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Aufwärts
Jahrgang 20, Nr. 12 (December 15, 1967)
Hadobu
Griechenland geht uns an, p. 3
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Zweierlei Maß Neuer Mann Demokratie: Ja! Notstand: Nein! Der Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes wählte kürzlich auf einer Sitzung in Düsseldorf ohne Gegenstimmen Georg Neemann zum Mitglied des Geschäftsführenden DGB- Bundesvorstandes. Er übernimmt als Nachfolger von Wilhelm Haferkamp, der zum Mitglied der Vereinigten Kommis- sion der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel berufen wurde, die Abteilung Wirtschaftspolitik im DGB. Neemann wurde am 7. November 1917 als Sohn eines Bauarbeiters in Höchst (Odenwald) geboren. Er schloß die Schule mit der ,mittleren Reife" ab und erhielt eine kaufmännische Ausbildung. Den zweiten Weltkrieg mußte er von Anfang bis Ende in der Luftwaffe mit- machen. Nach Kriegsende wurde er An- gestellter der Stadtverwaltung Lengerich (Westf.) und erhielt kurz darauf die Lei- tung des Wohnungs- und Flüchtlings- amtes. 1946 schloß sich Neemann der Gewerk- schaftsbewegung und der Sozialdemo- kratischen Partei an. 1950 wählte ihn die IG Metall zum Bezirkssekretär in Mün- ster, 1957 wurde ihm vom Vorstand der Gewerkschaft die Bezirksleitung des Bezirks Münster sowie später zusätzlich die Leitung des Bezirks Hagen der IG Metall übertragen. 1963 wurde Neemann zum Vorsitzenden des DGB-Landes- bezirks Nordrhein-Westfalen, des größ- ten Landesbezirks des Deutschen Ge- werkschaftsbundes, gewählt und 1965 in diesem Amt bestätigt. Am 19. September 1965 wurde er als Abgeordneter der SPD Mitglied des Deutschen Bundestages. DGB setzt sich für spanische Arbeitnehmer ein In gleichlautenden Telegrammen an den spanischen Arbeits- und Justizminister hat der Deutsche Gewerkschaftsbund seine Bestürzung über die erneuten Ver- haftungen in Spanien zum Ausdruck gebracht. Er appellierte an die spanische Regierung, alle Arbeiter, die auf Grund ihrer berechtigten gewerkschaftlichen Forderungen inhaftiert wurden, unver- züglich auf freien Fuß zu setzen. Darüber hinaus ersucht der DGB die spanische Regierung, endlich den spanischen Ar- beitnehmern die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes in Obereinstimmung mit dem Obereinkom- men Nr. 87 der Internationalen Arbeits- organisation zu gewähren. ~aufwärts", illustrierte Zeitung des Deutschen Gewerkschaftsbundes für junge Menschen. Erscheint im Bund- Verlag GmbH, Köln-Deutz, Postfach 409. Verlagsleiter: Wilhelm Biedorf. Verantwortlich für Inhalt und Gestal- tung: Hans Dohrenbusch. Tel. 82821. ~aufwärts" erscheint monatlich ein- mal. Bestellung durch die Post. Be- zugspreis durch die Post vierteljähr- lich 1,50 DM einschließlich Zustell- gebühr. Unverlangt eingesandten Ma- nuskripten muß Rückporto beigefügt werden. Kupfertiefdruck: dumont presse, Köln E s mutet fast wie Hohn an, daß auch der Vorsitzende der 14. Großen Strafkam- mer des Landgerichts Berlin, die den Kriminalobermeister Kurras Mitte No- vember von der Anklage der fahrlässi- gen Tötung des Studenten Benno Ohne- sorg freigesprochen hat, von dem Urteil <nicht völlig befriedigt" ist. Uns befrie- digt das Urteil ganz und gar nicht, und es bleibt nicht nur ein <gewisses Unbe- hagen", das auch das Gericht empfand, wie sein Vorsitzender versicherte. Das Urteil ist nicht nur typisch für die restaurative Entwicklung in der Bundes- republik. Es zeigt auch eine alarmierende Parallele zu der politischen Justiz in der Weimarer Republik, die, wie zahlreiche Urteile damals