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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 18 (September 8, 1951)
Senckpiehl
Flora die Zeitungsfrau, p. 15
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Irgendwo In der groþen Stadt steht auf dem B¸rgersteig das Schild einer Haltestelle der Straþenbahn. Es Ist v–llig belanglos. wo es steht. Man kann es auch wegsetzen, ein paar Straþen- ecken weiter, an die n"chste Kreuzung, vor das Stadthaus, vor den Eingang der Berufsschule, vor die Wohnung des Herrn Generals - das kommt darauf an, wer sich am meisten "rgert, wenn er umsonst eine halbe Stunde auf die Straþenbahn gewartet hat. Denn nat¸rlich ist es keine richtige Haltestelle; Karl und Hannes, die beiden Lehr- linge, haben sich nur einen Scherz erlaubt, als sie morgens zur Arbeit gingen. ~WEGEN RE- PARATLR VERLEGT." Zwei Ladenm"dchen sind die ersten, die stehenbleiben, warten, sich unter- halten, dann zwei Jungen, die vom Rummelplatz kommen, dann ein junges M"dchen, lieb plau- dernd, Lippenstiit und Spiegel in der Hand', das sich gerade ¸berlegt, ob es sich nun die Lippen rot machen soll oder nicht, sp"ter ein Leicht- matrose. Und dazwischen eine Anzahl von Sprechern, Jungen und M"dchen, ganz nach Be- lieben und Vorhandensein", heiþt es in der Spiel- anweisung des Verfassers. Die Sprecher erz"hlen etwas. Manchmal ist es eine lustige Geschichte, manchmal eine ernste Angelegenheit, meistens ist von beidem etwas in diesen kleinen, nachdenklichen Berichten aus dem Alltag des Berufslebens, aus dem Getriebe der groþen lauten Stadt. ãRegie lf¸hrt der Haupt- sprecher. Er gibt die Einleitung, er verbindet die Szenen, er l"þt die ganze Folge ausklingen mit einem Wort zur Besinnung. Und Mitspieler sind alle, jung und alt, die zur Weise der Harmonika die eingestreuten Lieder singen. Es wird noch viel geredet und geschrieben wer- den ¸ber diese Spielfolge von Georg B¸sing LICHT IM ALLTAG, die vom Deutsh-an Gewerk- schaftsbund, Hauptabteilung Jugend, in D¸ssel- dorf als erstes Heft einer neuen Schriftenreihe f¸r die fretzeitliche Gruppenarbeit herausgegeben wurde. Man wird begeistert zustimmen und kritisch ablehnen, das Ist vorauszusehen. Es wird aber auch nicht an denen fehlen, die ohne viel Gerede das Spielhet1 zur Hand nehmen und es einmal damit versuchen, In ihrer Jugendgruppe, in ihrer Lehrlingswerkstatt, In der Berufsschule, in ihrem Betrieb, und dann viel Frende daran haben, auch davon sind wir ¸berzeugt. Sie wer- den es so spieleu, wie es der Verfasser zu- sammenstellte; sie werden einige Szenen aus- lassen, werden andere hinoinf¸gen, andere Wort- stellen, Redewendungen w"hlen - das Ist nicht nur zul"ssig, sondern vom Verfasser sogar ge- w¸nscht, denn die Grundbedingung ist, daþ die Spieler von einer ganz nat¸irlichen Frische sind und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist . Mag dieser letzte Satz nicht allzu weit gefaþt werdenl Nat¸rlich ist diese Spielfolge nicht irgend- le dahergeredet, sondern gerade in den Prosa- szenen sprachlich sehr bewuþt und zuchtvoll ge- staltet. (Die eingestreuten Verse ¸ber-zeugen nicht ganz; sie sind zu sehr vom Reim bestimmt, zu "uþerlich, zum