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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 11 (May 21, 1949)
Braukmann, Karl
100 Jahre Kolpingswerk, p. 12
Mugrauer, Hans
Die Briefschule, p. 12
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qD <ie 1þ3riefschutle Eine neue Einrichtung der Gewerkschaften und Genossenschaften Kolping-Denkmal in K–ln Foto: Ardciv 100 JAHRE KOLPINGSWERK Ihr wandernden Burschen, so saget mir an, was hat der im Grabe euch Gutes getan, l¸g Vater und Mutter hier unter dem Stein, ihr k–nntet nicht stiller und dankbarer sein. So klingt ¸ber viele Jahrzehnte hinweg am Grabe Kolpings das Lied seiner S–hne, dann, wenn sie auf Wanderschaft f¸r einen Tag Rest haltend am Grabe Kolpings stehen oder wenn sie zu Tagungen oder Wallfahr- ten sich an seinem Grabe einfinden. Wer war und ist dieser katholische Priester, dessen Denkmal am Kolpingplatz in K–ln im Schatten der Minoritenkirche steht und Bombenkrieg und Zerst–rung durch Feuer ¸berstanden hat? Als Sohn eines Sch"fers wurde Adolf Kol- ping am 8. 12. 1813 in Kerpen bei K–ln ge- boren. Sein Wunsch, regelm"þig die Schule zu besuchen, um dann zu studieren, konnte nicht in Erf¸llung gehen, weil von dem kar- gen Sch"ferlohn 8 Kinder mit den Eltern leben muþten. So lernte er das Schuhmacher- handwerk. Auf beruflicher Wanderschaft kommt er 1833 nach K–ln und sucht gleich- gesinnte, zielstrebige Handwerksgesellen. Statt dessen findet Adolf Kolping von der Bahn fleiþigen Schaffens abgekommene, den blauen Montag feiernde Kollegen. Sein alter Wunsch, dennoch das Studium zu ergreifen, bleibt bestehen. Unter Ausnut- zung seiner ganzen arbeitsfreien Zeit schafft er die Voraussetzungen und kann in den Jahren 1837-41 das Marzellengymnasium in K–ln besuchen. Bezeichnend f¸r sein Den- ken und f¸r die Schl¸sse, die er aus dem Kennenlernen seiner Gesellschaftsschicht ge- wonnen hat, ist eine Tagebuchnotiz vom 4. 11. 1837, in der es heiþt: "Erst will ich mich bestreben, Mensch zu sein, die hohe Bestimmung begreifen lernen, zu der ich ge- boren ward; die Pflichten des Menschen er- kennen und erf¸llen zu lernen, die ihn ge- recht machen, unter seinen Br¸dern zu leben und f¸r sie zu wirken. Nachdem ich dann erkannt habe die Wege, die zur Vollendung f¸hren, will ich mit festem Fuþ sie betreten, will die erkannte Wahrheit festhalten, mit freier, offener Stirn bekennen, was in meiner Seele vorgeht, der Wahrheit ein Zeuge, dem Mitmenschen ein Bruder sein. Zufriedenheit will ich in dem Gedanken suchen, alles ge- "Es geh–rt zu den Aufgaben der Gewerk- schaften und der Konsumgenossenschaften, den Berufst"tigen, die ihr Wissen und K–nnen erweitern wollen, M–glichkeiten hierf¸r zu schaffen. Ausgehend von dieserVerpflichtung und gest¸tzt auf die jahrzehntelangen Erfah- rungen der Arbeiterbewegung in Schweden und England, soll deshalb auch bei uns der Fernunterricht in immer gr–þerem Umfange in den Dienst der Schulungs- und Bildungs- arbeit gestellt werden. Die Gewerkschaften und Genossenschaften haben hierf¸r ein besonderes Institut ªDie Briefschule´ geschaffen. Die Briefschule ist die Schule aller geistig und fachlich Streb- samen. Sie gibt gute und leicht verst"ndliche Kurse auf demGebiete derAllgemeinbildung, der Schulung aller im –ffentlichen und orga- nisatorischen Leben stehenden Funktion"re und der beruflichen Weiterbildung heraus. Die Kurse sind in eine Anzahl von Studien- briefen aufgeteilt, und die Lernenden be- kommen Antwortaufgaben gestellt, die von besten Fachkr"ften nachgesehen werden. Jeder Fernsch¸ler hat bei der Briefschule seinen Lehrer und Berater." Mit diesen S"tzen, die ein ganzes Programm auf dem Gebiete der Schulungs- und Bildungs- arbeit darstellen, beginnt ein Prospekt der Briefschule, die damit an die Offentlichkeit tritt und ihre T"tigkeit als Fernunterrichts- institut aufnimmt. Die von der Briefschule herausgegebenen Kurse k–nnen von jedem, der sich daf¸r interessiert, bezogen werden. Ihr B¸ro ist in Frankfurt am Main, Wilhelm- Leuschner-Straþe 69-77. Der Aufbau eines demokratischen Staates, die Demokratisierung der gesamten –ffent- lichen Verwaltung sowie die durch die tan zu haben, was meine Kr"fte und mein Wirkungskreis verlangen.' Auf diesem Erkennen aufbauend, faþte er ,den Gedanken, Geistlicher zu werden, um, wie er selbst sagt, seinen Mitbr¸dern den Weg in eine gute Zukunft bauen zu helfen. 