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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Jan Petersen, pp. 131-132
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,,Sie fragen nach Heinz ... ja, wo ist er bloB... Ich komme von der Arbelt, nichts ist besorgt, nichts eingeholt!" Ich ruicke auf dem Stuhl hin und her. Sle hat jetzt endlich jemanden, dem sie ihr Herz ausschtitten kann. Wie bringe ich es ihr blol bei? Mir ist be- klommen. ,,Vielleicht ist ihm etwas zugestoBen?" frage ich vorsichtig. ,,Etwas zugestoBen? Er ist dodh kein Kind!" Ihre Hande gestikulieren, fallen plotzltch schlaff herunter. ,,Woher kennen .ie ihn denn? Sind Sie auch so einer...'?!" ,,Nein", schneide ich ihr die Worte ab. Ich mull den geringsten Schein vermeiden. Wer weiB, ~Vozu die Frau in Ihrer Aufregung fihig ist, wenn' sie wuite ... Sie jammert: ,,Was habe ich mit dem Jungen geredet! Du verstindigst dich vor Gott ... Jeden Tag habe ich ihm gesagt: laB ab davon, d'u wirst dich noch Ins Unglilck sturzen." Sie weint. Ich sehe auf ihren gebeugten Ricken. Sie tut mir so leid. - Die belden haben sich nie verstanden, lebten wie in anderen Welten. Sie konnte den Sohn nie begreifen. Aber sie ist eine Mutter. Frau Preull nimmt die Hande vom Gesicht. ,,Ich habe es nur gut mit ihm gemeint... wollte ihn so oft zur Heilsarmee mitnehmen... er singt so schon..." Sie sieht mich mit grollen Augen an, als hatte sie in mir doch plotzlich den Schuldigen gefunden. ,,Oh, mein Gott, mein Gott. An mich alte Frau hat er nie gedacht. Er war ja wie besessen mit seiner Politik!" 1ch mull mit ihr zu Rande kommen. Ich mull!- ,,Gehen Sie doch mal zur Polizei, Frau Preull." ,,Zur Polizei?" Sie weint wieder fassungilos. ,,Das auf meine alten Tage... ich habe mein Leben lang nichts mit der Polizel zu tun gehabt... die Schande!" ,,Sie konnen doch mal nachfragen. Eventuell geben Sie eine Vermilten- anzeige auf!" sage ich energisch. Ich muiB sie aufrutteln! Frau PreuB sieht mit stumptem Blick auf die Zimmerwand. Ich kann ihr als ,,zufalliger" Be- sucher nicht langer zureden. Sie wuirde vielleicht darauf kommen, daB ich nur nachforschen wollte. ,,Auf Wiedersehen, Frau Preull." Sie hickt apathisch, gibt mir die Hand. Die Adern liegen dick darauf. 'Nachdenklich gehe ich durch die Wallstralle. Was konnen wir fur sie tun? Geld sammeln. Aber sie hat ia Arbeit. Heinz hat sie auch nicht ernahren konnen. Wir mUssen vorsichtig sein, wenn wir weiter Erkundigungen ein- ziehen. Am besten durch Bekanate im Hause. Heinz PreuB hat uns alles erst viel spater erzahlen konnen. Er war mit Emil in eine stille S4raBe gegangen. Er hatte sich den Text auf den Klebe- zetteln angesehen und dachte, daB man gerade die StraBen dieser Gegend mit den Zetteln bekleben musse. Hier wohnen meist kleine Beamte und An. gestellte. Die haben fruiher meistens Nazis gewahlt, werden jetzt bei 'der Teuerung und den stindig wachsenden Gehaltsabzuigen mit dem Hitlerregime unzifrieden
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