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Becher, Johannes Robert, 1891-1958. / Wir, Volk der Deutschen; Rede auf der 1. Bundeskonferenz des Kulturbundes zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands (21 Mai 1947)
(1947)
VI. Geistige Auseinandersetzung, pp. 54-60
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halten oder gar durch personliche Verunglimpfungen unmoglich machen. Bedauerlicherweise werden diese positiven Ansatze, wie wir sie hier verzeichnet haben, oftmals wieder hinfallig gemacht durch eine prinzipien- lose Zweckpolemik, wie wir sie sowohl aus friuheren Skandalblattern als auch zur Genuge von der Nazipresse her kennen. Es ist verstandlich, dag diejenigen, die. geistigen Auseinandersetzungen nicht gewachsen sind, jeder sachlichen BeweisfUhrung ausweichen und an Stelle des Arguments die Verdrehung und die Verunglimpfung treten lassen, wobei der ehrliche Gesprachspartner vor Affekten gewarnt sei: denn jeder Versuch, Gleiches mit Gleichem vergelten zu wollen, ist hinfallig angesichts der Tatsache, das der geistig Unterlegene sich stets, was die Infamie betrifft, als der lberlegene erweist. Wer in die Dschungel der Diffamierung sich verlocken Mift, muB darin umkommen. Bei einer prinzipienlosen Zweck- polemik geht es nicht um Wahr older Falsch, sondern nur darum, den Andersdenkenden zu diffamieren, und kein Mittel ist schlecht genug, nichts ist albern, nichts ist b6sartig und hinterhiltig genug, um den tatsachlichen oder vermeintlichen Gegner zu ,,erledigencc. Man nimmt sich nicht die geringste Miuhe, bevor man solch eine Hetz- polemik loslaft, sich sachlich zu informieren, denn haufig genugte ein Telephonanruf, umn em Miflverstandnis in Ordnung zu bringen und die Sache richtigzustellen. Die Mehrzahl unserer ,,Annahmen" erweisen sich bei einer naheren Oberpriifung und bei ciner Konfrontierung mit der Wirklichkeit als ziemlich bruchig und aulerordentlich korrekturbedurftig, und ebenso wie bei Begegnungen mit Personlichkeiten, die wir nur vom Horensagen kennen, verhalt es sich auch bei einer Begegnung mit der Wirk- lichkeit: es ist meist ganz anders. Zu den beliebtesten Tricks beruchtigter Pressepolemiken gehort es, dem anderen eine Meinung zu unterschieben, die er weder hat noch geaufgert hat, Zitate aus dem Zusammenhang her- auszureigen, geheimnisvolle Andeutungen zu machen und so den Gegner zu einem Popanz auszustaffieren, den 56
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