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Aufwärts
Jahrgang 15, Nr. 12 (December 15, 1962)
Schallück, Paul
Prager Etüden, pp. 16-17
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0er echüchtelr das weiß? ich I Es gib andre Sackgsen, C sich die Gäste. nie nicht hh rief, von ige Mann war kein Bewache hn nich gefragt, er hat es mir des Erkennen: Seitestaß ;eben. Haitet euch an die DR ogen am Ende die Summe: in Dar iunnA Mann half mit ha 1 wiede warten ie, fünf, secs Tage. Kein Brief aus Prg. noc fahren wir los, meine Frau und ich, fahren in die ere Hälfte der Welt, hinter den Eisernen Vorhang, in den bloc, ins Rec unter Hammer und Sichel, in einen Sti ~satdes Kreml, in die Diktatur der Funktionäre," in das erium Chruschtcows, zu übriggebliebenen Staiisten, mann Polizestst in ein Konzentrtonslager - wie immer spälihen Kenntnisse verllgemeinert werden. ins Unge- mejdefi. Ganz frei vom Spekulieren in Blöcken und reinfachungen ist wohl keiner, der fünfzehn Jahre iang mtdeutsche Zeitungen gelesen und Sontagsreden gehört SWir auch nicht. Aber wir fahren nicht, um Veraligemeine gen besttgt oder widerlegt zu finden; wir suchen keine ]ument für oder gegen etwas und werden keine heim- gen; wir wollen und werde nichts beweisen. Wir fahren h Prg, der sagenhaften Goldenen StadIt an der Moldau. möchten wir sehen. Und wir bemü hen uns, daran zu den- ,daß das Herz des Menschen, sein Stolz und seine Würde ei n Mut und seine Ausdauer älter sind als alle Ideologien. Lger Etüden, sonst nichts. SHotelier, seine Frau, Kellner und Gäsete sagen,,Auf Wieder- en" mit einer Mischung aus Unbehagen, Mitleid und Neid. fährt einer nach Prag, hinter den Eisernen Vorhang, in den bhlock usw. Wie kann er das? Was steckt dahinter? Nach og möctn sie gern auch mal - oder mal wieder, oder nach r, die fünfzg Kilometer, nach Krlsbad, Mrienbsd. Aber zu Ihrlich -und solange die Sudetendeutschen nicht zurück - Ionten haben sie vertrieben - und wiel - Deutschenhaß - on immer - dazu Kommunisten - und überhaupt - nein, er nicht. Gute Reise, kommen Sie gesund zurück, wir wis- Ja, wo Sie stecken, für alle Fälle. Der Name Sibrien fällt ht. Aus Höflichkeit? schwach beeze Zug von Paris nach Prag erinnern wir ;an 1918, als nach der Auflösung der Habsburger Monar- eder tchechoslowakiche Staat neu gegründet und der nanist Thomas G. Mark Präsident wurde; an Hitler, 8: ,Es ist mein unabäinderlicher Entschluß, die Tschecho- wakei in absehbarer Zeit durch eine militäriche Aktion zu ichiagen"; an die Zerschlagung, an die Ostmark, an den eg, an die Kapitulton. Wir erinnern uns: an das Konzen- onsiger Theesestd in der Nähe von Prag, Durch- gastan vieler Juden auf dem Weg in die Gaskammern Auschwitz; an Pappurnen für die Asche von Toten; an cee, das nNch dem Attentat auf Heydrlch mit Mensch und is vernichtet wurde. Wir erinnern uns: an die Vertreibung Sudetedeutschen; an die Befreiung der Tschechoslo- eai durch die Rote Armee; an die kommunistische Macht- reifung 1948; an das Fragespie: ,,Warum lieben wir die ssen?" - ,,Weii sie uns befreit haben." - ,,Warum lieben wir Amerkaner nicht?" - ,,Weil sie uns nicht befreit haben." sgreift da ins andere, ,,fortzeugend Böses muß gebären", Sciller gesagt hat. Ein Labyrinth der Erinnerungen. Zeit erfes Leens werden wir nicht hinausfinden. fahren wir - schweigend - hinter Schirnding durch den Ifachen Stacheldraht ins Niemandaland. Der Zug hält, die Türen werden von tschechischen Soldaten bewacht, einige kriechen unter die Wagen, doch sie finden niemanden. Wir sind in der Tschechoslowakei, hinter dem Eisernen Vorhang. Das gleiche Land, die gleichen Bergtormen, die gleichen Wol- ken, der gleiche Himmel. Hinter dem Todesstreifen Wälder, Kornteider, saftige Wiesen; das weiß3-brune Vieh kollektiv in den Gttern der Kolchosen. Sind's Koichosen? Bahnhof Eger. Die Sonne sticht. Andethlb Stunden Kontrolie der Päse und Visa, im geschlossenen Zug, Soldaten, bewaffnet mit Gewehr und Pistole, bewachen die Türen, die Koffer rührt keiner an, nach Zoliwaren fragt man