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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Kasimir Edschmid, p. 36
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Arthur Eloesser, pp. 36-37
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KASIMIR EDSCHMID Der Dichter, 1890 in Darmstadt geboren, war einst einer der eifrigsten Wort- fllhrer des Expressionismus und hat in den BUchern ,,Die sechs Milndungen" und ,,Die achatenen Kugein" den expressio- nistischen Stil, den er spater zugunsten einer nicht so atemlos gehetzten, bis- Weilen auferordentlich gebiindigten Prosa autgab. Neben Biographien, Romanen und literaturkritischen Bilchern (,,Die doppel- koptige Nymphe" und ,,Das BUcher-Deka- meron") schrieb er eine Reihe ausgezeich- neter Werke, in denen er Reise-Ein- d ticke eines lRnder- und menschenkundi- genWeltreisenden schildert. (,,Afrika nackt und angezogen", ,,Zauber und GroBe des Mittelmeers" usw.) Seine Bilcher wurden 1933 verbrannt; 1941 erhielt er ein allge- meines Publikationsverbot. Aus seinem im Jahre 1947 im Kurt Desch Verlag, Mllnchen, erschienenen, tiber 1000 Serten umfassenden Roman ,,DAS GUTE RECHT": Er fand jetzt erst den richtigen Kontakt mit den Leuten, die zumeist die Woche hoch in den Bergen lebten, Baumne schlugen, in Hitten Ubernachteten und in der Samstagnacht nach Hause kamen. Und die am Sonntag dana Vortrage Uiber Waffen und das Regime und die Ehre, sterben zu duirfen, anhbren muBten. Und denen man sagte, sie. sollten ihre Hofe und ihr Vieh verteidigen, hier im letzten Zipfel des Reiches, in das ebensogut der Kriegs- lage nach die Amerikaner wie die Russen kommen konnten, im allerletzten Sack, in dem sich die letzten Kanonen und Maschinengewehre fangen konnten, hier sollten sie, wenn das Reich zerschlagen, zerschossen, zersprengt und erobert sei, vor ihren mageren Viehstallen und ihren groBrandigen Hofen Graben aufwerfen und den Panzern Tellereisen entgegenwerfen und ihre Kinder und ihre Frauen und ihr Vieh verbrennep lassen und mit ihnen sterben. Es war zu unsinnig, aber man hammerte es ihnen immer wieder ein, man schlug es auf den Groll, der ihre schlecht ernahrten Gestalten wie Gas ftillte, man schlug es gegen ihre Stirnen, sie horten nichts anderes, also dalI sie sterben mUlhten, damit das Reich des Regime bestehen konne, und wenn sie sich fragten, wieso es bestehen konne, xenn sie untergegangen seien, denn hier, wo sie wohnten, sea die letzte Grenze des Reiches, und wenn die Panzer bis an den Chiemsee gefahren seien von Westen her oder wenn sie die Salzach erreicht hatten von Osten her, so sel Ulberhaupt nichts mehr da, was gerettet werden konne, so sagte man ihnen geheimnisvoll, es set dann d3ch noch etwas da. Etwas, wovon man nicht sprechen werde und was sle auch nicht erraten konnten. Find selbst wenn es einmal so scheane, als ob alles Sichtbare ver- loren sei, so lebe das Unsichtbare weiter. Ein Reich bestehe nicht aus Dingen, die man ftihlen und sehen konne, der Kern des Reiches see etwas Unsichtbares, das fiberhaupt nicht sterben ktnne, fUr das man aber sterben mUsse, damit es Fidgel bekomme, um wiederaufzuerstehen. ARTHUR ELOESSER Verfasser einer bedeutenden. Literatur- geschichte ,Die deutsche Literatur vom Barock bis zur Gegenwart' und kritischer Mitarbeiter der ,Vossischen Zeitung", war 1932 Vorsitzender des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller. Er wurde aus seiner Stellung entfernt, und seine Btlcher wurden verboten. Eloesser ist wenige Jahre danach gestorben. - Hier eine kleine, von uns nur abschnittsweise wieder- gegebene STUDIE des 1870 in Berlin ge- borenen, unvergessenen Literaturkritikers: Fin wesentlicher Tell von Thomas' Kindheit hat sich In dem grofavater- lichen, In dem nun historischen Buddenbrookhause abgespielt, das ich den Anhangern eines zum deutschen Hausbuch gewordenen Romans nicht zu 36
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