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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 5 (May 15, 1966)
Käufer, Hugo Ernst
Eine Jugend in Deutschland, p. 11
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Nufstand der Pilzkopfe Was ist Beat? Beat heißt soviel wie übertreffen. Beat-Musik übertrifft jr Zeit alles, was das heitere Show- eschäft an Attraktionen zu bieten hat. ür viele Zeitgenossen ist der Beat un- rtikuliertes Geräusch, andere sehen in rn einen revolutionären Protest gegen e Herrschaftsstruktur einer Gesell- :haft, deren Irrationalität in der Atom- ombe Gestalt angenommen hat. ie drei Verfasser - sie lebten vier Wo- hen mit zwei Beatgruppen in Liverpool sammen - versuchen in dieser Mono- raphie in Bild, Text und Ton den Beat ziologisch zu fassen. In Interviews und esprächen wurden Beatgruppen und r Publikum zur Mitarbeit an diesem uch herangezogen, sie wurden dazu wegt, sich selbst, ihre Umgebung und re Stellung in der Gesellschaft zu - ektieren. Die soziale Herkunft der uppen und Beat-Fans wird eingehend rgestellt, wobei die Feststellung inter- sant ist, daß die Mehrzahl der Grup- nmitglieder und der Fans durchaus ordneten Verhältnissen, meist Fami- *n der unteren Mittelklasse, entstam- 3n. Betont wird, daß die durch den Beat schaffene erotische Atmosphäre zur jfhebung der Geschlechtsunterschiede ängt, wie jede gegen die Normenwelt richtete Bewegung. Statistiken bewei- n, daß unter den Mitgliedern der mehr s hundert Beatklubs in Liverpool die igendkriminalität in den letzten Jahren ark abgenommen hat. ie zum Teil eindrucksstarken Fotos des iches zeigen den Charakter der Stadt d das Leben ihrer Menschen; das rkliche Liverpool mit seinen Industrie- id Hafenanlagen, Lagerhallen, Slums id Beatkellern wird überzeugend ein- fangen. Der Band kann einige Mißver- ändnisse über den Beat klären. Die igefügte Schallplatte mit 6 Beat-Stük- n ergänzt die Text- und Bilddokumen- tion vortrefflich. ugo Ernst Käufer uergen Seuss, Gerold Dommermuth nd Hans Maler: Beat in Liverpool. it 214 Abb. und 1 Schallplatte. Bücher- Ide Gutenberg, DM 14,80 Eine Jugend in Deutschland H orst Krüger, 46 Jahre alt, hat sich in den letzten Jahren einen guten Na- men als Journalist gemacht; er ist heute Nachtstudioleiter beim Südwestfunk Ba- den-Baden. Sein autobiographischer Bericht ~Das zerbrochene Haus" (München: Rütten & Loening 1966, 284 S. Lw. DM 18,-) umfaßt einen Zeitraum von über dreißig Jahren. Den menschenunwürdigen Zwang in der Hitlerzeit, sein kärgliches Landserdasein in Frankreich, Rußland und Italien, den sinnlosen Endkampf an der Ruhr, seine Desertion und die amerikanische Ge- fangenschaft kann er nicht vergessen. Nun ist er nach Eichkamp, einem Vorort Berlins am Rande des Grunewalds, zu- rückgekehrt, um endlich herauszufinden, ~wie das damals war unter Hitler". Tage der Kindheit, verbracht in einem unpoli- tischen Kleinbürgerhaus, eine Jugend unter Hakenkreuzfahnen, geprägt von Ratlosigkeit, Leere und Verlegenheit, ein Kind jener <harmlosen Deutschen, die niemals Nazis waren und ohne die die Nazis doch niemals ihr Werk hätten tun können". Das Elternhaus ist zerbrochen, Vater, Mutter und Schwester sind tot, nur nach und nach lassen sich einige Spuren der Vergangenheit entziffern, die mit den neuen Mythen unserer Zeit, das sei doch damals eine prima Volksgemeinschaft gewesen, nicht übereinstimmen und mit den freundlichen Lügen der Historiker, der braune Terror in Deutschland werde heute vielfach übertrieben, nicht konform gehen. Die eingeschlagenen Schaufen- sterscheiben der jüdischen Geschäfte in der ,Reichskristallnacht", die brennen- den Synagogen, Verhaftungen, Folte- rungen im Zuchthaus Moabit, endlose Verhöre vor dem Volksgerichtshof und der Frankfurter Auschwitz-Prozeß, an dem Krüger teilgenommen hat, sprechen eine andere Sprache. Und heute? Den Hitler <gibt es auch noch in uns. Er herrscht noch im dunkeln, im Untergrund. Dieser Hitler, denke ich, der bleibt uns lebenslänglich". Krügers freimütiger, gekonnt geschrie- bener Bericht vermeidet jede billige Sim- plifikation, wer hier spektakuläre Enthül- lungen erwartet, wird enttäuscht, ein unsensationelles Buch, das durch seine Wahrheitsliebe anspricht, erschüttert, und das eine Antwort auf die Frage zu geben versucht, ,wie das eigentlich war, was wir heute alle nicht mehr begreifen können". Ein notwendiges Buch, das jungen Menschen nachdrücklich emp- fohlen wird. Hugo Ernst Käufer SEIN, GEBILDET SEIN BILDUNGSBUCH DER BUCHERGILDE
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