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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Kurt Stern, p. 154
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Ludwig Strauss, pp. 154-155
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KURT STERN 10U7 in Berlin geboren. Studierte Ge- schichte und Philosophie in Berlin und Paris. Verliefi Deutschland im April 1933. In Paris Chefredakteur der politisch-lite- rarischen Zeitschrift ,Unsere Zeit'. Viber- setzte Cocteau, Vildrac, Supervielle, Mau- rois. Er nahm als Freiwilliger in den In- ternationalen Brigaden am Krieg in Spa- men teil und ging 1942 'nach Mexiko, wo er ais Sekretar des Heinrich-Heine-Klubs und Redakteur der Zeitschrift ,,Freies Deutschland" wirkte. Im Exil schrieb er aulberdem Essays und Novellen. Im Sep- tember 1946 kehrte er aus der Emigration nach Deutschland zurtck. - Den nach- folgenden kurzen Abschnitt haben wir einer im Jahre 1943 vertffentlichten Novelle ,,DER DRITTE UILAUB" entnommen. Auf einem Heuwagen kehrte der einbeinige Hein aus dern Krlege in sein Dorf zurtick. Er sall neben einem alten Jauern des Nachbardorfes, dem er in der Kreishauptstadt begegnet war. Hinter ilhm, auf den Skcken mit Kunst- duinger, lagen seine Krucken und klapperten leise aneinander. Der langsam einherholpernde und knarrende Wagen naherte sich dem Dorfe. Da blickte Hein urn sich. Er sah die Huigel und den Bach, die Pappeln und die Felder, die Hofe und den Kirchturm. Vertraut lag alles in das nebelverwischte Licht der Dezembersonne gehtillt, friedlich und ewig. Das Vergangliche begann sich Hein erst aufzudrangen als sie ins Dorf hineinfuhren. Schon das zwelte Gehoft zur Linken der Strafle brachte ihm zum BewuBtsein, dal3 vieles sich In der ewig gleichen Landschaft geandert hatte. Es war das Geh6ft des alten Bendler, dessen bejde Sdhne nie wieder aus Ruffland heimkehren wilrden, urn sonntags in der Dorfschenke zum Tanz aufzuspielen. Das zweite Gehoft links und das ffinfte Gehoft rechts, das siebente Geh6ft rechts und das achte Gehoft links Dann stand der Wagen still auf dem Dorfplatz neben der Kirche. Rein grltf nach seinen Krucken und kletterte mit Hilfe des alten Bauern vorn Wagen. Er hatte Angst vor dem Wiedersehen mit der Mutter. Sie wuate zwar. Doch wissen und sehen sind zweietlei. Nicht nur aus Gastfreundschaft hatte er den Alten eingeladen, mit ins Haus zu kommen. Sie traten auf den Hof. Der Hund erkannte nicht gleich seinen so vertinderten Herm und sprang ihm bellend entgegen. Da 6ffnete sich die Ttir des Hauses. Die Mutter stand im Rahmen und starrte auf die Krticken und das fehlende Bein, und ihre Augen tfllten sich mit Tranen. Weinte sie aus Leid oder vor Freude? Denn sip, war ja eine deutsche Mutter, die ihren Sohn aus diesem Kriege gerettet hatte. JUDWVIG STRAUSS Der Dichter, 1892 In Aachen geboren, als Lyriker, Essayist und Novellist bekannt- geworden, gab vor 1933 zusammen mit Carossa und Albrecht Schaeffer das Jahr- buch ,,Leukothea" heraus. Aulserdem er- schienen von ihm vor 1933 die Gedicht- sammlungen: ,,Wandlung und Verktindi- gung, ,,Die Fut, das Jahr, der Weg^, ,,Das Ufer" und ,Nachtwache". Ludwig Strauss lebt wie Albrecht Schaeffer seit Jahren in der Emigration. Aus dem in der Zeitschrift ,Die Faihre" verioffentlichten: ,,BRIEF EINES FRONTSOLDATEN" zi- tieren wir den folgenden kurzen Abschnitt: Ich kbnnte, urn dich zu beunruhigen, furchtbare Bilder beschworen, gewi3 furchtharere als die eines durchschnittlichen Tages im Stellungskriege und eines Dombardements aus Feldgeschuitzen. Ich konnte dir das Schlachtfeld
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