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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 1 (January 13, 1951)
Verkündet den Bundesjugendplan, p. 12
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Page 12
BUNDESKANZLER DR. ADENAUER VERKUNDET DEN BUNDESJUGENDPLAN Die Saalordner im Bonner Bundeshaus –ff- neten an diesem Tage die T¸ren zum Plenar- saal nicht nur vor Ministern, hohen Beamten und Abgeordneten, Durch die Pforten, die bei den normalen Sitzungen fur die Abstimmen- den getrennt nach "Ja" und "Nein' oder ",Enthalten' bezeichnet sind, str–mten M"d- chen und Jungen. Vertreter der deutschen Jugend aus allen Teilen der' Bundesrepublik. Erstaunt und ein wenig befangen schoben sie sich durch die schmalen G"nge im weiten l-albrund des Parlamentssaales. Neugierig tastete hier und da ein Blick ¸ber die Namensschilder der Abgeordneten und die Fraktionsbezeichnung. Bevor man in den gr¸n gepolsterten Ledersesseln hinter schwarzen Pulten Platz nahm, wollte man zumindest, wissen, wie der Volksvertreter heiþt, der von dieser Stelle aus Zehntausen- den von Wahlberechtigten im Lande verant- wortlich ist. Bei prominenten Namen gab es nat¸rlich ein biþchen Gedr"nge. Auf der Regierungsbank neben Pr"sidium und Rednerpult saþen einmal keine Bundes- minister und Staatssekret"re, sondern eben- falls Jugendliche aller Altersstufen, Kon- fessionen und Weltanschauungen. Statt der prall gef¸llten Aktentaschen sah man Blumen. Unten aber, in den ersten Reihen hatten sich der Bundespr"sident, der Kanzler, die Minister und die zahlreichen Ehreng"ste eingefunden. W"hrend Dr. Adenauer Sinn und Ziel des Bundesjugendplanes verk¸ndete, wird man- cher seiner Zuhorer an jene Stunde zur¸ck- gedacht haben, als die vor eineinhalb Jahren gew"hlte Bundesregierung ihr Programm ent- wickelte. Damials war der deutschen Jugend eine Reihe von Sofortmalinahmen sozialer Art versprochen worden. Es hat lange ge- dauert, bis jetzt endlich nach 16 Monaten das Versprechen der ersten Regierungs- erkl"rung wenigstens teilweise eingel–st wurde. Wir k–nnen aber dem Bundeskanzler nicht zustimmen, wenn er in seiner Bonner Rede das Vorhandensein von skeptischen und kritischen Stimmen zum Bundesjugend- plan tadelnswert fand. Hier m¸ssen wir dem Bundespr"sidenten Prof. Heuss beipflichten, der das Re<ht der Jugend zur Kritik als ein deniokratisches bezeichnete. Mit Berechti- gung hat Josef Rommerskirchen darauf hin- gewiesen, daþ die Jugend die innere Ver- pflichtuing versp¸rt, sich mit dem ausein- anderzusetzen, was der Staat ihr ¸berant- wortet uind was durch ihre Mitarbeit erst volle Wirklichkeit werden soll. Was ist und was soll nun der von der Bundesregierung proklamierte Jugendplan? Der Bundesfinanzminister erkl"rte sich kurz vor Ablauf des vergangenen Jahres bereit, 53 Millionen DM f¸r die Durchf¸hrung jugendf–rdernder Maþnahmen aus seinen Etatsmitteln zur Verf¸gung zu stellen. Ein l8k–pfiges Kuratorium soll diese, Gelder ver- walten und die Durchf¸hrung des Programms ¸berwachen, Ihm geh–rt u. a. auch als Ver- treter des Deutschen Gewerkschaftsbundes Kollege Willi Ginhold an. In mehreren Sitzungen sind die ersten Richt- linien vorgezeichnet worden, Im Vorder- grund stehen der internationale Jugendaus- tausch, die F–rderung von Jugendzeit- schriften, die Grenzlandjugendarbeit und das Heranbilden von geeigneten Jugendleitern. Die Gewerkschaftsjugend hat in den ver- gangenen Monaten immer wieder die Forde- rung