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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 21 (October 8, 1949)
Frauen im öffentlichen Leben, p. 7
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Pelin, Elin
Das Glück der Armen, p. 7
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ELIN-PELIN DAS GLUCK DER ARMEN Sechs Frauen als Delegierte euf der vierten, Voll- versammlung der Vereinten Nationen. Es sind die Vertreterinnen Indiens, Schwedens, Amerikas, Englands und Kanadas. Foto: dpad FRAUEN IM OFFENTLICHEN LEBEN Wie die SPD-Kriegsgefangenenhilfe mitteilt, sind von den etwa 150 000 deutschen Frauen und M"dchen, die sich noch in sowjetrussi- schen Gefangenenlagern im Donezbecken und im Ural befinden, im Jahre 1949 nur etwa 500 entlassen worden. Unter den 8072 Heimkehremn, die im August entlassen wur- den, war keine einzige Frau. Das Schicksal dieser Frauen hat sich *in den letzten Monaten dadurch noch hoffnungs- loser gestaltet, daþ man die Mehrzahl von ihnen zu äfreien Arbeitern' erkl"rt hat. Ihre Aussicht auf Entlassung ist nun v–llig in Frage gestellt. Auch ihre materielle Ver- sorgung wurde dadurch verschlechtert. noch Sinn f¸r diesen Modekameval hatten. Abgesehen aber von dieser Minderheit, der es weder an Zelt und Geld noch an Ober- fl"chlichet mangelte, -machten die Frauen nicht mit. Man trug weiter das, wasma hatte, und der handfeste Wirklichkeitssinn unserer Frauen leistete passiven Wider- stand gegen eine Modediktatur, welche, an leichte Siege gew–hnt, im Begriff stand, mit gesch¸rzten langen R¸cken und verlocken- dem Unterrock, einen leichtfertigen Tanz- schritt ¸ber die Gegenwart zu tun. Der New Look 1948 bot bereits ein wesent- lich anderes Bild. Die RPdre waren l"ngst nicht mehr so weit und stoffverschwendend. Die Modelle, wenn auch immer noch stark vergangenheitsbetont, waren tragbarer, und die Requisiten, wie das Sdsn¸xkor-sett, die H¸ftenpolster, die St–dcelschuhe und der Sonnenschirm befanden sich in vollem R¸ck- zu.Ab er weder der New Look 1947 mit all seinen Verlockungen noch der New Look 1948 mit seinen halben Zugest"nd- nissen eroberte die Frauen. Sie lehnten ab, was nicht mehr zu ihnen paþte, was l"cher- lich in Ihrem Ailltag war und sie zu Puppen und Spielzeug degradierte, und es geschah etwas Erstaunliches. die Frauen eroberten durch, Ihre Haltung den New Look. Nicht von einem Tag auf den anderen, aber sie eroberten ihn, indem sie ihn an seinen .Platz In der Wirklichkeit verwiesen. Sie lieben erkennen, daþ man bei einer Neu- anschaifwig die neuen Linien, ber¸cksichti- gen werde, vorausgesetzt, und das war die Bedingung, daþ sich der Alltag und die neue Mode vertr¸igen. Der New Look aber gifas Stichwort äder Alltag und die neue Molde' auf und entdeckte bei seiner Um- schau im'Alltag die Frau von heute mitten In Ihrem Daseinskampf, belastet mit Ver- autwortung und beladen mit M¸he und Arbeit, auf sich selbst gestellt und ohne groþe illusionen. Und er kapitulierte vor einer Wirklichkeit, die st"rker war als er -und seine Diktatur aus der Mottenkiste. Aber er Im tuierte mit Ÿnstand, 4emn was urant In þiesem Jahr als New Look 194 auf den groþen Modeschauen sah, war, abge- se