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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Hans Marchwitza, pp. 113-114
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Hans Mayer, pp. 114-115
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Page 114
,,Uns allen brannten mal die flnde. PiB drauf, fengel, daB hilft!" Ich tat es, aber das Brennen blieb und auch die Tranen kamen wieder, die Verzweiflung und Etschdpfung mir abpreBten. ,,N schaut doch den dummen Jungen an, der heult wohl hier?" rief der ein3 oder andere der Manner argerlich, ,,reill dich nur ja zusammen, sonst wirst du me im Leben ein ganzer Bergmann. Sauf nicht soviel Wasser, das schwdcht dich nur noch mehr!" lIh versuchte alle Ratschlalge zu befolgen, aber der Durst war furchtbar, die Hande brannten und bluteten. Zuweiler verschwanden wit alle mit unseren Lampen In einer schwarzen StaubWolke, wehin unter schweren Schlagen eine Kohlenlage herunterbrach. Die Lader schrlen auf mich ein, die grol3en Kohlenstucke naher zu walzen. Doch wenn die Stiltzholzer vor meinen Augen knickten, rannte ich entsetzt davon. ,,Bist du aber ein Angsthase, Junge", rief mah mir nach, ,,wenn wir alle immerzu wegliefen, dann verdlenten wir nicht das Salz aufh Brot! Du gew6hnst dich noch an alles, warte nur!" Die acht Stunden in dem Kohlen- pfeler wurden mir endlos lang; ich glaubte zeitweise, sie nicht mehr ziI tlberleben. Die Steindecke barst unter Donnerknallen, die gro-Ben Blocke und Platten dfihckten die H6lzer Ins Knie, und Gerbil rieselte herab. Ich Oiber- lebte die lange Schicht trotzdem immer wieder. Ich schwankte nach der Atbeit todmilde zum Schadht. Zwischen rasznden Wagenziigen und dampfen- den, schwer keuchenden Gaulen lief Ich oft Gefahr, zerradert und zerstampft zu werden. Dann fuhr Ich mit einsinkenden Augen in dem wasserspelenden Schacht hinauf. Man stieB mich an: ,,He, schlaf nicht ein, E r sind oben!" HANS MAYER tber 1907 Inh Kln Geborene 1st jetzt Vor- sitzender der VVN Hessen. Hans Mayer hat schwere und wechselreiche Jahre der Emigration (mit den Station6n StraBburg, Paris, Genf und ZUrich) hinter sich. 9tipendien amerikanischer und echweize- rischer wissenschaftlicher Institute, unter anderem des Rodkefeller-Instituts fUVt' internationale Studien in Genf, ermog- lichten eine historische und literarhisto- rischd Arbeit grolgen Urmfangs. Zeit- sChriften wi ,,Die Neue Schweizer Etund- schau", Thoas Manns ,MaB und Wert" bitachten Esbays des Verfassers. Zu- sammen mit Stephan Hermlin und Mi- dhael Tschesno gab er die Zeitschrift und SchrIftenrelhe ,,Uber die Grenzen" heraus, in der viele Erstdrucke Georg Kaisers und Bert Brechts, Else Lasker-SchUlers und Alfred Wolfensteins erschienen sind. 1945 erschien in ZUrich: ,,Von der Dritten zur Vierten Republik", das die geistigen Stro- mungen in Frankreich von 1939-1945 be- handelt. Nach dem Tode Georg Kaisers wurde Dr. Hans Mayer von seinen Kol- legen zum Vorsitzenden des Schutzver- bandes der deutschen Schriftsteller in der Schweiz gewiihit. - Das Buch ,,GEORG BtICHNER UND SEINE ZEIT" von Hans Mayer, aus dem wir die nachfolgende charakteristische Probe bringen, ist im Verlag'Wolk und Welt, Berlin, erschienen. a etzt droht also auch dieser kleinen illegalen Gruppe Entdeckung. Und wenn die Gesellschaft selbst bedroht ist, so vor allem ihr Haupt und geistiger Filhrer- Georg Bilchner. Jetzt ist langeres Zbgern ausgeeschlossen. Von Gutz- kow sind Briefe da, aber noch kein Geld, 'ingeres Warten ist nicht mehr mIglich! Jetzt geht es um Leben und Freiheit. Am 27. Februar ist bereits die richterliche Vorladung in das Arresthaus nach Datmstadt gekommen. Totenbleich, so berlchtet spater d&r Bruder, stulrzt Georg in Wilhelms Zimmer, relcht ihm die Aufforderung mit den Worten: ,,Sleh her! Das ist mein Todes- urteil!" Man plant einen letzten verzweifelten Versuch: Wilhelm soll an
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