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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 4 (April 15, 1966)
Averhoff, Thomas
Wenn Jesus wüßte, was auf der Welt geschieht..., pp. 22-23
Angermann, Gerd
Populär, p. 23
Page 23
1Baez Dominique S1oan nen, gegen den in Vietnam im besonde- ren. Bob Dylans ~Der dritte Weltkrieg": ~Vor einiger Zeit hatte ich einen verrück- ten Traum. / Ich träumte, ich ging nach dem dritten Weltkrieg spazieren. / Ich sah ein Mädchen, und ich sagte zu ihr, komm, spielen wir Adam und Eva. / Aber sie sagte, du spinnst wohl, du siehst ja, was das letztemal dabei herausgekom- men ist." Barry McGuire, der Holzfällersohn, er- lebte seinen größten Erfolg mit dem Lied ~Eve of Destruction"', Vorabend des Weltunterganges". Dieses Lied schrieb P. F. Sloan. Er hat dasselbe Anliegen wie Dylan: <Die ganze Welt ist am Zersprin- gen, / Unrecht blüht, die Waffen klingen. / Zum Töten nie zu jung, doch wohl zum Wählen. / Du bist nicht für den Krieg, / doch tust du auch nichts dagegen. / So- gar den Uniformen gibst du deinen Se- gen. / Wir stehen am Vorabend der Welt- zerstörung!" Natürlich spricht man in den neuen Songs auch von Liebe. Aber es sind keine schnulzigen Klischees, die hier auftauchen. Auch hier haben die neuen Leute etwas auszusagen. Die neue Welle rollt inzwischen auch nach Europa, ja sogar nach Deutsch- land. Es bleibt allerdings zweifelhaft, ob man sich einfach an einen Erfolg anhän- gen will, oder ob man so wie die Ameri- kaner wirklich etwas auszusagen hat. Die Münchnerin Dominique singt den ins Deutsche übertragenen Protestsong des Engländers Donovan: <Universal Sol- dier". In Hamburg eröffnete gar ein Folk- lore-Klub seine Pforten: In <Dannys Pan" singt die 18jährige Lee Bach aus Cux- haven Protestsongs zur Gitarre. Ein An- fang, der noch nicht erschüttern kann. Wichtig ist, daß die Platten der Ameri- kaner auch bei uns zu haben sind - leider ohne Übersetzungen auf den Rückseiten der Plattentaschen. Hier sind einige der Folksong-Langspielplatten: Joan Baez: <Farewell, Angelina"; Bob Dylan: The Times They Are A-Changin" und The Freewheelin"; Barry McGuire: Eve of Destruction'. Populär uf einem Parkplatz der Autobahn &Heimstdt-BeMo lernte ich bei einer kurzen Rast ein junges Ehepaar aus der Zone kennen. Die beiden waren Schau- spieler. <Neulich hatte meine Frau das erste Mal im Fernsehen zu tun", erzählte er. <Das war natürlich eine tolle Sache. Zum Glück hatten wir an dem Abend, als das Spiel gesendet wurde, beide keine Vorstellung im Theater. Wir sahen uns die Sendung an und waren überzeugt, daß meine Frau am nächsten Tag überall Komplimente zu hören bekommen würde. Sie wissen ja, wie eitel Schauspieler sind." <Die Enttäuschung fing schon am Mor- gen an", fuhr sie fort. <Die Hausbewoh- ner, denen ich begegnete, waren freund- lich wie immer. Aber keiner sagte ein Wort über das Fernsehspiel. Und ich wartete doch so darauf! Gut, dachte ich, versuchst du dein Glück im HO-Laden. Dort trifft man immer Bekannte. Aber es war wie verhext. Offensichtlich hatte kein Mensch das Fernsehspiel gesehen. Lang- sam wurde ich nervös. Das gibt's doch nicht, sagte ich mir. Ich suchte Freunde und Bekannte auf. Unter den lächerlich- sten Vorwänden störte ich sie beim Woh- nungputzen, beim Bettenmachen, beim Kochen. Nichts. Mir wurde ganz anders. Es gab nur eine Erklärung: Ich war so hundemiserabeelend gewesen, daß es alle vorzogen, mein Fernsehdebüt mit dem Mantel schweigender Nächstenliebe zuzudecken." Ihr Mann lächelte mitfühlend. <Die Ärm- ste tat mir richtig leid. Als sie mittags nach Hause kam, war sie völlig geknickt. Ich sagte ihr: Vielleicht haben die Leute das Fernsehspiel wirklich nicht gesehen, es war ein politisches Tendenzstück. Aber natürlich meinte sie, ich wollte sie trösten und glaubte mir kein Wort." <Und nun stellen Sie sich vor: Ein halbes Jahr später werde ich eines Tages plötz- lich von allen möglichen Leuten ange- sprochen. Im HO, auf der Straße, im Theater. Du, sagen sie, wir haben dich gestern im Fernsehen gesehen, herzlichen Glückwunsch. Du warst großartig. Ich verstand das nicht. Ihr müßt mich ver- wechseln! Quatsch, sagen sie, wir ken- nen dich doch, eine Verwechslung ist ausgeschlossen. Du hast eine westliche Agentin gespielt, die in die Republik ein- geschleust wird. Das war das bewußte Fernsehspiel l" <Eine Wiederholung?" fragte ich. <Nein." Die beiden schüttelten die Köpfe. <Sie kommen bestimmt nicht darauf. Des Rätsels Lösung war folgende: Das west- deutsche Fernsehen hatte eine Szene aus jenem Fernsehspiel aufgezeichnet und in seiner Sendung SDiesseits und jen- seits der Zonengrenze' gebracht. Und jetzt hatten es auf einmal alle gesehen I" Es gibt Geschichten, die kann man ein- fach nicht erfinden, so haarscharf treffen sie in das Schwarze einer Situation. Man kann sie nur aufschreiben, wenn man sie hört, und weitererzählen. Gerd Angermann ~aufwärts", illustrierte Zeitung des Deutschen Gewerkschaftsbundes für junge Menschen. Erscheint im Bund- Verlag GmbH, Köln-Deutz, Schließ- fach 6. Verlagsleiter: Wilhelm Biedorf. Verantwortlich für Inhalt und Gestal- tung: Hans Dohrenbusch. Tel. 83881. <aufwärts" erscheint monatlich ein- mal. Bestellung durch die Post. Be- zugspreis durch die Post vierteljähr- lich 1,50 DM einschließlich Zustell- gebühr. Unverlangt eingesandten Ma- nuskripten muß Rückporto beigefügt werden. Kupfertiefdruck: dumont presse, Köln si Pl V n 1 >t ii it it -1
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