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Germany (West). Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen. / Polit-Kunst in der Sowjetischen Besatzungszone; "III. Deutsche Kunstausstellung 1953" Dresden.
(1953)
Protest sowjetzonaler Maler, pp. 41-43
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Der Picasso, den wir kennen und schatzen, der auBer der Friedenstaube auch noch andere Bilder malte, hatte keine Seite seines vielgestaltigen Schaffens unter der ostlichen Diktatur entwickeln konnen. AuBerdem wurden die Anhanger der kommunistischen Weltanschauung in der un- mittelbaren Beriihrung mit der praktischen Anwendung dieser Ideologie neben dem geistigen Zwang die vollige materielle Unzulainglichkeit in der Sowjetzone auf jedem Gebiet, besonders auch auf dem des Kiinstler- bedarfs, sehr schnell und sehr schmerzlich empfinden und sich wehmuts- voll daran erinnern, daB es in Westdeutschland auch in kleinen Geschaf- ten Farben, Pinsel, Keilrahmen, Leinwand und sogar Blaukopfe zum Befestigen der Leinwand gibt. Sie wiirden sich dann auch wohl bei einem personlichen Besuch der Dresdner Ausstellung Gedanken dariiber machen, warum die krampfhaft- frohen, zuversichtlich-aufgeraumten Gebarden und Mienen der auf den Bildern dargestellten Arbeiter und Aktivisten, gemalt in der vorfristigen Sollerfuillung von Kollektivs und Brigaden, sich in keiner Weise in den Gesichtern der betrachtenden Besucher spiegeln, sondern nur Skepsis und tVberdruB hervorrufen. Selbst der einfache Mann mit seinem in die ,Freiheit' oder ,Volksstimme' gewidcelten trockenen Friihstuicksbrot in der Tasche erkennt sehr schnell die Fragwiirdigkeit eines solichen Realismus. Es sollte sich allmahlich auch in Westdeutschland herumgesprochen haben, in welcher Weise jede wirkliche kiinstlerische Regung in der Sowjetzone unterdriickt wird, wie ausschliellich die Kunst als Propagandazweck miBbraucht wird und wie sehr die Bewohner der Sowjetzone auch auf dem Gebiet des kiinstlerischen Schaffens die Befreiung von dem Alp- druck einer standigen Angst herbeiwiinschen. In dieser Erkenntnis miiBten es die westdeutschen Maler verstehen, daB es uns Maler der Sowjetzone, die sich nicht dem System verkauft haben, bedenklich stimmt, wenn wir neben indiskutablen Laienarbeiten charakterschwacher oder charakter- loser Konjunkturmaler der Sowjetzone Arbeiten Westdeutscher sehen, die, wenn sic in der Sowjetzone entstanden wairen, ohne weiteres wegen formalistischer Tendenz ausgemerzt wiirden. Wenn diese Maler es jedoch nicht verstehen, daB wir so reagieren, wie es im Namen mehrerer sowjet- zonaler Maler in diesem Schreiben an die in Dresden vertretenen west- deutschen Kiinstler geschieht, so migen sie umgehend hierherfahren und mit uns tauschen. Vielleicht wurden sie es dann allmahlich lernen, daB die Kunst eine verantwortungsbewuBte Haltung erfordert. Wir sind zu der Erkenntnis gekornmen, dal3 es vollig falsch ware, die Ausstellung in Dresden zu bagatellisieren, sondern daB wir mit allen uns zur Verfuigung stehenden Mitteln, besonders aber mit dem Apell an die in Dresden vertretenen westdeutschen Kollegen, ihre Haltung zu iiberpruifen, dazu beitragen wollen, die geistige Tragodie in Dresden niiht zu einer ge- samtdeutschen werden zu lassen." 43
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