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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Fritz Erpenbeck, pp. 37-38
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Lion Feuchtwanger, pp. 38-39
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Volkes (mit Recht) als den ,,deutschen Nationaldichter" empfinden, keine Spur von Humor hat; der unseren Volksmassen wesenfremdere Weltbulrger Goethe hingegen starke Ansitze dazu aufweist. Mit verschwindenden Aus- nahmen - etwa Heinrich Heine - bleiben unsere ,,groflen Humoristen" - das ist elne Tragik der deutschen Geistesgeschichte, die ihrerseits die ge- treue Widerspiegelung der ,,deutschen Misere" ist - im kleinlich Privaten und kleinlich Lokalen stecken (umr wahllos ein paar Namen zu nennen: Jean Paul, Wilhelm Raabe, Fritz Reuter, Wilhelm Busch), wahrend die Humoristen anderer Volker, selbst die weniger groBen, stets in den gesellschaftlichen Humor vorstolhen. (Cervantes, Moliere, Gogol, Swift, Twain, de Coster, Hasek.) Bel uns die ,,gemiitvolle", versohnliche Behandlung ,,allgemein-menschlicher Schwachen" - dort die rticksichtslos witzige Aufdeckung der gesellschaft- lichen Ursachen und Auswirkungen dieser Schwachen. DaZ die Periode der eben abgelaufenen ,,tausendjahrigen" Humorlosigkelt den Trieb, Widersprfiche zwischen Sein und Schein aufzudecken, obwohl diese Widerspruche sich ins Groteske steigerten, nicht gefordert, sondern nahezu vollends erstickt hat, sel tlberdies zu bedenken gegeben, LION FEUCHTWANGER 1884 In Mfnchen geboren, errang mit den schlagnahmt. Im Exil entslanden viele Dramen ,,Kalkutta 4. Mai" und ,,Die Pe- neue Bsicher, u. a. die groile Trilogie: troleuminsel" seine ersten Bilhnenerfolge. ,,Der jtldische Krieg", ferner: ,,Exil", Viel gelesen wurden seine Romane: ,,Jud ,Der falsche Nero", ,,Die S6hne", ,,Die SUB" und ,Die h.fliche Herzogin". Sein Geschwister Oppenheim", ,,Marianne in groger zweibandiger Roman ,,Erfolg" er- Indien", ,,Sttlcke in Prosa". Uin histo- regte den besonderen Hail der Nazis, well rischer Roman des Dichters hat Benja- lie sich in diesem SchlUsselroman mit- min Franklin zum Heiden. Der erste Tell leidslos portratiert fanden. Seine BUcher dieses neuen Romans ,,Waffen Mir Ameri- wurden 1933 verbrannt; Feuchtwanger be- ka" ist jitngst im Querido Verlag er- fand sich damals schon im Ausland. Er schienen. - Aus Feuchtwangers vor 1933 wurde ausgebtirgert, sein Vermogen be- erschienenem groBlem Roman ,*ERFOLG": Es war ein Zeichen, das fiber die ganze Erde verbreitet war; den gelben V6lkern diente es als Gltickssymbol, den Indern als Sexualemblem. Allein das wul~te Heinrich Schliemann nicht. Er hefragte einen franzosischen Archaologen, einen gewissen Emile Burnouf, umr die Bedeutung des wunder- lichen Kreuzes. Herr Burnouf, ein Spalvogel von Phantasie, redete dem leichtglaubigen Deutschen ein, die alten Arier, urn ihr helliges Feuer zu entfachen: hatten Gestelle in solcher Hakenkreuzform. als weibliche Bestand- teile ihrer Bohrer verwandt. Der vertrauensselige Herr Schliemann glaubte dern spafihaften Herrn Burnouf. Kommentierte das Hakenkreuz als typisch arisches Phanomen. Die deutschen Patrioten machten diese Erkldrung zu einem Eckstein ihrer Rassentheorie, erkoren das indische Fruchtbarkeits- emblem zu ihrem Heilszeichen. Ein Leipziger Geschaftsmann stellte Klebe- marken her, auf denen das Hakenkreuz prangte, umkranzt von dem Spruch: ,,Arierblut / Hbchstes Gut". Er hatte Erfolg. Die Schuljungen klebten oie Marken in ihre Sammelalbums, kleine Geschaftsleute schlossen ihre Brief- umschlage damit. Patriotische Galanteriewarenhandler brachten das Haken- kreuz als Krawattennadel in Umlauf. Patriotische Ethnologen hangten Theorien daran, ethische, asthetische Deutungen. Mit dem Wachstum der Wahrhaft Deutschen wurde das Zeichen, das bisher vornehmlich in japanischen unl chinesischen Spielklubs und an den Tempeln vielgliedriger indischer Gott-
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