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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Emil A. Rheinhardt, pp. 139-140
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Ludwig Renn, pp. 140-141
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groB, daB die paar ihr nahen Menschen im Theater aufweinend den Ab- schied ahnten. Dann wurde sie heimgebracht in die fremde Herberge, schon, in den Flammen der Zerstdrung brennend, die schnell den elenden Rest von Lunge, der ihr geblieben war, entzuindeten. Bald wuBte sie selber, wie es uin sie stand, dafB nun Arbeit und Pilgerschaft zu Ende gingen. Nur hier sollte es nicht geschehen, nur hier nicht, flehte sie, Und in Fiebern sprach sie von einem Kloster in Italien, wo sie Frieden finden wurde. Schnell, schnell, als ob es zu verhindern gelte, daB ihre Kraft noch einmal den Kampf auf- nehme, zehrten Glut und Schmerzen jetzt ihr leibliches Leben auf. Unrast ungeheuren Aufbruchs trieb in den letzten Fiebern gejagt durch das ver- flackernde Kreisen thres Blutes. Und indessen die Gnade schon stillend ihr Unsterbliches zum Eingang in das Geheimnis bereitete, garte und begehrte das unerfullt Gebliebene von allen Strafen der Erde, brach die Erde selber in ihrem nun endenden Wunder noch einmal in die letzte Stimme dieses Lebens hinein und schrie: ,,Aufbrechen! Arbeiten!" und. Rlang in der Bitte ,,Deckt mich zu!" aus, nun sich der letzte Feind, die Kalte,. auf den aus- gebrannten Leib sturzte. Und noch nach dern Leichnam griff die todiiche Stadt und gonnte ihm nicht, sich in den neuen, noch so fremden Frieden einzuruhen. Indessen auf allen Drahten und durch alle Luifte der Erde die Nachricht zu den Menschen flog, da1B Gott seine gnadenvolle Gabe an die Menschenwelt, die Seele Eleonora Duse, heimgeholt habe, wurde in der ersten Morgen- stunde der Sterbenacht, es war der Ostermontag, der 21. April 1924, der Leib den getreuen Begleiterinnen entrissen und- in die eisige Einsamkeit des Leichenhauses gebracht. LUDWIG RENN Wurde vor 1938 durch seine Romane hindurch als Professor filr moderne euro- ,,Krieg" und ,,Nachkrieg" bekannt. In der paische Geschichte an der Universitat Mo- Nacht des Reichstagsbrandes wurde er relia und als Prasident der Bewegung verhaftet und wegen ,,Hochverrats" zu ,,Freies Deutschland" in Lateinamerika. zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Exil schrieb er u. a. den Roman Nacb seiner Entlassung ging er illegal in ,,Adel im Untergang", der jetzt im Auf- die Schweiz, wo er das Buch ,,Vor grollen bau-Verlag, Berlin, erschienen ist. Vor Wandlungen" schrieb. In Spanien war er einiger Zeit kehrte Renn (eigentlich: Ar- Kommandeur des Bataillons ,,Thalmann". nold Vieth von Golssenau) nach Deutsch- Nach der republikanischen Niederlage land zurtick; er wird hier sein wissenschaft- lebte er einige Zeit illegal in Frankreich. liches Werk *,Frihformen der mensch- 1939 gelangte er Uiber England und USA lichen Gesellschaft" vollenden. Hier eine nach Mexiko. Dort wirkte er eine Zeit Episode aus Renns Roman ,KRIEG": 1914 stand im deutschen Heeresbericht: Kriegsfreiwflligenregimenter studrmten mit prachtvollem Schwung unter Gesang von ,,lDeutschland, Deutschland uiber alles". Man kann sagen, bis heute leben die Volkischen von dieser Tatsache. Aber schon damals hatte ich meine Zweifel. Wenn man mal so einen Sturm mitgemacht hat, und da soll man sich vorstellen, daB die gesungen haben? Wid denn gesungen? Wahrend sie vorrannten gegen ratternde Maschinengewehre? AuBer Atem singen? Oder wahrend sie auf dem Bauch lagen und schossen, mit dem Geftihl: wenn ich dich nicht tot- schiel3e, schielit du mich tot! Ich habe es ja erlebt, daB eiaer wahrend eines Sturmes Veilchen gepfluickt hat - niamlich als die vorderste franzdsische
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