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Aufwärts
Jahrgang 16, Nr. 10 (October 15, 1963)
[Articles], pp. [3]-4
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Uwe Teune eröffnet das Treff.n Das Rathaus von VM"elstadt M ichelstadt, mit einer stark ausgeprägten Industrie, seinen schönen alten Häusern und se nen aufgeschlossenen Menschen zu Recht das Herz des Odenwalds genannt, bot die historisch reizvolle Kulisse zum 2. Bundes- jugendtreffen der Gewerkschaft Nahrung, Ge- nuß und Gaststätten. Sie fühlten sich gleich heimisch hier, die fast 1500 Jungen und Mäd- chen, die aus allen Teilen der Bundesrepublik und aus Westberlin für die Tage vom 13. bis zum 15. September angereist waren. Sie dank- ten den Michelstädter Bürgern für die herzliche Aufnahme, indem sie drei Tage lang die son- nenbeschienenen Plätze des Städtchens mit jungem, fröhlichem Leben erfüllten. Oberall traf man sie, meist in kleinen Gruppen, schwatzend, lachend oder in ernste Gespräche vertieft. Schnell wurden Freundschaften ge- schlossen, viele waren sich nach langer Zeit wiederbegegnet und hatten sich eine Menge zu erzählen. Die Veranstalter hatten ein Mammutprogramm auf die Beine gestellt: Kabarett, Laienspiel, Jazz, Aufführungen von Akkordeon- und Mandolinen- und Tanzor- chestern, Volkstanz- und Singkreisen. (Wir zählten allein 16 Unterhatungsgruppen.) Sportveranstaltungen fanden statt. Eine Grup- pe Afrikaner, die zusammen mit österreichi- schen Kollegen Gäste des Treffens war, nahm an den Fußball-Ausscheidungskämpfen teil. Außerdem wurden zwei künstlerisch wertvolle und thematisch wichtige Filme gezeigt: <Rom - offene Stadt" und ,Jakobowski und der Oberst". Aber nicht von einem einzigen Riesenvergnü- gen soll hier berichtet werden, die viel wichti- gere Seite des Treffens war, wie schon das Motto <Nicht überleben - leben" verrät, der stark akzentuierte politische Teil. Dazu leitete die Fotoausstellung des Kriegs- berichterstatters Robert Capa über. Im Mittel- punkt von Capas erschütternden Bildern steht immer der Mensch - der Mensch in Elend und Not, der Mensch im Angesicht des Todes, in den wenigen glücklichen Momenten, die ein Krieg gewährt, der Mensch, nachdem er ge- tötet hat. Schon In den vielen Begrüßungsreden fielen Worte der Kritik an politischen bzw. sozialen Mißständen, die nach 1945 nicht mehr hätten möglich sein dürfen. Günter Stephan, Verant- wortlicher für die Jugendarbeit im Geschäfts- führenden Bundesvorstand des DGB, der die Grüße seiner Kollegen beim Bundesvorstand und aus der Abteilung Jugend überbrachte, bekannte sich zur politischen Bildungsarbeit, die junge Staatsbürger zum Denken und Han- deln erziehe. Fotos: Udo Hoffmann Elisabeth Ostermeier, Mitglied des Geschäfts führenden NGG-Vorstandes, betonte, daß de Wille zu einem menschenwürdigen und erfül!. ten Leben allen Menschen gemeinsam sei, dai sie alle aber kein Oberleben wünschten, das nur ein Dahinsiechen sei, schlimmer als dei Tod. Wörtlich sagte sie weiter: <Wir wollen Brük. ken schlagen zu anderen Völkern, Verbindun. gen zu allen, die guten Willens sind. Bleiber wir offen für unbekannte und neue Dinge, aus Wissensdurst entsteht das Wissen. Aue Kenntnis und Erkenntnis aber wächstToleran Das Verständnis, das uns den anderen in sei ner Art begreifen und gelten läßt. Dies ist dei Beitrag, den die Gewerkschaftsjugend leisten kann und daher leisten muß, für unser Ziel zt leben und nicht überleben zu müssen." Von starkem Beifall begrüßt trat zuletzt dei Vorsitzende der Gewerkschaft NGG, Alfret Schattanik ans Rednerpult. Zu den elementar sten gewerkschaftlichen Aufgaben gehöre es- stellte Schattenik fest -, die Gesellschaftsord- nung so zu gestalten, daß der arbeitende Mensch nicht nur politisch, sondern auch irr Wirtschaftsleben gleichwertiger Bürger des Staates sei. Erst dann werde die Demokratie sicher verankert sein. Kollege Schattanik rief der Jugend zu: ,ich bir stolz, weil unsere Jugend sich hier in so gro- ßer Zahl versammelt hat, weil sie freiwillig ge- kommen ist und nicht, wie es anderwärts praktiziert wird, zur Teilnahme an Kundgebun. gen kommandiert wird." Höhepunkt des Treffens war ein großartiges etwa dreiviertelstündiges Referat des Schrift- stellers Wolf-Dietrich Schnurre, das wir in einer kurzen Zusammenfassung wiedergeben. Nach Schnurres Rede, der ein stürmischer minutenlanger Beifall folgte, erhoben junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ihre Stimmen, um Im gesprochenen und gesunge- nen Wort für den Frieden zu appellieren. Dann war ein gut organisiertes, harmonisch verlaufe- nes Treffen, das seinen pädagogischen unc politischen Aufgaben auf ideale Weise gerech wurde, zu Ende. Die jungen Teilnehmer werden die Tage in Michelstadt in guter Erinnerung behalten, unc das 2. Bundesjugendtreffen der Gewerkschaft NGG wird bestimmt noch lange Stadtgespräch sein in den gemütlichen Wohn- und Wirts- stuben von Michelstadt. Hans PlOck
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