zeigten, die politische Lin- ke und Rechte mit zweierlei Maß gemes- sen hat. Das peinliche Gefühl drängt sich auf, daß subjektive Gründe herhalten müssen, wenn Notwehr objektiv nicht ge- geben ist. Das Gericht, das sich etwas darauf zugute gehalten hat, alle Fragen der Anwälte der als Nebenkläger zuge- lassenen Familie Ohnesorg nach den po- litischen Hintergründen auszuklammern, hat ein Urteil gefällt, das für viele die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik in Frage stellen muß. Wie will man es noch verantworten können, daß der Poli- zeibeamte, der den Demonstranten Ohne- sorg erschoß, freigesprochen wird und der Demonstrant Teufel, der lediglich unter Verdacht steht, einen Stein gegen einen Polizisten geworfen zu haben, nun schon seit Wochen im Untersuchungs- gefängnis sitzt? Foto: Toni Tripp Ein Urteil wie das im Kurras-Prozeß muß, wenn der Entwicklung nicht entschlossen Einhalt geboten wird, politische Folgen nach sich ziehen, die für die Entwicklung der zweiten deutschen Republik genauso verhängnisvoll werden können, wie sie es einst für die erste waren. do (Frankfurter Rundschau) Griechenland geht uns an W er kennt ihn nicht, den verwegenen und kraftvollen Hauptdarsteller aus dem Film ,Alexis Sorbas" - den Film- schauspieler Anthony Quinn. Dieser Mann hat, wie der <Spiegel" berichtet, einen seltsamen Plan. Er will auf der griechischen Insel Rhodos ein Kultur- zentrum errichten, das er <Philosophi- sche Vereinte Nationen" nennen will. Mindestens 500 Persönlichkeiten aus der ganzen Welt sollen in diesem Kultur- zentrum einen Platz zum Arbeiten, zu fruchtbarem Gedankenaustausch und zum Leben finden. Macht Quinn sich über die Faschisten in Oberstenuniform, die heute das Land in eine finstere Diktatur stürzen, falsche Vorstellungen oder spielt er dem Regime einen Streich? Bekanntlich haben die Obersten den Film ,Alexis Sorbas" ver- boten. Selbst die Musik, die der inhaf- tierte - das heißt heute in Griechenland Konzentrationslager - Komponist Mikis Theodorakis geschrieben hat, wurde verboten. Die Texte der klassischen griechischen Philosophie wurden zen- siert und alles gestrichen, was dem augenblicklichen Regime nicht in seinen faschistischen Kram paßt. Wehe den Denkenden! Das ist die Praxis in Grie- chenland. Und Faschisten in Richter- roben fällen Urteile gegen die geistige Elite des Landes, die einer faschistischen Justiz würdig sind. Und da kommt nun Quinn und will ein Kulturzentrum auf einer griechischen Insel errichten... Ist es ihm ernst? Ist es Hohn auf diese Regierung? Der CDU-Abgeordnete Blumenfeld war vor einigen Wochen in Griechenland. Er hat nach seiner Reise in der ~Zeit" be- richtet, daß die griechischen Konzen- trationslager nicht so schlimm seien, wie die von den Deutschen errichteten, die Blumenfeld aus eigener Erfahrung kennt. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Im jetzigen Stadium, von der Weltmeinung bedrängt, mögen die Machthaber noch Hemmungen haben, aber ihre bisherige Praxis läßt darauf schließen, daß sie auch in der Lage sind, dem politischen Massenmord seine Chancen zu geben. Der bekannte Chefreporter der ,Süd- deutschen Zeitung", Hans-Ulrich Kemps- ki, berichtete nach einer Reise aus Griechenland erschreckende Dinge. Ein- schüchterung und Terror herrschen, Gewaltjustiz und Willkür sind an der Tagesordnung. Korruption und Vettern- wirtschaft sind weitere Merkmale des Regimes. Wann endlich werden die Vereinten Nationen, werden die freien Völker die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, um dem faschistischen Spuk in