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Lüthi, Walter, 1901- / Deutschland zwischen gestern und morgen: ein Reisebericht.
([1947])
Kirche und Politik, pp. 83-90
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Berlin, pp. 90-96
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die Zahl der Christen, die jetzt nur noch ein einziges An- liegen haben: Sich nie mehr mit dieser Welt zu beschmutzen. So verbindet sich bei nicht wenigen ein ungeheuer scharf. augiges Wissen um all das, was die anderen falsch machen, mit einer ebenso ungeheuren eigenen Unfahigkeit, es besser zu machen. Den wenigen aber, die als Christen den Mut haben, mit beiden Handen tapfer in die Nesseln der politi- schen Mitverantwortung zu greifen, wird von dieser Kirche her nicht der Ruicken gestarkt, sondern es wird ihnen eher noch durch Riickenschiisse von der Kanzel und aus der Kirch- gemeinde das Stehen auf dem Posten erschwert. Warum gab es in der Reformationszeit so viele <<Laien>>, die zugleich in der kirchlichen wie auch in der wirtschaftlichen und politi- schen Verantwortung standen? Weil sie es wagten, von der Gnade allein zu leben. und weil sie der Gnade eine gr6oere sittliche Gestaltungskraft zutrauten als aller Moral und Eigen- gerechtigkeit. Wehe einer Kirche, die, anstatt einer verlore- nen Welt die Rettung anzubieten, nur noch daran denkt, sich selber zu retten! Berlin <<Maxim-Gorki-Strale?>> - der Chauffeur, ider uns nach durchgefahrener Nacht am Bahnhof Berlin-Tegel abholt, wo wir mit einer halben Stunde Verfriihung ankommen, mul3 etwas von unserem fragenden Erstaunen uber die Stral3en- bezeichnung herausfiihlen, weshalb er sich beeilt, uns zu er- klaren, auf dem friiheren Stadtplan habe es hier geheif3en: <<Dietrich-Eckart-Allee>>. Jetzt also abgeandert in <<Maxim- Gorki-Stral3e>> - wir befinden uns in Berlin, inmitten der rus!sischen Zone, am Tor des Ostens, dicht am fast zu bekann- ten <<eisernen Vorhang>>. Werden wir etwas hiren, werden 90
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