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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Emil Ludwig, pp. 106-107
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Joachim Maass, pp. 107-108
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borene Verhandler, fUr seine Industrie, spater Mtr das Land. Dies alles fehlte Harden, und obwohl man ihm die historische Rolle des Verhandlers in Ver- sai'les hatte antragen mtissen, so hatte er sie doch abgelehnt, wahrend Rathenau die seinige auf den folgenden Konferenzen glianzend ausftillte. Sicher hat Rathenau sich allen seinen Zeitgenossen tiberlegen erachtet, und lch muB aus seinen Gespraichen schliellen, daB er h6chstens Einstein und Stefan George ausnahm; in diesem Geftihle war er gariz sicher. Harden mag innerlich auch niemand den Vortritt gelassen haben, aber er erkdmpfte sich diese Skala in unaufhorlichen Vergleichen, denn sein Herz war stets in Be- wegung, wahrend Rathenau Stetigkeit suchte. JOACHIM NAA4SS 1901 in Hamburg geboran, let der Mit- 1345 erschlen Pain Roman ,,Das maglsace herausgeber der im Bermina-Fischer-Ver- Jahr"; ein weiterer Roman: ,,ie Zeit lag in Stockholni erscheinencen ,,Neuen (lea Boisen" ist in Vorbereitung, IvTaaB ist Rundschau". In der Zeit vor 1933 schrieb jetzt Lektor ftr moderne deutsche Lite- er die teils bei S. Fischer, tells bei Geverts ratur am Mount Holyoke College, USA. qrsehienenen Romane: ,,Bohtme nohn Dia Nin4ringlichlkeit seiner Epik bezeugt Ximi", ,Der Widersacher", J,,ie unwieder- die folgende Fipigode aus Peinem Romnan bringliche Zeit" und ,,Ein Testament". ,IE UNNVIED4R"RINGLICHE ZEIT": Herr Lehmann saBl mit stelfem Rtlekgrat am Ende des schmalen Raumes vorm Schreibtisch am Fenster uwd sehrieb; er sah nebenbei kurz auf und eagte: ,,Augenblick." Er schrieb welter, wobel er eln wenig an selner Oberlippe nagte. So saB er ungestort schreibend eine lanlge Zeit, wihrend derer Borbe gesenkten Hauptes an der tiberhohen Tilre wartete. Dann warf er den Federhalter in die Mulde des Tintenfasses, lehnte sich steif in seinem Sessel zurulck und schaute zum Fenster auf den Hof hinauw. Er erhob sich, kam aus der Fensterhelle in die VQrdlimmernde Tiefe des Raumes aut Borbe zu und guckte auf ilhn hinab. ,,Sieh mich an", sagte er. Bprbe hob den Kopf, senkte ihn aber gleich wieder, und Herr Lehmann 4agte In einem glelchgtiltig feststellelderm Ton; ,,Ich schlage nicht gerne. .." Was er welter sprach, horte der erbebende 13orbe nicht, ein Strudel von Widersprechendstem ril alle Klarheit aus seinem Hirne weg, so daB er um- fallen zu miissen glaubte, eine gltihende Scham mischte sich in ihm mit jagender Angst, die ihn dennoch auf der Stelle verharren liel, und mit der bornierten Vorstellung, dalI dies unmlfglioh set, nicht aus Grunden der Un- schuld, sondern tiberhaupt. Wahrenddessen h6rte er wie aus weiter Ferne Herrn Lehmann gleichmiltig reeen, als ginge es um eine Darlegung, einzelne Worte und Satzteile sprangen ihm funkenartig ins Bewulltsein. Herr Leh- mann sprach von Tauschen, Verstocktheit und Faulheit und daB man dann eben dazu greifen muillte. Dabei trat er an die Wand, Borbe schielte atemlos hin, die Wand war grln und mit einer mattgoldenen Musterung in Leierform tapeziert, sle tat sich al., Schrankttlr vor einer Reihe von Faichern aus gemasertem Holze auf, In denen sorglich geschichtet Stapel flauschiger Loschblatter und schwarzer
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