ausgetragen. Und erst in langen und harten K"mpfen hat sich die schweizerische Arbeiterbewegung zu achtunggebietender St"rke hochgerungen, auch heute beseelt von dem Willen, die Sch–nheit dieses Landes mit sozialer Gerech- tigkeit in Einklang zu bringen. H. Dohrenbusdc. Anl ""l . elzmuse die Industriearbeiter hart um ihr Brot ringen. Arbeits- es uch hier. L"ngst ist nicht das f¸r die Arbeiter getan, das sie von sozil icierh-it befreit. Eine starke Gewerkschaft vertritt die Rechte der Arbeiter. Z je , n Z¸rich ist das Handels- und das geistige Zentrum der Schweiz. ElN þ te.:-Sdt er sich sehnt, ser einmal dort gelebt hat. Wohl eine der sch–nsten St"dt , 1 der der Di<hter Gottfried Keller als Staatsschreiber t"tig war. B r '5sir1 - Grenzort an der schweizerisch-italienischen Grenze. Der Tessin ist de C-lraþ Schweiz. Leicht und frei ist das Leben in dieser unvergleichlich tt Fotos: Arciv (3). Paul Senn <21 1 kleines, gI "ddicies Plaud 9
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