h e v o n w e ni e n A s n e h e n. d u rch a u s h e u t g u d d rc h u s t a g b r, e n n a ¸ ch b e - -dau dld er w lse I m m r i och v iel zu k ost- Der Markttag ging zu Ende. Die Sonne stand noch hoch am Himmel. Die Bauern, die aus fernen Weilern zur Stadt gekommen waren, r¸steten schon zur Heimfahrt. Bauern und B"uerinnen beluden ihre Wagen mit Kr¸gen und Steint–pfen, leeren K–rben und Gefl¸- qelk"figen. Tr"nkelmer polterten, und Brun- nenh–lzer kreischten. An einem der Gasth–fe stand ein neuer Bauernwagen mit blanken Eisenbescil"gen und lackiertem Kasten. Der Wagenboden war voll Heu gepackt. Dar¸ber lagen mit Rosenornamenten gewebte Bauerndecken. Das Farbenspiel der T¸cher wirkte wie frohes Lachen. Auf dem Wagen lag in hell- roter Wolldecke eingeschlagen ein S"ugling. Man sah kaum das kleine Gesicht. Seine Mutter lehnte mit dem R¸cken am Wagen und knabberte tr"umend an einem s¸þen Backwerk. Die Sonne spiegelte sich auf ihrer silbernen G¸rtelschnalle, auf den breiten altmodischen Armb"ndern und dem wie Gold blinkenden Halsschmuck dus Messing- dukaten. Aus der T¸r des Gasthofes trat ein kr"ftig untersetzter Bauer. Er war glatt rasiert und im Feiertagsstaat aufgeputzt. ,Pena --- Pena!' rief er die Frau am Wa- gen. ãIch traf drinnen Verwandte -- komme f¸r einen Augenblick herein; sie wollen dich sehen.'- Stojan gab seiner Frau einen g¸tigen Blick und wandte sich zur¸ck zur T¸r. Pena steckte das Backwerk weg und kam hinter ihm herein. Hinter dem Tisch, an den Stojan seine Frau f¸hrte, saþen drei "ltere M"nner mit ihren Frauen. ãDas ist meine Junghenne, Opa Mitre', sagte Stojan und sah voll Stolz auf Pena, ãkennst du sie noch?' ãWie sollte ich sie nicht mehr kennen?' entgegnete einer der Alten mit einer Fistel- stimme, ãerz"hlt, wie lebt man noch bei euch?' ãIch und Pena wir kommen schon mit- einander aus', ¸berst¸rzte Stojan seine Worte, ãzuerst waren wir in Sorge, daþ uns der Herrgott nicht vergessen m–chte. .Jahr- aus, jahrein haben wir gewartet, und end- lich schenkte Gott uns ein Kind. einen Jun- gen sogar!' ãDann auf seine Gesundheit!' stieþen die M"nner und Frauen am Tisch mit ihm an. ãJa, Tante Maria, von dem Tage an ist Sto- jan nicht mehr aus der Stube zu bringen - - nicht mit dem Stock kann ich ihn ins Wirts- haus pr¸geln - - ãOho, ins Wirtshaus lasse ich mich nimmer pr¸geln, nur --daþ ich nicht fort kann von dem Jungen', lachte Stojan und sch¸ttelte sich vor Freude, ãhe, Wirt - noch ein Liter- chen Wein!' .Nicht, Stojan --nein, wir werden uns noch betrinken -, Gott bewahre uns!' wehrten die Frauen. ãHabe ich einen Sohn bekommen, m¸ssen wir darauf anstoþen - auf seine Gesund- heit!' schrie Stojan so laut, daþ die Bauern in der Gaststube sich nach ihm umnwandten. ãEinen Prachtjungen habe ich, und das ist mehr als ein Grund - Die Gratulanten, benachbarte Bauern und Bekannte, dr"ngten sich von allen Seiten um den Tisch und sch¸ttelten Stojan die Hand. ---Versch"mtes L"cheln lag auf dem Gesicht seiner Frau. Sie schien f¸r den Augenblick j¸nger und sch–ner. ãLiebe Nachbarn und Freunde - auf das Wohl meines kleinen Iwantschko!' stieþ Stojan mit den Leuten in der Runde an. ãUnd jetzt, Br¸der, will ich euch