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Aufwärts
Jahrgang 3, Nr. 3 (February 11, 1950)
B.
Fastnacht Fasching Karneval, p. 7
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* 4 . . . die tollen Tage kommen heran, ¸ber denen Prinz Karneval sein n"rrisches Zepter schwingt. Der groþe Kehraus des Winters geht durch die deutschen Lande. Aus dem fr¸hen Mittelalter stammen die ersten schriftlichen Nachrichten ¸ber das tolle Treiben, an dem alle St"nde, jung und alt, sich beteiligten. Fastnacht und Karneval sind die bezeichnenden Worte, die von jeder- mann verstanden werden, in ihrer Deutung aber umstritten sind. Ist Fastnacht von Fasten' (Nacht vor der Fastenzeit) oder von ,faseln' (sich n"rrisch benehmen) oder gar von vaselen' (gedeihen) abgeleitet? Die Gelehrten sind sich dar¸ber nicht einig, ebensowenig wie ¸ber Karneval, das aus dem lateinischen Carne vale' (Fleisch, lebe wohl) oder dem ,,Carrus navalis" (Schiffs- karren der Umz¸ge) abgeleitet werden kann. Nun, m–gen kluge M"nner sich streiten, wir wissen den Zauberklang der Worte Fast- nacht, Fasnet, Fasching und Karneval wohl zu deuten als Aufforderung, in bunter Ver- kleidung einmal recht ausgelassen und fr–h- lich zu sein. So hielten es unsere Vorfahren auch, aHen Verboten kirchlicher und welt- licher Obrigkeiten zum Trotz. Immer gab es Menschen, die die alten Vorfr¸hlingsbr"uche pflegten bis auf unsere Tage, und es hat auch keineswegs den Anschein, daþ sie bald aussterben w¸rden. Verkleidung, Maske und Larve sind die Kenn- zeichen der Fastnacht. Im Schwarzwald gibt's die "Narros" und Wuschte' in sch–nen l"chelnden Holzmasken und ,Narroh"s", Ge- w"ndern, die mit Tiergestalten bemalt sind, ,Schuddige" mit finsteren Masken zum Zottel- gewand, beim Narrensprung in Rottweil am Neckar sieht man die grinsenden ,Schantle' und in den bayrischen Bergen grausige Tier- und Teufelsfratzen. Sie tanzen und fahren peitschenknallend daher wie die wilde Jagd zum Erg–tzen und Schrecken der Zuschauer. Denn sie nutzen manchmal ihre Narrenfrei- heit, um humorvoll Gericht zu halten ¸ber die kleinen und groþen Missetaten" ihrer Mitb¸rger. Das Urteil wird dann in Form einer Moritat oder in einem Guckkasten ver- k¸ndet. Aber auch Heische- und Bettelg"nge machen die Maskierten, bei denen es auf gutes und reichliches Essen und Trinken an- kommt. Eine seltsame Magie steckt in der Maske. Vollkommen unkenntlich sich zu f¸hlen, das l–st ungeahnte Kr"fte im Menschen, Phan- tasie und Witz werden frei, und der Alltag, das Zivilleben", versinkt. Solche Verwand- lung aber steigert das Lehensgef¸hl, denn Narrenfreiheit bedeutet nicht ungehemmtes triebhaftes Sichgehenlassen, sondern frei be- schwingte Fr–hlichkeit. Die Freude an Spiel und Verwandlung tr"gt auch den rheinischen Karileval und den M¸nchener Fasching. Die Ordnung wird ver- kehrt, man l"þt f¸nf gerade sein, und in K–ln ist es jedes Jahr ein feierlicher Augen- blick, dem tausende Menschen zujubeln, wenn der Oberb¸rgermeister Seiner Tollit"t dem Prinzen Karneval die Regierungsgesch"fte' ¸bertr"gt. Die Karnevalsgesellschaften haben schon am Elften im Elften ihre Elferr"te ge- bildet, die nun in der Session" Sitzungen abhalten mit kr"ftig gew¸rzten B¸ttenreden, parodistischen Liedern und schlagfertigem Witz. H–hepunkt aber ist stets der Rosen- montagszug. Man muþ es einmal erlebt haben. wie groþ und klein sich dr"ngt und stun- denlang geduldig ausharrt, bis d'r Zog k¸tt' (der Zug kommt). Die Wagen werden nach einer Gesamtidee-in diesem Jahr ist es das Stadtjubil"um - mit groþen Figuren ausgestattet, die sich in ulkigen Szenen mit Zeitereignissen besch"ftigen. In M¸nchen da- gegen sind die K¸nstler und ihre Feste be- stimmend, und der Fasching ist kein so um- fassendes Volksfest wie am Rhein. Von Fast- nachtssonntag an sieht man in K–ln kaum ein Kind, das nicht maskiert ist. Sogar in die Kinderg"rten und Schulen gehen sie als kleine Indianer, Holl"nderinnen, Cowboys und Rotk"ppchen, in eigenen kleinen Z¸gen ziehen sie mit Trommeln und Ziehharmonikas durch -die Straþen, und der Herzenswunsch vieler kleiner M"dchen ist es, einmal Funken- mariechen, Marketenderin der Funkenkorps der alten K–lner Stadtsoldaten im groþen Rosenmontagszug zu sein. Mag auch viel von dem echten alten Volks- fest durch Gesch"ft' verwischt sein, vor allem in den Groþst"dten, Karneval bleibt doch Karneval, und die meisten von uns st¸rzen sich gern in den bunten fr–hlichen Wirbel. B.
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