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Aufwärts
Jahrgang 3, Nr. 7 (April 8, 1950)
H. T.
Jugend vor den Toren, laßt sie nicht allein!, p. 2
H. T.
Acht im Kreis, pp. 2-3
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Jugend vor denToren, laþt sie nicht allein! Die Tore der Schulen haben sich in diesen Tagen weit ge–ffnet und hunderttausende M"dchen und Jungen in einen neuen Ab- schnitt ihres Lebens hinausgelassen. Viele junge Menschen werden mit einem frohen Seufzer die Schulbank verlassen haben, weil ihnen das Schulleben als eine groþe Last erschien. In einigen Jahren werden sie finden, daþ sie sehr oft die Schule nicht mit dem n–tigen Ernst behandelt haben. Nun treten sie ins Leben. Was erwartet sie? Ein Teil wird in die Lehre gehen, um den gew¸nschten Beruf zu erlernen. Viele werden als Hilfsarbeiter gehen, weil sie keine Lehrstelle bekamen oder weil der schmale Geldbeutel der Eltern sie zwingt, Geld zu verdienen. Ein sehr groþer Teil wird vor den Toren stehen, weil er weder Lehrstelle noch Hilfsarbeit findet. Das ist der Beginn eines neuen, entscheidenden Lebensabschnittes mit Arbeitslosigkeit. Uber die Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit ist schon sehr viel gesagt und geschrieben worden, auch ¸ber die Maþnahmen zu ihrer Beseitigung. Wir wollen es nicht wieder- holen. Fragen m¸ssen wir: Was ist getan? Nach den vorliegenden Unterlagen aus den Gemeinden und L"ndern sehr wenig. St¸ck- werk, oft gut gemeint. Doch im gesamten, vor allem von der Bundesregierung aus, wurde bis heute nichts getan. Noch steht man in Planungen und Uberlegungen. Minister Storch hat zwar entscheidende und grund- legende Maþnahmen angek¸ndigt - doch die Jugend steht auf der Straþe. Die Jugend auf der Straþe ist in Gefahr. Wer sein Leben mit Arbeitslosigkeit be- ginnen muþ, dem f"llt es nach Zeiten des Nichtstuns schwer, wieder eine feste Regel zu finden. Die Folgen, die sich daraus ergeben, kennen wir deutlich. Die arbeitslose Jugend, wenn sie allein steht, kommt ohne ihre Schuld auf den Weg gegen Gesetz und Ordnung. Der Gewerkschaftsjugend ist hier eine groþe Aufgabe entstanden. Sie darf die ar- beitslose Jugend nicht allein lassen. Sie muþ. sich mit der Jugend auf der Straþe be- sch"ftigen. Darum nehmt sie mit in eure Heimabende, zu den Vortr"gen und auf eure Wanderungen. Redet und besch"ftigt euch mit diesen jungen Menschen, damit sie f¸hlen, daþ sie nicht allein sind. Damit sie wissen, daþ sich jemand um sie k¸mmert. Nehmt sie in eure Mitte als euresgleichen, trotzdem sie noch nicht in der Gewerk- schaft sind. Diese Aufgabe ist eine Verpflichtung f¸r die schaffende Jugend. Die Arbeitslosen ge- horen zur Cneinsduaft der Werkt"tigen. H.T. WER FREUNDE OHNE FEHLER SUCHT, BLEIBT OHNE FREUND. Eine Schule mitten in der Stadt. In einem Ar- beiterviertel. Es ist ganz zuf"llig diese Schule, weil wir die Absicht hatten, mit jungen Men- schen zu sprechen, die in diesem Jahre entlassen werden und in den Beruf kommen. Es h"tte ebensogut eine andere Schule in einer an- deren Stadt sein k–nnen. Das Geb"ude, das wir betreten, ist alt, durch den Krieg zusammengeschlagen und danach wieder notd¸rftig und behelfsm"þig aufgerichtet. Und gerade die Sch¸ler, die in diesem Jahr entlassen werden, haben sehr fleiþig zum Wieder- aufbau der Schule beigetragen. Denn wie war es? Als nach dem Krieg wieder mit dem Un- terricht begonnen wurde, da waren die Klassen- zimmer nur noch L–cher, ohne Fenster und T¸ren, mit zusammengefallenen W"nden, ohne Dach. Lehrer und Sch¸ler, M"dchen wie Jungen, gingen daran, Ziegelsteine, Dachpappe, Fenster- glas zu sammeln. Sitzgelegenheiten und Arbeits- tische muþten herbeigeschafft werden. Mit Hand- wagen fuhren Sch¸ler und Lehrer durch die zerst–rte Stadt, ihre Beute heimbringend. Und dann wurde gearbeitet, und sie sahen alle wie Handwerker aus, schmutzig und verstaubt. Als f¸r neue Regenrinnen Zink gesammelt werden muþte, sammelten die Jungen und M"dchen innerhalb drei Tagen 65 Zentner Zink. So haben sie ihre Schule wieder hingekriegt, ohne Hilfe der Gemeinde oder anderer amtlicher Stellen. Und das ist etwas, worauf Lehrer und Sch¸ler sehr stolz sind. Nun werden an dieser Schule 48 M"dchen und 45 Jungen entlassen, nachdem sie achteinhalb Jahre zur Schule gegangen sind. Es gab in dieser Zeit viele freie Tage, Wochen und Mo- nate. Als sie zur Schule kamen, war es mitten im Krieg. Es kamen die Bombenn"chte mit zerst–rten Schulen und Evakuierntag Es kam die Zeit des Zusammenbruches und alles das, was wir zu gut kennen. Rechnen wir die langen Schulpausen zusammen, so wird die Zeit zu Jahren, daþ man keine Schule besuchte. Und die vers"umte Zeit fehlt jetzt bei der Schul- entlassung. Die Leistungen sind unter dem Durchschnitt. Bei den Jungen schlechter als bei den M"dchen. Das ist ein sehr groþer Nachteil beim Eintritt in den Beruf. Doch der eigentliche Zweck unseres Besuches war - wir wollten wissen, wie viele der zur Entlassung Kommenden noch keine Stelle haben. Die Antwort auf diese Frage ¸berraschte uns sehr. Denn es waren nur einige wenige, die noch keine Stelle hatten. Wir hatten es umge-
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