Griechenland ein Ende zu bereiten? Es ist längst Zeit! Hadobu enner trat zunächst der Auffassung ntgegen, die Gewerkschaften ver- sperrten sich mit ihrem entschiedenen Nein zur Notstandsgesetzgebung den Weg, überhaupt einen Einfluß auf die Lö- sung dieses Problems auszuüben. Viel- mehr habe der entschlossene Widerstand der Gewerkschaften, der Wissenschaftler und all jener, die es mit der Erhaltung und dem Ausbau der Demokratie ernst meinten, wesentlich dazu beigetragen, ~daß die aufeinanderfolgenden Bundes- regierungen ihre Entwürfe immer wieder abändern mußten, daß sie keine Mehrheit für diese Entwürfe fanden, daß die Abge- ordneten und die Öffentlichkeit besser und nachhaltiger über die Pläne der Bundesregierung und ihre Folgen aufge- klärt werden konnten". Die ersten beiden Notstandshearings hätten mit Deutlichkeit gezeigt, daß auch die neuesten Notstandsentwürfe bei einer Mehrzahl der Sachverständigen auf Ab- lehnung stießen. Sie verletzten unsere gegenwärtige Verfassungsordnung, de- ren unveräußerliche Bestandteile die Grundrechte, die Gewaltenteilung und damit die Aufrechterhaltung der Stel- lung des Parlaments als Legislative und' als Kontrollorgan seien. Das ergäbe sich aus den Texten, die seit Jahren vor- gelegt worden seien. Auch die neuesten Entwürfe der Bundesregierung erhielten eine allgemeine, rechtlich und faktisch unbestimmte, nicht einmal auf beson- dere Notstandslagen abgestellte Dienst- verpflichtung der Arbeitnehmer und eine faktische Beschränkung, wenn nicht gar Aufhebung des Koalitions- und Streik- rechts. Die Dienstverpflichtung wehr- fähiger Männer sei jederzeit im tiefsten Frieden und ohne Bezug auf eine kon- krete Notstandssituation möglich. Nahe- zu das gesamte Arbeitsleben in Verwal- tung und Wirtschaft könnte nach dem Belieben der Exekutive notfalls militari- siert werden. Weitere Arbeitskräfte, die im Verband der Streitkräfte arbeiteten, könnten jederzeit verpflichtet werden, ihre Tätigkeit weiter auszuüben, ohne Rücksicht auf den örtlichen und zeit- lichen Einsatz dieser Streitkräfte. Diese Regelung stehe im klaren Gegensatz zu Art. 12 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Es sei nichts anderes als eine Deklama- tion, wenn behauptet werde, das Streik- recht sei im Rahmen der gegenwärtigen Notstandsentwürfe gesichert, denn mit den Strafbestimmungen des Arbeits- sicherstellungsgesetzes könne im Not- standsfall praktisch jeder Streik unter Strafe gestellt werden. Brenner wies besonders auf die Stellung- nahme des hessischen Ministerpräsi- denten und des hessischen Justizmi- nisters Strelitz hin, die ebenfalls den Streik durch die neuen Notstandsgesetze gefährdet sähen. Demgegenüber sei es die vornehmste Aufgabe der Gewerk- schaften, die Demokratie in der Bundes- republik zu sichern und auszubauen. ,Wir brauchen keine Schönwetterdemo- kratie, sondern eine Demokratie, die sich in allen Gefahren und Nöten bewähren kann. Um das zu erreichen, brauchen wir die aktive Mitwirkung aller demokratischen Kräfte und ihrer Organisationen. Wäre es nicht viel besser, unsere demokra- tische Ordnung dadurch zu festigen, daß wir endlich die Mitbestimmung der Ar- beitnehmer in allen Wirtschaftsbereichen verwirklichen?" Brenner wies jedoch mit aller Entschie- denheit Spekulationen zurück, daß es einen Tauschhandel geben könne, bei dem Konzessionen in der Notstands- frage mit der Ausweitung der qualifizier- ten Mitbestimmung kompensiert werden sollen. ,Mehr Mitbestimmung läßt sich mit mehr Notstandsgesetzgebung nicht vereinbaren."
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