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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 5 (May 15, 1966)
Brandt, Oscar Peter
Die Schule der Zukunft, pp. 14-15
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gen und Maacnen aie ~,itDerniascnule- . Sie werden weder nach Konfessionen noch nach Geschlechtern getrennt, son- dern dazu erzogen, sich gegenseitig zu achten und Toleranz zu üben. Der Lehr- körper gibt das beste Beispiel einer guten und fruchtbaren Zusammenarbeit. Hier unterrichten - wobei jeder gleichberech- tigt ist - evangelische wie katholische Volksschullehrerund Studienräte und Ge- werbelehrer, Ingenieure und Künstler und Handwerksmeister, Volkswirte und Gym- nastiklehrerinnen und Kindergärtnerin- nen. Auch Standesdünkel kann in dieser Schule gar nicht erst aufkommen. Die Schüler und Schülerinnen kommen aus allen Berufsschichten. Ihre Eltern sind Arbeiter und Angestellte, Gewerkschafts- sekretäre und Direktoren, Geschäfts- leute und Handwerker und Angehörige der freien Berufe. ~Ich will lernen, ich will arbeiten. Ich will lernend arbeiten, ich will arbeitend lernen." Das ist das Leitmotiv der Hiberniaschule, deren Lehrplan und Methodik sich auf die Erkenntnisse der von Dr. Rudolf Stei- ner begründeten Waldorfpädagogik stüt- zen. So wie die erste Waldorfschule 1919 für die Arbeiterschaft der Waldorf- Astoria-Zigarettenfabrik ins Leben ge- rufen wurde, so entstand auch die Hi- berniaschule in einem Industriewerk der Hibernia AG, dessen Rahmen sie inzwi- schen allerdings weit gesprengt hat. <Spielen-Bilden-Werken" steht als Leit- motiv über der Unterstufe, vom ersten bis zum sechsten Schuljahr. Auch die 1-Männchen haben schon englischen und russischen Sprachunterricht. Es be- weist sich, was auch die Eltern erstaunt wie erfreut feststellen: Man kann mit dem Erlernen einer fremden Sprache gar nicht früh genug beginnen. Die Mädchen und Jungen lernen auch alle ein Instrument spielen. Mit Feile und Raspel fertigen sie kleine Holzarbeiten an. Auch die Strickstunde (spielend Gedanken knüp- fen) haben sie gemeinsam. Dabei kom- men die allgemeinen Unterrichtsfächer Deutsch, Rechnen, Religion, Erdkunde und Geschichte durchaus nicht zu kurz. In der Mitteistufe, dem siebten bis zum zehnten Schuljahr, ist der Unterricht ganztägig. Jetzt wird das Urteilsvermö- gen der herangewachsenen jungen Men- schen angesprochen und geschult. Ma- thematik, Physik, Chemie, Biologie, Be- rufskunde sinddie neu hinzugekommenen Fächer. In den großen und modernen Werkstätten, die zu dem neu gebauten Schulkomplex gehören, erhalten Schüler und Schülerinnen gemeinsam eine prak- tische Grundausbildung, zu der ein Schreiner-, ein Elektro- und ein Labor- praktikum zählen. Während die Jungen schmieden und schlossern, erhalten die Mädchen eine Sonderausbildung in der Küche, im Nähzimmer, in der Gesund- heitspflege und im schuleigenen Kinder- garten. Gemeinsam wieder mit den Jun- gen bildhauern, schnitzen oder plastizie- ren sie oder arbeiten auch in der schul- eigenen Gärtnerei. Das Mittagessen wird gemeinschaftlich im großen Saal eingenommen, der gleich- zeitig Festsaal ist. Dabei lernt man ganz nebenher noch die Tischsitten. Fische bitte nicht mit dem Messer, keine Kar- toffeln zerschneiden, bitte nicht die Ell- bogen auf den Tisch legen! 16 Jahre alt sind die Jungen und Mädchen inzwischen geworden. Ihre um zwei Jahre jüngeren Freunde und Freundinnen ste- hen schon - was es in keinem zivilisier- ten Land der Welt mehr gibt -, unvoll- kommen ausgebildet, im Berufsleben. Bei ihnen hingegen tritt in der Oberstufe, dem 11. und 12. Schuljahr, die Fachaus- bildung in den Vordergrund. Jetzt arbei- ten die Schüler in den Vormittagsstunden in den Werkstätten und Laboratorien, aber auch die künstlerischen Fächer - das Musizieren und Theaterspielen, Bild-
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