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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 2 (February 15, 1966)
Ott, Günther
Junge Gäste und Kunstwerke aus der UdSSR, pp. 20-21
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altungen hat sich das deutsche 1ikum daran gewöhnt, über die tgardistischen Kunsttendenzen des ens nicht mehr erstaunt zu sein. hat also eine private Galerie in chen in Sachen sowjetischer Kunst Initiative ergriffen: ihr Leiter, Dr. ard Hiepe, ein Mann von Ideen, Mut sozialer Initiative, fuhr kurz ent- iossen vor Jahresfrist nach Moskau bat, wie es bei uns Gepflogenheit um Überlassung von Gemälden und phiken von jenen Künstlern, die er ualitätsvoll hielt und für die er hoffte, interessierten auch den anspruchs- en westdeutschen Besucher. Dazu zu sagen, daß Dr. Hiepe durch die ndung des Graphik-Kreises, einer einigung ähnlich der Griffelkunst in burg, in dessen Rahmen er u. a. Otto Pankok, HAP Grieshaber, no Edelmann, Prof. Karl Rössing agiert, keine ungeschickte Hand be- ,en hat. , Dr. Hiepes erste Moskau-Reise war weit ein Mißerfolg, als er die mei- Werke, die er sich für die deutsche ,teHlung gewünscht hatte, nicht be- :t erhielt, sei es, daß die betreffenden stier trotz künstlerischer Qualität in enn JdSSR nicht hoch im Kurs stehen, s, daß sie noch zögerten, ihre ersten itte in die internationale Welt gerade den Weg in Deutschland zu wagen. sein, daß sich in diesem Verhalten ffiziellen sowjetischen Stellen auch gewisse künstlerische Unsicherheit rückt. - diesem Aspekt erschienen mir esse und Bemerkungen der jungen e in den Diskussionen im Kölner eum noch verständlicher, und auch Vorhaben jener 200 Moskauer enten, die für den festgenommenen schen Schriftsteller Andrej Sin- kij auf dem Puschkin-Platz demon- ei wollten, wirft ein Licht auf die tierischen Strömungen, die in der SR wohl im Fluß zu sein scheinen. schen ist nun diese erste sowjet- sche Kunstausstellung eröffnet wor- Bei allen Mängeln, die sie besitzt, die Tatsache anzuerkennen, daß ;iaupt eine erste Begegnung zwi- n sowjetrussischen Künstlern und westdeutschen Publikum stattfindet. >n vernimmt man, daß Fäden ge- .nen werden, um im staatlichen Haus Kunst in München in absehbarer eine große, gleichsam noch offiziel- Ausstellung der UdSSR folgen zu en. deutsche Kunstfachmann ist über- Int, daß man heute in der zweiten te des 20. Jahrhunderts in einem ite, der angeblich eigene künstle- he Wege geht, noch so malt wie in is, Berlin und Wien um die Jahr- dertwende oder nicht viel später. Da Gemälde im Stil Cözannes bzw. des en Picasso, die der jüdische Russe ert Falk tatsächlich um die Zeit des en Weltkriegs gemalt hat. Aber auch viel später gemalten und gezeich- n Bilder könnten zwei, drei Genera- en früher entstanden sein. Anatolij witsch Kaplan (Jahrgang 1902), des- Lithos den Schwerpunkt der Aus- lung darstellen, erinnert an den im- hin bald 80jährigen Chagall; es sind kate Schwarz-Weiß-Blätter, die das ische Volksleben und jüdische Mär- n illustrieren, und dekorativ nehmen die hebräischen Lettern aus, die die Lithos einbezogen sind. Der ktor des Dresdner Kupferstichkabi- s Professor Werner Schmidt schreibt Vorwort des Münchener Ausstel- skatalogs über die Geisteshaltung Alexandr Semjonowitsch Wedernikow (geb. 1598) ~Beim Tee", Farblitho Gurij Sacharow (geb. 1926) <Der Fluß Jausa", Holzschnitt Kaplans u.a.~... Die Berufung zu seinem Themenreich erwachte in ihm 1937, als der Leidensweg seiner jüdischen Brüder in Deutschland begann. Das Unheil des Stalinschen Personenkults in seiner Heimat mag die ihn erfüllende Melan- cholie noch vertieft haben. Schließlich mußte er die furchtbaren Schrecken des Krieges im belagerten Leningrad durch- stehen, und noch in den späteren Dar- stellungen der ehrwürdigen Bauten und vertrauten Winkel seiner geliebten Stadt klingt das schwere Erleben nach..." Andere Russen malen wie die längst schon verstorbenen nachimpressioni- stischen Franzosen, wie die deutschen Expressionisten und wie der frühe, farb- lich laute Kandinsky, der erst nach dieser Jugendstilperiode seinen reifen ab- strakten Stil entwickelt. Angenehm wird der deutsche Aus- stellungsbesucher berührt, daß hier nichts vom sozialistischen Realismus zu spüren ist, wie er einst von Hitlerdeutsch- land beschert wurde und heute in Ost- Berlin grassiert. Und positiv fällt auch auf, wie die Wurzeln dieses oder jenes Malers und Graphikers zur russischen Volkskunst führen. Diese folkloristischen Tendenzen haben etwas Rührend-Nai- ves, was man hier im Westen liebt, wo die ,Sonntagsmalerei" immer mehr schwindet. Die Russen praktizieren die- sen Stil freilich mit einer vorzüglichen Technik und erschließen damit die Atelierkunst. Das Dekorative, wie es mit dem Jugend- stil und Matisse bereits vor Jahrzehnten zu Ende ging, weckt - denken wir an Alexandr Semjonowitsch Wedernikow - Erinnerungen an verschollene Zeiten. Die UdSSR scheint das einzige Land zu sein, in dem sich diese jugendstilartige Kunst bis in die Mitte unseres Jahr- hunderts gerettet hat. Daß sich die sowjetische Jugend selbst heute nicht mit diesem Jugendstil iden- tifizieren will, sondern eine <moderne" Kunst erstrebt, leuchtet ein. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß diese Ju- gend - so wie in Warschau, Prag und Belgrad - eines Tages, dem Außen- stehenden überraschend, uns wirklich eine neue Malerei, Graphik und Plastik vorsetzen könnte. Günther Ott
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