Page View
Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Julius Meier-Graefe, pp. 115-116
PDF (684.7 KB)
Peter de Mendelssohn, pp. 116-117
PDF (616.9 KB)
Page 116
Ist Ktinstlerln, well sie weiblich bleibt, also kindhaft; well es ihr nicht einfallt, dem Mann in bornierte Intellektualitat zu folgen, sondern vorzieht, Kinder in die Welt zu setzen, drollige Wesen, Ptippchen, beileibe Weine Ger- mania, keine Adam und Eva, noch die listerne Glatte fInsterer Weiber. Dinger aus dem Spielkasten setzt sie hin, aus demselben Spielkast- n, den die grollen Chinesen vor Ming zu ihrer Erlustigung aufmachten, der uns allen offensteht, sobald wir vergessen, daB wir Herrscher der Erde sind und jeder mit einer unsichtbaren Krone auf dem Dickkopf herumlauft. Man merkt auf einmal, daB deutsche Plastik lacheln kann. Eine Frau hat komnmen mussen, um es zu zeigen. Eine Frau, nichts welter. Ich weia nicht viel von ihrem Talent, glaube, jede Frau miltte so oder so ahnlich kleine runde Dinger machen konnen, die uns anhuipfen, mit ungeschickten Ziegen- beinchen, kurios dastehen, wie eben in die Welt gesetzt, mit blinzeInden Bewegungen. Eine geniale Frau? Gleich frostelt einem der Riicken. Un- heilbare Krankheit, eine Art Elefantiasis. Der Witz ist, richtige Frau zu sein, Frau schlechtweg, nicht aus Versehen Frau Soundso; Frau und noch Madchen zu sein, mit dem Schritt in die Welt nicht gleich in Pflicht, Erfahrung, Ab- straktion zu ertrinken, sondern erst recht zu lIcheln. Das Lacheln einer Frau - was bleibt uns sonst noch? Wenn alle Manner an schwadronieren- der Dialektik verblodet sein werden, verspekuliert, verrationalisiert, kann immer noch eine schlanke Eva dem ganzen Mechanismus ein Schnippchen schlagen und zeigen, daB Kunst nicht von K6nnen, sondern von Spielen berkommt. Abgrundtiefer Gedanke! Wir batten keinen Weltkrieg, wenn er begriffen ware. Wir hatten keine Militaristen, keine Spartakisten, keinen Kubismus. Wir hatten bessere Taillen und waren, Herrgott im Himmel, weniger borniert. PETER BDE M1ENDELSSOHN 1908 In Milnchen geboren, jetzt Presse- zuerst in England erschienener Emigran- berater bei der britischen Kontrollkom- tenroman ,ALL THAT MATTERS", unter mission, begrtAndete schon in sehr jungen dem Titel ,Das zweite Leben" in der Jahren seinen literarischen Ruf mit meh- Wochenzeitung ,sie" abgedruckt, schil- reren noch vor 1933 erschienenen Ro- dert in einer nicht unbedingt autobio- manen, die mit der IntensiLat des per- graphisch bestimmten Ichform die S hick- sonlichen Erlebens die Zeit krisenbafter sale der aus ihrer Heimat vertriebenen Entscheidungen testhielten. (,,Fei tig mit und durch die Stidte Euiopas gehetzten Berlin?"-,,Paris fiber mir" - ,,Schmerz- Fllchtlinge. DaB selbst die ,Lichtstadt" liches Arkadien".) Seine Bticher wuiden Paris die ineisten dieser unfreiwilligen verbrannt; Mendelssohn emigrierie nach Gaste auf die S hattenseite verbannte. Paris. 1935 ging er nach England. Sein zeigt der hier folgende kurze Abschnitt: Mit meinen Zeitungen ging ich ilber die Terrassen der Cafes. Der Abend war eiskalt, ich hatte den ganzen Tag noch nichts verkauft ... Die Terrassen des ,,Dome" und des ,,Coupole" waren nur dunn besetzt. Ich ging auf und ab, noch einmal auf und ab und endlich noch ein drittes Mal. Dann versuchte ich es auf der anderen Seite der Stral3e. Dabei qualte mich ein entsetz- licher Hunger. It der ,,Rotonde" verkaufte ich endlich zwei Zeitungen und ein Magazin und dann noth ein Magazin im ,,Napoli". Nun wollte ich wieder zurtick auf den anderen Burgersteig, um zu sehen, ob sich die Aussichten dort inzwischen gebessert hatten. Am Ran!s~ien hilt ich an, uml eincn
Copyright 1947 by Heinz Ullstein--Helmut Kindler Verlag.| For information on re-use see: http://digital.library.wisc.edu/1711.dl/Copyright