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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Rudolf Olden, pp. 128-129
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Max Osborn, pp. 129-130
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korps, die ber-ihmte BrUderschaft, die seit zwei Jahrhunderten Immerfort vom ,,point d'honneur" redet, nie die leiseste Sympathie fur diesen Feind gezeigt hat, das war mir, der ich auch einmnal zu -ihr gehort habe, immer ein besonders trtibes Zeichen der Zeit, in der alles, in Plumpheit und Schabigkeit versunken ist. Kluger, feiner, aristokratischer, tapferer Ossietzky, auch du bist ein Deutscher, und das mu3 dabei helfen, daBa man nicht an seiner Nation verzweifelt. ,,Er war ein Ritter", hat jemand am Sarg Paul Levis gesagt. Du warst es auch, gequdlter SA-Rekrut, Schlamm- graber, Nobelpreistrager, arnier Gefangener - ein Ritter! MAX OSBORN Verfasser einer Kunstgeschichte, zahl- schrieb; 1946 ist er, 76 Jahre alt, In den reicher kunstgeschichtlicher Essays und USA gestorben. - In einem seinerzeit in langjShrigor Kuristkritiker im Ullstein- der Hauszeitschrift des PropylSen-Verlages Verlag; ging ins Exil, wo er sein autobio- ,,Der Spiegel" erschienenen Essay schrieb graphisches Buch ,,Der bunte Spiegel" er aber ,,KUNSTLER ALS BEKENNER". ,,Bilde, Kiinstler, rede nicht" - ein schones Wort und ein ebenso zwelfel- haftes Wort. Wie arm waren wir, wiluten wir nicht aus Briefen, Vortrdgen, Gelegenheitsreden, autobiographischen Skizzen, Lebenserihnerungen, Auf- zeichnungen, poetischen Versuchen und nicht zuletzt aus ganz ehrlich und bewu&t theoretischen Darlegungen, wie es im Innern begabter und genialer Menschen aussieht, fUr die das Wort gewiB nur ein Notbehelf des person- lichen Ausdrucks ist. In dem Augen-blick, da, von der Woge der Renaissancebewegung getragen und hoch emporgehoben, die monschli che Persbnlichkeit sich frei aus ,der mittelalterlichen Gebundenheit lost, sich tiberhaupt erst als Begriff aus- bildet und im ersten stiirmischen Anlauf gleich zu den hochsten Kronen greift, da aus Jahrhunderte alter Anonymitat ,,der KMnstler" als klar um- rissenes Individuum, als selbstaindiger Typus des geistigen und sozialen Lebens der Volker auftaucht, beginnt auch schon diese Freude an literari- scher Selbstbespiegelung, am schriftlichen 8ekenntnis der Gedanken, tie das schopferische Werk tagaus, tagein begleiteten und umspielten. Gewil, der Respekt der Zeit vor wissenschaftlicher Begriindung jeder Art kam hinzu, um Mionardo und Albrecht Duirer zu ihren theoretischen Schriften anzutreiben. Die Kunst, vordem im wesentlichen als Handwerk geachtet und auch jetzt gottlob noch mit dem Erdreich des Handwerks verwurzelt, will unzweideutig dokumentieren, daB sie keinen geringeren Rang einnimmt als die gefeierte Gelehrsamkeit. Aber sie haitte nicht zu solchen Mitteln ge- griffen, wenn nicht der zum vollen Bewulhtsein seiner Persbnlichkeit er- wachte Kiinstler aus natilrlicher Veranlagung den Trieb verspiirt hatte, das festzulegen, was sich aus zeitweiligem, oft unterbrochenem, immer wieder getibtem Nachsinnen uiber das Geheimnis der eigenen Tatigkeit im Lauf der Zeit als Erkenntnis herauskristallisierte und was aus langer technischer Mbung der Hand als praktische Erfahrung sich ergab. Die Freude an der Mitteilung, die dem Menschen als Gemeinschaftswesen innewohnt, verbindet sich mit dem handgreiflichen Zweck, die Zeitgenossen aufzuklaren, rmit ihrem Verstdndnis auch ihre Achtung vor ktinstlerischer Arbeit zu erhoihen 129
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