groþen Teil recht programmatisch.) Textliche Ver"nderungen erfordern schon einiges sprachliches K–nnen. Und auch In bezug auf die Zusammenstellung und die Spieldauer Ist die hier vorgeschlagene Folge derart ausgewogen, daþ man bei K¸rzungen und Erweiterungen recht be- hutsam verfahren m–ge. wenngleich das Spiel formal kaum einzuordnen Ist. .Licht im Alltag' ist kein LaienspieL Mit aller Bescheidenheit will die hier gegebene Passung nicht mehr sein als nur ein Rahmen, in den eigenes Erleben in eigener Fassung gelegt werden kann. Die Elemente seiner Struktur sind am wenigsten im Theater zu suchen; Ankl"nge an das zeltkritische Kabarett sind deutlich; vor- herrschend aber, und das ist das BeglOckende, sind Spielmomente, die nirgendwo ausgeliehen. sondern schon seit Jahren von denen selbst ent- wickelt worden sind, f¸r die dieses Spiel ge- schrieben ist: von den Jugendgruppen. Wie man mit Witz und Frohsinn einen Abend Im Zeltlager, im Heim der Gruppe gestaltet - auch zu einem ztnftigen "Lagerzirkus" geh–ren eine ganz eigene Erfahrung und eine gute Portion K–nnenl --, das alles liegt in diesem Spiel, beim Lesen kaum merklich f¸r den Auþenstehenden, jedoch aus jedem Satz heraus sofort sp¸rbar f¸r deunenigen, der einmal mit Herz und Seele dabei war. Die Hauptabteilung Jugend des DGB ist mit diesem Spiel auf einem guten Weg. Es ist nach unserer Beobachtung der erste erfreuliche Ver- such ¸berhaupt, der arbeitenden Jugend ein ihr wesensgem"þes - und das heiþt zugleich: ein sie f–rderndes! - Spielgut zu schaffen. F. Westphal Zug herangebraust. Aber das scheint den Hund nicht im geringsten zu interessieren. Da fliegt aus einem ge–ffneten Fenster des Zuges ein Zeitungspaket auf die Straþe. Und jetzt "ndert sich das Bild. Mit pl–tz- lichem Ruck st¸rzt sich der Hund auf die Zeitungen, packt sie mit den Z"hnen, macht kehrt und trabt damit ins n"chste Dorf. Atemlos folge ich ihm und komme gerade noch zurecht, um zu sehen, wie hinter dem Zaun eines Hauses ein Bauer das Zeitungs- p"ckchen entgegenimmt. Und die L–sung des R"tsels: Der Bauer Krappmann hat in dem kleinen Dorf FLO RA D I E Z E I T U N G S F R A U Freudeneck die Agentur einer Zeitung. Da dieses Dorf keine Bahnstation besitzt, wirft t"glich ein Bote des Verlages aus dem fah- renden Zug die f¸r das Dorf bestimmten Zeitungen heraus. Um nun nicht t"glich den Weg zur Bahn machen zu m¸ssen, richtete Krappmann seinen Hund darauf ab, die Zei- tungen abzuholen. Das geschah schon vor zehn Jahren. Und seitdem waltet Flora mangels anderweitiger Besch"ftigung auch heute noch gewissen- haft ihres Amtes als vierbeinige Zeitungs- frau von Freudenedc. rext und Fotos: Senckpiehl -_ Es ist n–rdlich von Bamberg. Unaufhaltsam gleitet das Band der Landstraþe unter mei- nem Wagen dahin. Doch pl–tzlich muþ ich stoppen, ein Jagdhund versperrt meinen Weg. Unbeweglich sitzt er auf der Straþe, und weder Lockungen noch Drohungen ver- m–gen ihn von der Stelle zu bringen. Hier stimmt doch etwas nicht, schieþt es mir durch den Sinn. Ich steige aus und reiþe die Kamera hoch. In diesem Augenblick kommt auf dem Gleis neben der Straþe ein 15 -If
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