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Becher, Johannes Robert, 1891-1958. / Wir, Volk der Deutschen; Rede auf der 1. Bundeskonferenz des Kulturbundes zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands (21 Mai 1947)
(1947)
II. Flucht und Verdrängung, pp. 12-34
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em Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutsch- lands, das heifit, wir setzen uns zur Aufgabe, auf dem breiten Gebiet der Kultur Deutschland demokratisch zu erneuern. Eine politische, hochpol~itische Aufgabe zwei- fellos. Es widerspricht diesem hochpolitischen Charakter des Kulturbundes, wenn er an vielen Orten einem Kunst- verein gleicht, und wir wollen deshalb rechtzeitig darauf aufmerksam machen, daf wir mit Vereinsmeierei nichts zu tun haben, auch nichts mit Kunstvereinsmeierei, und dal ein Kulturbetrieb zu nichts nutze ist, dessen Erfolg sich nur in Zahlenangaben ersch6pft. Damit soil nicht etwa gesagt sein, das wir Unterhaltung~ prinzipiell ab- lehnen, aber Sie wissen, es gibt Unterhaltung vielerlei Art, und wir sollten bemiiht sein, einen neuen Untter- haltungssitil herauszuarbeiten, der sich gleich weit ent- fernt halt von Schund wie von Langeweile. Goethe hat sich einmal dahingehend geduflert, daf3 die Kunst das sicherste Mittel sei, dem Leben auszuweichen, aber sie sei auch das sicherste Mittel, uns mit dem Leben zu verbinden. Jede grofe Kunst ist eine lebensverbun- dene und uns mit dem Leben in steter Verbindung hal- tende, und fur diese Wahrheit ist jedes echte Kunstwerk selbst ein lebendiges Zeugnis, denn eine Kunst, die den Problemen des Lebens ausweicht, wird selbst problema- tisch, und nur in der Meisterung der Problematik des Lebens gelingt es ihr, ihre Meisterschaft zu bewahren. Ahnlich verhalt es sich auch mit der Aufnahme von Kunstwerken. Man kann in ein Konzert von Bach geLen, um der Problematik des Lebens auszuweichen, eine Bach- sche Fuge kann uns aber auch eine beinahe iibermensch- liche Starke verleihen, indem sie die besten Krafte in uns wachruft, um der Problematik des Lebens gewachsen zL sein. Solch eine Art von Kunstaufnahme ist echter Kunst- genug. In diesem Sinne kann man bei unserer Mission als von einer Transmission sprechen, indem wir in geeigne- ter Weise auf dasVerbindliche undVerpflichtende groger Kunstwerke hinweisen, und den Geist eines Kunstwerkes in Lebenshandlung umsetzen, um nicht, der Problematik 23
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