1845 in Minoriten zum Priester geweiht, kommt.er als Kaplan nachWuppertal-Elber- feld und findet hier junge Handwerksgesel- len, die sich zur Fortbildung und zur Gesel- ligkeit zusammengefunden haben. Diese erste Keimzelle wird von ihm weiterentwickelt und seine Gedanken werden hier zum ersten- mal erprobt und nehmen greifbare Gestalt an. Gedanken, die er ¸ber Jahre hinaus er- wogen hat und schon w"hrend seiner Stu- dienzeit in M¸nchen mit dem nochmaligen groþen Arbeiterbischof Emanuel Freiherr von Ketteler ausgetauscht und erg"nzt hat. 1849 wird er Domvikar in K–ln und gr¸n- det noch im gleichen Jahr mit sieben Ge- sellen in der Columbasdiule in K–ln den Gesellenverein. Uber den Rahmen der Stadt K–ln hinaus beginnt der Name Adolf Kol- ping und Gesellenverein Bedeutung und Ge- wicht zu gewinnen. Vor allen Dingen sind es seine schriftstellerischen Arbeiten und seine sozial-kritischen Betrachtungen, seine Predigten und Ansprachen. Wer sich die M¸he macht, die sozialen Grundanschauungen Kolpings, in der er die priesterliche Karitasidee mit der sozialen verschmilzt, nachzuschauen und zu erfor- schen, findet, daþ er mit weitschauendem Blick die Entwicklung der Zeit voraussah. Er schreibt in seinen rheinischen Volks- bl"ttern u. a.: Alle Arbeit verdient ihren gerechten, vollen Lohn, aber sei kein S–ld- ling, Hausknecht oder Tr–dlerjude, der sich f¸r jeden Liebesdienst bezahlen l"þt, sei eher wie die Sonne Gottes, die leuchtet und w"rmt, ohne einen Lohn zu begehren! Jeder Kriegsfolgen bedingte Umgestaltung der Wirtschaft stellen das ganze deutsche Volk vor vollkommen neue Probleme. Die soziale Struktur unseres Volkes befindet sich in einem Umwandlungsprozeþ. Keiner kann sich den Auswirkungen und Nachwirkungen dieses Prozesses entziehen. Er ist lediglich vor die Wahl gestellt, sich passiv von den Wogen treiben zu lassen oder aber aktiv am Werke des Neubaues und Umbaues teilzu- nehmen. Je bewuþter der einzelne am Leben der Zeit teilnimmt, um so leichter wird er die Forderungen des Tages verstehen. Die neu entstandenen groþen Organisationen der Arbeitnehmer sind dazu berufen, an der L–sung dieser Probleme entscheidend mitzu- wirken. Dazu sind sie aber nur dann in der Lage, wenn sich ihre Mitglieder und dar¸ber hinaus alle Mitb¸rger dieser Situation be- wuþt werden. Diese Erkenntnis ist bei vielen Millionen unseres Volkes bereits vorhanden, und sie sind zum Lernen und Umlernen be- reit. An diese wendet sich die Briefschule, f¸r diese will sie das notwendige Material ber3it- halten und ihnen die M–glichkeit geben, an sich selbst zu arbeiten. Die Briefschule will mithelfen, immer gr–þere Kreise von Menschen hinauszuf¸hren aus dem Dunkel der Indifferenz und sie heran- f¸hren zur pers–nlichen und politischen Mit- wirkung und Mitverantwortung bei der Neu- gestaltung des gesamten –ffentlichen Lebens. Sie will damit zwei W¸nschen aller vorw"rts- und aufw"rtsstrebenden Menschen gerecht werden: dem Wunsche, sich beruflich weiter- zubilden, und dem Wunsche, das allgemeine Wissen zu erweitern. Nach diesen beiden Gesichtspunkten ist das Kursprogramm auf- gebaut, das in einem folgenden Artikel be- sprochen werden soll. . Hans Mugrauer Arbeiter tr"gt das reichste Kapital in sich selbst, er soll es eifrig vermehren und weise anwenden. Das Kapital besteht in Jugend- zeit, Jugendkraft und Jugendverdienst. In der unerm¸dlichen T"tigkeit bei der Be- treuung der Handwerksgesellen auf der Wanderschaft und im Beruf reibt er sich auf und stirbt schon am 4. Dezember 1865. Er sah das begonnene Werk wachsen in Deutschland und weit ¸ber die Grenzen hin- aus. Die Gesellen sind seine S–hne und die besten Tr"ger seiner Idee. - Das Werk w"chst und bl¸ht, und 1931 be- tr"gt die Zahl der Vereine 2291 mit 126000 Mitgliedern in 16 L"ndern. Die Idee ist m"chtig und schl"gt ein einigendes Band ¸ber alle Grenzen hinweg um die S–hne. Auf dem zweiten internationalen Gesellen- tag in Wien im Jahre 1927 wurden drei gesellschaftspolitische Ideen als g¸ltig f¸r die gesamte Kolpingsfamilie aufgestellt in den Parolen Familie, Demokratie und V–l- kerfriede'. In derHitlerzeit trifft die deutsche Kolpings- familie die Verfolgung, Beschlagnahme der H"user und Verbot. Aber alles erschl"gt nicht die Idee. Sie lebt in den Herzen der S–hne weiter, und 1945 beginnt der Neu- aufbau. Vor allem war es der erste Gene- ralpr"ses nach 1945, Joh. Dahl, der in den besten Jahren seines Priesterlebens der Kolpingsidee diente. Er leitete den Neu- beginn mit Klugheit und Sachkenntnis. 1949 ist das Jahr des 100j"hrigen Bestehens. Es ist unser Wunsch, daþ aus diesem sozia- len Werk wie in der Vergangenheit so audc in der Zukunft eine Jugend wachse, die ge- treu dem Willen des Gr¸nders Helfer und K"mpfer ist f¸r eine neue Ordnung, in der der Mensch Angelpunkt und sein Wohl be- stimmender Faktor des Geschehens ist. Karl Braukmann
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