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Aufwärts
Jahrgang 19, Nr. 2 (February 15, 1966)
Angermann, Gerd
Heiratsanzeige, p. [24]
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eroeen unier... Der Herr Abiturientenbruder, der blonde, wird nichts zu lachen haben in der näch- sten Zeit. Er ist angeboten auf dem Heiratsmarkt der Upperten ... Na was, Sie werden doch wissen, was Upperten heißt?! Was sind Sie für ein Bundes- bürger, hören Sie! High society, Haute- volee, obere Zehntausend heißt das. Also wie gesagt, da wird er jetzt an- geboten wie ein Aktienpaket. Ich sage: wie.-Wenn er nämlich eins wäre, dann würde er nicht... Ja, das Ganze ist etwas kompliziert, aber mit etwas gutem Willen frißt es schließlich der Dümmste. Die Frau Schwester sagt sich: Der Junge ist ein Junge, und das allein ist heutzutage schon Kapital. Warum es verschleudern? Man muß damit wirt- schaften! zeuTuK, rmarigianzwacns Tur rfunsisiot- böden und so fort. Sie würde vielleicht auch schon bei einem Großhandels- unternehmen zugreifen, aber weiter run- ter geht sie bestimmt nicht. Bis die ersten Offerten kommen, hat der Herr Bruder sowohl seinen Knabentraum, Raketenforscher zu werden, als auch seine große Schülerliebe, die pferde- geschwänzte Susi, an der Börse der harten Lebensrealitäten unter der Hand mit Verlust abgestoßen. Dann wird man die Angebote prüfen. Nein, schütteln Sie nicht den Kopf, das beweist nur, was für ein wirklichkeitsfremder Mensch Sie sind. Es gibt so viele Betrüger heutzu- tage! Soll die Frau Schwester vielleicht- allein auf einen dicken Briefkopf hin den Zuschlag geben? Schön leichtsinnig wäre sie. Natürlich wird sie mit Wirt- schaftsauskunftsbüros zusammenarbei- ten. Die nächste Klippe... Ach hören Sie mir doch mit Zuneigung auf! Was für alt- modische Begriffe bringen Sie da ins Spiel! Die nächste Klippe ist der Vertrag. Daß die Frau Schwester die zukünftigen Schwiegereltern des Herrn Bruder näm- lich von der Gütertrennung abbringt. Mit GütertrennUng hat das Ganze ja über- haupt keinen Sinn, und außerdem hat das ein blonder Abiturient, der 1,80 groß ist, nicht nötig. Also schön, sie wird auch das schaffen. Dann werden sich die jungen Leute kennenlernen. Er wird, immer auf die Sach- und Vermögenswerte im Hinter- grund äugend, so tun, als hätte er noch nie eine rosigere Rose gesehen, und sie wird sich alle Mühe geben, wie ein Teen- ager zu wirken, obwohl sie die Dreißig überschritten hat und auch ansonsten Geschmacksache ist. Das alles jedoch überwindet... Wer sagt da: die Liebe? War in dem Inserat vielleicht von Liebe die Rede? Passen Sie besser auf, ja! Das alles überwindet das geschulte Zweckdenken dieser Vertreter einer Generation, die sich anschickt, eir Bes Wirtschaftswundererbe anzut Sie werden - und das steht im Ins Partner werden. Er wird Volkswirt studieren, weil ihm das Schicksal wirtschaftliche Geräte en gros detail auf den künftigen Lebenswe streut hat, sie werden heiraten, sic in die Breite gehen, er wird sich gelt lich nebenher was anderes anla weil das Leben ja schließlich nich aus Arbeit bestehen kann, sie Szenen machen, er wird Kreisia rungen kriegen - mit einem Wort: ein kurzes werden die beiden eine g schaftlich geachtete Position einne und bis an das Ende ihrer Tage üb, ansehnliches Vermögen verfügen. Und wenn sie dann gestorben sit Nein, keine Angst, dann holt sie nic Teufel. Der könnte sie nur in die bringen. Aber die haben die beiden der gütigen Mithilfe der Frau Schm dann bereits auf Erden hinter sic bracht. Gerd Angermann 0 Er kam im