meinen lwantschko zeigen. Frau, bringe ihn her, unseren Prachtkerl!' ãEr schl"ft doch --ä, z–gerte die Mutter, be- sorgt um den L"rm in der Gaststube. .Schl"ft? --Wenn er schl"ft, soll er schla- fen, und wir gehen ihn begr¸þen. Ein Neu- geborenes ist mehr als ein K–nig, und wer Kinder lieb hat wie ich, der -soll mit mir gehen. Stojan wandte sich zur T¸r. Die Bauern und B"uerinnen dr"ngten sich hinter ihm und kramten in ihren Leinenbeuteln, um ein ge- ziemendes Geldgeschenk f¸r das Kind her- auszusuchen. Pena ging hinter ihnen. Sie sch¸ttelte ihre R–cke -wie eine Glucke, die sich aufplustert, wenn man sich der Brut n"hert. Stojan beugte sich ¸ber den Wagenrand, um nach dem Kinde zu greifen, doch er stutzte und zog die Schultern hoch. ãHeili- ger Gott --da ist ja noch ein Kind. He, Leute, wem geh–rt das Kind? -- Wer hat sein Kind zu unserem gelegt?' Seine H"nde fielen herab und klatschten gegen die Schenkel. ã0 Stojan --o mein Gott!' rief Pena und stieg schnell auf den Wagen. Die Bauern reckten die H"lse und dr"ngten sich dichter heran. Neben dem kleinen lwantschko lag in sauberen T¸chern ein zweites Kind. Es wachte vom R¸tteln am Wagen auf, verzog grimmig sein krebsrotes Gesichtchen, streckte sein winziges Z¸nglein heraus und begann j"mmerlich zu schreien. ãOje, oje --hungrig ist das Kleinchen streichelte Pena voll Mitleid das Kind und wollte es mit unartikulierten Mutterlauten beruhigen, aber es schrie noch mehr. ãGib ihm zu trinken - mache es schon satt!' rieten die umstehlenden Frauen. Sie sah wie fragend auf ihr eigenes Kind. ãWer weiþ, wer es euch auf den Wagen ge- legt hat? --Mache es satt. --Dir wird es auch noch f¸r Iwantschko reichen', sagte eine der "lteren Frauen. Pena legte das Kind trocken. Dann schob sie die Bluse zur Seite und reichte dem Kind die Brust. Stojan kratzte sich hinter den Ohren und sch¸ttelte den Kopf. ãWenn sich die Mutter nicht findet, werden wir es der Polizei bringen m¸ssen. Ich werde es im Revier melden.' ãIch geb es auf keinen Fall der Polizei - niemals!' entgegnete Pena heftig und preþte das Kind eng an sich, ãdas eine wie das andere ist vom Himmel geschickt, und ich behalte beide, so Gott will.- Stojan schwieg. ãDu hast drei Jahre Tag und Nacht nach einem Kind verlangt - da legt dir Gott ein zweites hin, und du bringst es zur Poli- zei? - Eine S¸nde sondersgleichen, von Gottes Hand sich abzuwenden.- Stojan neigte sich ¸ber das Kind. Je l"nger er es betrachtete, um so heller wurde sein Gesicht. ãPena, entscheide du, behalten wir das Kind?' ãMit dem ersten Tropfen Milch, den ich ihm bot, war es schon mein', sprach voll Innig- keit die Frau. .Bravo! -- Bravo!' riefen die Bauern und umarmten Stojan. ãUnd auf dein zweites Kind spendieren wir ein Literchen!' Weinrot strahlte der Widerschein der Abend- sonne vom lackierten Wagen, als Stojan von den Bauern Abschied nahm und nach Z¸gel und Peitsche griff, um seine Pferde mit schmeichelnden Kosenamen zur Heim- fahrt anzutreiben. Pena saþ gl¸ckstrahlend neben ihm. Auf ihrem Schoþ schliefen Iwantschko und sein Schwesterlein. Berechtigte Ubersetzung aus demn Bulgarischen von C. P. Hiesgen. 7
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