Page View
Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 4 (April 15, 1966)
Dohrenbusch, Hans
Vor fünfzig Jahren: 1. Mai 1916, p. 9
Page 9
e. er st n, st ht hr nl, r- st U er hoben. Aussperrungen, Verlust der Ar- gen, die zum Krieg führen mußten. Ihm demokratie mit ihm gegen die Kriegs- alle Grenzsperren und bcnClacnhlLelOer hinweg die Bruderhand dem Volke In Frankreich, in Belgien, in Rußland, in England, in Serbien, in der ganzen Welt! Am 1. Mai rufen wir vieltausendstim- mig: Fort mit den ruchlosen Verbrechern des Völkermordes! Nieder mit seinen verantwortlichen Machern, Hetzern und Nutznießern! Unsere Feinde sind nicht das franzö- sische, russische Volk, sondern das sind deutsche Junker, deutsche Kapi- talisten und ihr geschäftsführender Ausschuß: die deutsche Regierung! Auf zum Kampf gegen diese Tod- feinde jeglicher Freiheit, zum Kampfe um alles, was das Wohl und die Zu- kunft der Arbeitersache, der Mensch- heit und der Kultur bedeutet! Schluß mit dem Krieg! Wir wollen Frieden! Hoch der Sozialismus! Hoch die Arbeiter-Internationale! Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" Etwa 10000 Arbeiter Berlins folgten die- sem Aufruf und versammelten sich am frühen Morgen auf dem Potsdamer Platz. Nur zwei Sätze konnte Karl Lieb- knecht ihnen zurufen: ~Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!" Dann rissen ihn die Polizisten vom Red- nerpult. Am 28. Juni wurde Liebknecht trotz sei- ner Immunität als Reichstagsabgeord- neter zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Aber am selben Tage begann der erste politische Streik während des Krieges, denn allein in Berlin legten über 50000 Arbeiter aus Protest gegen das Urteil die Arbeit nieder. Evelyn Anderson schreibt in ihrem Buch <Hammer oder Amboß": <Die Mehrheit der streikenden Arbeiter streikten nicht, weil sie sich mit Liebknechts revolutionä- rem Programm identifizierten, von dem die meisten ohnehin kaum etwas wuß- ten; sie streikten, weil Liebknecht das Symbol ihres Kriegshasses geworden war, ihres Hasses gegen die kaiserliche Regierung, die sie in steigendem Maße für die nicht endenwollende Schlächte- rei und das Massenelend verantwortlich machten." Viele Streiks während des Krieges folgten diesem ersten Streik. Sie führten mit dem Zusammenbruch der Fronten zurAuflösung des Kaiserreiches. Karl Liebknecht wurde 1918 aus der Haft befreit, aber ihm war nicht mehr viel Zeit gegeben, Im Januar 1919 wurden er und seine Kampfgefährtin Rosa Luxemburg von rechtsradikalen Offizieren ermordet. Sie waren die ersten Opfer des politi- schen Mordes in Deutschland, der sich durch die Weimarer Republik fortsetzte und schließlich in den politischen Mas- senmord der Nazis einmündete. In der Geschichte des 1. Mai hat Karl Liebknecht einen Ehrenplatz. Hans Dohrenbusch
This material may be protected by copyright law (e.g., Title 17, US Code).| For information on re-use see: http://digital.library.wisc.edu/1711.dl/Copyright