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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Erik Reger, pp. 138-139
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Emil A. Rheinhardt, pp. 139-140
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gange, der politische Tell bloB die Vorpostengefechte der Interessengegner. In den Lesebuichern standen etliche Anekdoten von groBen Unternehmen, die jetzt, wenn auch noch etwas befremdend, als Industriekapitane neben den Hleerfuhrern rangierten. Wie das Land tiberhaupt aussah und wie die Menschen darin lebten, wuBte man nicht und wollte man nicht wissen. Man hatte die Vorstellung: RuB und Asche und Kohlenstaub uid graues Strafenelend, verdorrende Walder und Sonne immer hinter Dunst. Jedoch man wuBte: Die Waffenschmiede des Rleiches. Das w'ar genug. Ragende Schlote, feurige Essen, schwielige Hande, natuirlich, das gehorte dazu. Das ist gewaltig, das ist unsere Uberlegenheit, das macht uns keiner nach. EMIL A. ItREINHARDT 1889 In Wien geboren, schrieb Gedichte marsch der Deutschen geschleppt hatte, und Novellen sowie eine Reihe von aus- den unmenschlichen Leiden erlegen. - gezeichneten Biographien, darunter vor Aus seinem BUCH tUBER DIE DUSE allern: ,Dac Leben der Eleonore Duse". (seinerzeit Im S. Fischer-Verlag, Berlin, Er ist im KZ von Dachau, wohin ihn die erschienen) ein Absclmnitt, der das Sterben Gestapo aus Frankreich nach dern Ein- der Eleonore Duse in Pittsburg schildert: Und dann war sle, die manche Stadt sehr geliebt und doch so oft voll HaB von den Stadten gesprochen hatte, als ob sie ahnend immer diese ,,fuirchterlichste Stadt der Welt" gemeint hatte, in dem Wirrsal von grau wuchernden Wurfeln, in der Wolkenhohe grausig aufgeschossen, eckigen Gewachsen aus Eisen und kiinstlichem Stein, in diesern rauchverhangenen Fittsburg angekommen, das war, als ob keiner von den Hunderttausenden, die dies maschinendurchschtitterte Chaos von Kuben tund Schloten unter den ruBschwarzen Wolken und dem eisengrauen Himmel bevolkerten, wufite, daB es Blumen und durchsonnte Luft auf baumefrohen Hiigeln gibt, helle veilchenselige Luft, wie sie jetzt auf dem Meere vor Triest die aufblahenden Segel zur Heimfahrt nach Chioggia ftlllen muBte. Oh, helm- kehren! Heirmkehren! Oh, wenn sie doch schon in dein gutigeren New York das Schiff sehen diirfte, das sie nach Italien zuriicktragen wtirde, wenn nur erst das vorubergegangen ware, o Gott! Wie ihre Mutter es getan hatte, gelobte sie eine grolle schone Kerze, wenn sie heimgekehrt ware, und sei es auch nur, urn in Asolo zu sterben. Sie verschloB sich in lhr Hotelzimmer. Keiner durfte zu ihr als die Vertrauten, die mit ihr waren, die sich mit immer scheueren Sqhritten dem schaurigen Olberg- dunkel um sie nahten. Vier Tage der Vorbereitung verbrachte sie so, schaudernd zwischen Hier und Dort. Am Abend dieses 5. April endlich rief sle das unentrinnbare ,,Komm arbeiten!" Eisiger, schneedurchwehter Regen fiel. Schnell, schnell jetzt vom Wagen Ins Theater! Aber der Btihneneingang war verschlossen, und der Mann, der ihn hatte offnen sollen, nicht da. Und sae muBte-im nassen Schauern drauBen stehen und warten. Als ihr dann endlich das Tor, aufgetan wurde, war die Kalte schon in allen ihren Adern und sghuittelte sie immer grha- licher. Mit all ihrem verzweifelten Wollen, jetzt, so nahe dem Ende ihrer Pflicht, nicht noch einen Abend zu versaumen, zwang sie ihren zitternden Korper noch eimnmal zum Dienst. Und sle spielte die Tragodie des Einsam- werdens, des Alleinseinmiissens vor dem Letzten so fiber alles MalS hinaus
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