leger. Alles korrekt, freund- lich, aber anderthalb Stunden. Werden Namen verglichen, Ver- dächtige gesucht, Republiklüchtige mit Heimweh oder Ge- schäftageist? Das Mißtrauen muß groß sein. Keine Trans- parente. Vor der Stimn der Lokomotiven der Rote Stern, das ist alles. Schmutzige Frauen in blauen Arbelteranzügen geben der Lokomotive zu saufen. Eger bleibt unsichtbar. Nur flauer Wind kommt von der Stadt Weiter, in Marienbad interessiert sich ein Wechsel-Mädchen für meine D-Mark-Scheine, De- visen; sie transfrert mit hübschem Lächeln. Weiter. Vor Pilsen fragt ein altes Männlein mit Franz-Joseph-Bart, ob wir Reichsdeutsche seien. Wir stutzen, gleiten ins Labyrinth und bejahen schließlich. Aus Höflichkeit. Hätten wir Ihn aufklären sollen? Alte Frauen steigen zu, lange Kleider, Kopftücher, Sandalen, große Taschen, beraten lange über mein Nylon- Hemd, zeigen mit den Fingern, wieviel es in Prag kosten würde, viel, sehr viel. Industriewerke unter Sonntagsarbeit, Flüsse im Abendgoid, ein schönes- Land, Badende ohne Zahl, vollbe setzte Omnlbusse, Autos, Straß3enbahnen, schlanke Mätdchen zu Fuß und per Fahrrad, Ruß aus der Lokomotive, Moped- Jünglinge mit Sturzhelmen, flatternde Blumen-Röcke der Aus- puff prinzessinnen. Häw Schaallek... Dann endlich Prag. Blanke Vrstädte, breite Straßen, keine Sprüche, über die Moldau, durch den langen Tunnel: Haupt- bahnhof, Eienkonstruktinen, Gemäuer, Treppen aus dem Jahrhundertanfang, unbeschädigt Wir lassen die Leute aus- steigen. Wir hben Zeit, werden ein Hotel suchen in der Nalhe und morgen ... Af dem Bahnsteig scheppert der Lautspre- cher. Was geht's mich an? Ich höre mit einem Ohr, dann kon- zentriert mit beiden und verstehe: ,,Härr Schaaliek, bittä auf däm Pärrong stähän bleibän." Böhmisch. Die Bewechung geht los, sagt meine Frau. Bitte, wir sind nicht überrascht Aber ist das ein Bewacher, dieser bescheidene, freundliche, ein wenig linkische, eben darum - auf Handschlag - sympathische lunge Mann? Wenn ja, ist seine Geschicklichkeit genlal. Er trägt unsere Koffer, wartet mit uns an der Taxihaltestele, er Sprache Deutsch ist die Sprache Franz Kafkas, der 1883 in Prag geboren wurde, das Altstädter deutsche Statsgymnaslum besuchte, auf der Univerität zum Doktor juris promovierte und vierzehn Jahre lang als Jurist in der ,,Arbeiter-Unfai-Verslcherung für das Königreich Böhmen" angestellt war. Heute befindet sich in dem Versicherungsgebäude ein Exekutionsgericht. Auch Rainer Maria Rilke wurde in Prag geboren, 1875, in der Panska, der Herrengasse, drei Häuser neben dem Hotel, in dem sich die Gäste aus Westdeutchland in kurzen Nachtstunden auszu- ruhen versuchten. Keine Tafel, kein Schild. in seinem Geburts haus hat sich eine Muslklienhandung etabiliert Ob die Ver- käufer das ,,Stundenbuch" kennen oder ,,Die Briefe an einen jungen Dichter", die Zeilen ,,Und dann und wann ein weißer Elefant" oder ,,Du mußt dein Leben ändern"? Franz Werfel ist Prager und Max Brod. der Romancier, Freund und Herausge- ber Kafkas; Feitx Wetch, der Philosoph aus Jerusalem, Ja- roslev Hasek, der den armen Soldaten Schweijk weitberühmt machte, der rasende Reporter Egon Erwin Kisch und Smeana, der die Moldau besungen hat Es geht das Gerücht, die Noten der israelischen Nationalhymne älhnelten der Smetanaschen < Moldau". Pabio Neruda, der südamerikanische Nobelpreis- Anwärter, trägt seinen Namen nach dem tschechischen Na- tionalichtr Johann Nerude, der 1834 in Prag geboren wurde. Tycho Brhe, der däniche Astronom, starb 1601 an der Moldau und liegt in Prag begraben. Af dem alten Judenfrledhof ruht seit 1609 in einer Reneissencegruft der Rabbl Jehuda Liva ben Bazai, den sie den Maharei von Prag nannten oder den Hohen Rabb Löw, zu dem die Besucher des Fridhofs zuerst eilen und seiner gedenken, indem sie das Grabmal mit kleinen Kise- steinen überhätufen; ein großer hebräischer Gelehrter und Wei- ser, mit Legenden umwoben, mit der Sage vom künstlichen Menschen, dem Golem, verknüpft. Karl IV. gründete in Prag
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