erhoben, daþ gen¸gend Geldmittel aus dem –ffentlichen Haushalt zum Bau von Jugendwohnheimen und Lehrlingswerk- st"tten bereitgestellt werden m¸ssen. Diesem Verlangen ist nunmehr teilweise Rechnung getragen worden. Die Einrichtung kurzer Lehrg"nge zur Fortbildung im Berufsleben und die Schaffung von gemeinn¸tzigen Lehr- werkst"tten in genossenschaftlichen Be- trieben sind weitere Maþnahmen im Rahmen des Jugendplanes. Das besonders in den L"ndern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern bereits eingef¸hrte Jugend- gemeinschaftswerk soll aus Bundesmitteln nur dann weitergef–rdert werden, wenn die zust"ndigen Arbeits"mter sich nicht in der Lage sehen, Jugendliche in Lehr- oder Ar- beitspl"tze einzuweisen. Damit ist diese Ein- richtung hinreichend als eine Notl–sung charakterisiert worden. Es wird darauf an- kommen, daþ die organisierte Jugend als be- rufener Sprecher der deutschen Jugend- interessen den L"ndern, denen die Durch- f¸hrung des Jugendplanes obliegen wird, aus eigener Initiative helfend zur Seite steht. Sie wird sich vor allem ihrer Kontrollfunktionen und ihres Mitspracherechtes bei der Vergabe von Industriekrediten zum Zwecke der Be- rufsausbildung nicht berauben lassen d¸rfen, wenn nicht profits¸chtige Arbeitgeber dem Einsatz der billigen jugendlichen Arbeits- kraft vor einer guten Berufsausbildung den Vorrang geben sollen. Praktisch wird sich der Bundesjugendplan erst in mehreren Mo- naten auswirken k–nnen. Es bleibt zu hoffen, daþ diese erste Hilfe der Bundesregierung nicht eine einmalige Maþnahme sein wird. Die Sorge umi die Zukunft der Jugend ge- h–rt auch hinsichtlich der finanziellen Seite zu den vornehmsten Pflichten des Staates und der Gesellschaft. Es ist ferner zu hoffen, daþ nach der Ank¸ndigung einer baldigen Ein- bringung des Jugendwohl fahrtsgesetzes eine Reihe weiterer G.esetzeswerke schnellstens in Angriff genommen wird. Nanu, ne neue Zeitung ... ? Mtensch. stell Dir vor. ich sitze da im Abteii - Du weiþt ja. ich fahre jeden Tag mit der Bundesbahn. um zu meiner Arbeitsstatte zu gelangen -. sitzt mir gegen¸ber ein junges Madcien und schaut mit gl"n- zenden Augen und wsichtiger Miene in eine gr¸n schil- lernde Illustrierte. Da ich ia, um p¸nktlich zur Arbeits- stelle zu kommen, den Fr¸hzug benutze, der auch wider Erwarten verhaltnisni"tig gut beleuchtet ist, erlaube ich mir. auf der Bahnstrecke einen Blick. in die von dem jungen Madchen - ich nehme, nach ihren Handen zu urteiien, an, daþ es eine Textiiarbeiterin ist- gehaltene Iliustrierte zu werten. Meine Neu- gierde wird aber ganz unerwartet befriedigt, denn der von ihr gelesene Artikei scheint zu Ende zu sein, sie bl"ttert um, und ich sehe die Titelseite und steile zu meinem gro–þten Erstaunen test, daþ es sich um unsere. mir als Gewerkschafter und Jugendfunktion"r gut be- kannte Jugendzeitschrift Aufws"rts' handelt. Sollte endlich dein Wunsche so vieler Jugendleiter. Jugend- Funktion"re uni tunger Gewerkschafter Rechnung ge- tragen wmorden sein, daþ man nicht nur in Kupfertief- druck --- durch den uns unser A,.ufw"rts' seit drei Jahren bekannt ist -, sontern auch in anderer Art unsere Zeitun g tlie-fert?1 Auf der Arbeitsstelle angekommen. ist mein erster Weg rum Jugendleiter. Auch dort liegt schrn der Stapel der neu angelieferten Jugendzeitschriften. Bis zur Fr¸hstuckspause habe ich noch sehr lange Zeit, also, <ird auf dem Wege zur Waschkaue noch schnell ein Blick in das Innere des Blattes