Smoking D urch Toni lernte ich ihn kennen. Tonis Heimat ist in den Bergen. Ihr Haar ist schwarz, gebräunt ist ihr Ge- sicht, und ihre Augen sind grün und klar wie der See, an dessen Ufer Tonis Haus steht. Ich weiß keinen behaglicheren Winkel, keinen, wo es sich besser ausruhen unUl besinnlicher plaudern ließe, als den Herrgottswinkel in Tonis Bauernstube. An den Wänden hängen Bilder weit- bekannter Sportsleute, und die Wid- mungen darauf beweisen, daß alle diese Männer stolz auf Tonis Freundschaft sind. Mancher hätte sie gerne zur Kameradin fürs Leben gewonnen. Aber in diesem Punkt scheint es mit Toni seine Schwierigkeit zu haben. Unab- hängigkeit ist ihre große Leidenschaft. Es müßte schon ein ganz Besonderer sein, dem sie sich ergäbe. Zuweilen hat Toni Lust, eine Dame zu sein. So sitzen wir eines Abends in der Tanzbar des großen Hotels, und Toni nimmt bewundernde Männerblicke ge- lassen hin. Auf einmal aber schaut sie gebannt auf einen jungen Mann, der gerade hereingekommen ist und sich unschlüssig einen Platz sucht. Sein Smoking sitzt nicht ganz tadellos, es fehlt ihm an gepflegter Glätte. Doch der stämmige Bursche, der darin steckt, bewegt sich ganz unbefangen. Toni scheint ihn zu kennen, und jetzt hat auch er sie bemerkt. Wie angewurzelt bleibt er stehen, Staunen und Freude im Gesicht. Langsam tritt er an unseren Tisch. Er sagt kein Wort, nur seine Augen strah- len. Merkwürdige Augen sind es, von jenem kräftigen Blau, wie man es oft bei Gebirglern findet. Er zieht sich einen Sessel her und setzt sich. Mich bemerkt er gar nicht. Toni lächelt, auch sie freut sich offenbar sehr. Eine Weile noch schaut er sie an, dann reicht er ihr stumm seine braungebrannte Hand. Toni legt die ihre hinein und sagt: ~Ja, Loisl, wie schaust' denn aus!" Er antwortet nichts, aber ihre Hand behält er in der seinen. Toni entzieht sie ihm und tippt auf seine Hemdbrust. Ein Knopf daran ist abgerissen. ~Wieviel hast du denn getrunken?" fragt sie in einem mütterlichen Ton, der mir ganz neu an ihr ist. ~Blödsinnig viel", sagt er. ~Gestern schon war ich bei dir, du warst' nicht daheim.- ~Was? Gestern schon?" sagt Toni be- sorgt. Und nachdem sie ihn noch eine Weile prüfend betrachtet hat: <Geh, du brauchst was zu essen! Hier ist's zu teuer. Wir gehn in ein Gasthaus!" Da denkt sie an mich. Sie macht mich mit ihm bekannt. Er begrüßt mich wortlos, mit festem Händedruck und wohlwollen- dem Blick. Dieser Blick besagt ungefähr: ,Wenn du mit Toni befreundet bist, dann bist du schon richtig." Toni mustert seinen Anzug und sagt: ~Weißt - weniger nobel g'fallst mir besser!" Gelassen zieht er seine Jacke aus und hängt sie über die Stuhllehne. Toni hat es jetzt eilig wegzukommen. Ich sage, daß ich hier warten will. Sie schaut mich dankbar an. Im Weggehen stutzt Loisl, dreht sich um und ruft mir ein herzlii ,,Pfüati!" zu. Ich warte lange. Die beiden korn nicht mehr. Gegen Mitternacht gehE heim. Die Nacht ist klar, Sterne fun über den Bergen. Auf den Stufen der Haustür sitzen Toni und Loisl. sagt: <Endlich kommst! Wir wollen noch Ke miteinander trinken, oben im Stüber Toni hat ein ganz anderes, jun glückliches Gesicht. Ihr Loisl t schweigend den dampfenden Ka Nur einmal sagt er: ~Weißt, Toni, ich halt alles, was versprech'. Aber Zeit mußt mir lass Zeit!" Toni nickt: ,Weiß ich! Aber jetzt li dich schlafen!" Folgsam geht er. <Hab's ja gewußt", sagt Toni zu mir kommt wieder. Er braucht mich." schüttelt den Kopf und lächelt: Smoking kommt er - der Loisl!" Joseph Baur
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