geworfen. Schon nach oberflachlicher Duirchsicht kann ich feststellen, daþ neben der neuen Farbe auch tie Artikel durch eine ansprechende und wsesentlich neue Form unsere Jugend- zeitschrift äAufw"rts' auszeichnen. Meine erste bange Ahnung ´ahrend der Bahnfahrt ist somit geschwsun- den, Es handelt sich also nicht um ein neues .K"se- bl"ttchen'. B. 5. "Im Dunkeln erwischt"' Es war dringend n–tig, diese Reportage umr die- nennen wir es dort benim richtigen Namen -- unorga- nisierte Jugend' zu starten. Aber konnten diese Miþ- stande nicht durch die Jugend selbst beseitigt werden? ich glaube als Jugendtunktinnar behaupten zu k–nnen, <laþ sich die Jugendlichen, die einer .Iugendorgani- sation angeboren, in ihrer Mehrheit nicht auf der Straþe umhertreiben. Selbstverstandlich werden sie nur einen Abend in c!er Woche von <1er Straþe fern- gehalten, aber durch ias Verantwortungsbewuþtsein des Jugendleiters und ,iurch seine padagogischen Fahig- keiten kann sehr viel auf das Selbstbewuþtsein des einzelnen Jugenrilichen eingewirkt werden. Der Gruppenleiter arbeitete bisher nur mit denen, die zu ihm in die Gruppe kamen, lUnd die anderen, die fernblieben? Sollen wir wsarten, bis sie kommen, oder sollen wir zu ihnen gethen? Warum sollten wir als .Jugendleiter nicht auch einmal zum Tanzboden gehen. uns vor das Kino oder uns an dunkle Straþenecken stellen. um die Jugendlichen dort anzusprechen? Seht euch die Leute der Heilsarmee an! Sind wir nicht auch Missio- nare fur das Gute im aufwachsenden Menschen? Ich betrachte diese Zeilen als eine zu diskutierende prak- tische L–sung, teit ider wir den Gesetzentwurf des Bundestages entkraften k–nnen. Was die Schule und das Elternhaus versaumten, m¸ssen wir den Jungen und Madchen in einer jungen Gemeinschaft bieten. Es werden viele Worte um die Jugend geredet, fangen wir mit der Tat an' Der Erfolg wird nicht ausbleiben. Helmut Koch, Koln. Verbote und Polizei-Einsatz keineHilfe Tats"chlich ist ein Unterschied zwischen Uimhertrei- ben' und .Spazierengehen' nur schwer zu machen. Es liegt in der Entwsicklung der Jugend ¸berhaupt, zum Teil als Folgeerscheinung des letzten Krieges, daþ der einzelne eher reif ist und sich Fruher als vor zwanzig Jahren .selbstandig' fuhlt. Mit einem Gesetz, das derart vage Begrlffsbestim. mungen enthalt, ist wirklich nicht zu helfen! Zu helfen ist uberhaupt nicht durch Verbote und verst"rkten Einsatz der Polizei, sondern nur dadurch, daþ die .Jugendlichen von der Straþe wseggeholt werden; die Zeit, die sie dort vertun, ware bei anderen Gelegen. heiten nutzbringender, fur sie selbst wie f¸r die All- gemeinheit, angewandt. Man stelle den Halberwaci- senen Klubs zur Verf¸gung. Anregungen m¸sten ge- geben werden, die mehr interessieren und reizen, als auf der Straþe herumzulungern. Die Jugendgruppen <1er Gewerkschaften sind ein guter We, dahin. Skrupellose .Arbeit'-,geber' sind fur die Ausbeutung der Jugendlichen zu bestrafen! Unfug und ¸ble Streidhe, allgemeine Belastigungen durch Jugendliche, denen wohl von ihren Erziehungsberechtigten ein schlechtes Beispiel gegeben wurde. m¸ssen ebenfalls gerugt werden; aber ia keine Erziehung durch harte Strafe! Die Gefangnisse sind Verbrecherschulen' Man muþ den Zerstorer zur Wiedergutmachung anhalten: z. B. so lange durch kleine Dienstleistungen Trink- gelder zu verdienen, bis dier angerichtete Schade aus- jeglichen ist. Herbert Drees, Krefeld
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