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Aufwärts
Jahrgang 4, Nr. 6 (March 24, 1951)
Sa., W.
Eine dankbare Aufgabe, p. 3
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EINE DANKBARE AUFGABE Wenn zu Ostern das erste frische Grun die noch winterliche Landschaft durchbricht. wenn junge Knospen ihr zartes Gesicht den oft noch winterlichen St¸rmen "ngstlich zeigen, dann str–men auch Tausende junger Menschen von den Schulb"nken hinweg in die rauhe Wirklichkeit der Fabriken. In vielen F"llen war das Bem¸hen der Eltern vergeblich, den Jungen einen Beruf erlernen zu lassen. So steht er nun in der Weberei, Spinnerei, im Basaltwerk oder sonstwo, um seinen Lebensweg als Arbeiter zu beginnen. Er merkt ein wenig sp"ter auþerhalb des Betriebes, daþ die Umwelt die Beurteilung des Menschen nicht nur nach dem inneren Wert vornimmt, sondern auch nach der Stel- lung, durch die er ihr gegen¸bertritt. Er macht die Feststellung, daþ sich fr¸here Schulfreunde schon nach Monaten aus der Gemeinschaft l–sen, die sie fr¸her in fr–h- lichem Spiel vereinigte, weil der eine mit Kragen und Schlips glaubt, vom Schicksal auf einen gehobeneren Platz gestellt worden zu sein als der andere, der im Strom der Arbeiter zu den Hallen der Fabriken str–mt. Nat¸riich sagt ihm das keiner offen ins Ge- sicht. Aber er beginnt es zu ahnen. An Stelle des vorurteilslosen Sich-Gebens tritt nun die erste Spur einer gewissen Berechnung. Die Geschichte der Arbeiterbewegung kennt Beispiele, daþ junge Menschen aus dem Gef¸hl der Zweitklassigkeit heraus zu fana- tischen Revolution"ren wurden, die in ihrer Freizeit ¸ber B¸chern saþen, sich weiter- bildeten und Breschen in die Vorurteile der b¸rgerlichen Welt schlugen, Ihnen ist es zu danken, daþ sich heute manches in dieser Hinsicht zum Besseren ge"ndert hat. Diese richtungweisenden Charaktere werden aus der Masse der Arbeiter immer wieder ge- boren, bis endlich der Weg zur Gleichberech- tigung Wirklichkeit geworden ist. Man muþ es nicht nur wissen, sondern sich auch darauf einstellen, daþ diese Jungen von heute morgen diejenigen sind, die durch Pers–nlichkeiten aus ihrer Mitte das Funda- ment festigen m¸ssen, auf dem eine dauer- hafte Gleichberechtigung in bewegten Zeiten ruhen kann. Darum nehmt sie auch einmal zur Seite und formt neben ihren beruflichen F"higkeiten auch ihren Charakter. Weckt einen gesunden Stolz in ihnen. Warum soll ein Facharbeiter, der seine Maschinen versteht, erstklassige Ware herstellt, die durch sein K–nnen zu einem anerkannten Exportartikel wird, Min- derwertigkeitskomplexe haben gegen¸ber einem anderen Stand? Wenn ich dies un- seren Jungen im Betrieb sagte, l"chelten sie mich stets dankbar an. Aus der Zahl der Jugendlichen sch"lten sich da-in immer einige heraus, die einer be- sonderen F–rderung wert waren. Sie zur Weiterbildung anzuhalten, in der Auswahl guter Bucher zu beraten, zu Lehrg"ngen, Ferienlagern usw. zu schicken, sind lohnende und dankbare Aufgaben. Das Heranf¸hren an gewerkschaftliche Pro- bleme ist dann nur ein Schritt auf dem Wege zum reifenden Menschen.'Sie geh–ren, wenn die Jahre jugendlicher G"rung versch"umt sind, zu dem Stamm ¸berzeugter Arbeiter, die andere mitreiþen und die errungenen Erfolge erweitern und vertiefen. w Sae Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft Hamburg 1, Steinstr. 20 unsere Zeichen Pa./Bg/Ze Tag 20. 1. 51 Nach bestandener Pr¸fung erkl"ren wir uns bereit, falls Ihr Sohn nicht inzwischen erkrankt, ihn mit Wirkung vom 1. 4. 51 bei uns als Lehrling f¸r das Schlosserhandwerk einzustellen. Wir bitten zu veranlassen, dass Ihr Sohn am 15. 3. 51 um 8,00 Uhr mit der Zuweisung des Arbeitsamtes Ferdinandstr. 5, In- validenkarte und Lohnsteuerkarte, erh"ltlich beim zust"ndigen Ortsamt, in unserer Personalabteilung Hamburg 1, Steinstr. 20, III. Stock, Zm. 313, zu uns kommt. Gleichzeitig machen wir schon heute darauf aufmerksam, dass eine Besch"ftigung nach Beendigung der Lehrzeit in unserem Betrieb nicht m–glich ist. Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft gez. J"ger gez. Unterschrift Uns allen ist die Berufsnot der Jugend zu bekannt, so daþ es sich er¸brigt, lange Abhandlungen dar¸ber zu schreiben, denn damit wird diese Not in keiner Weise gelindert. Wir sind froh und dankbar ¸ber jede Lehrstelle, die von der Wirtschaft zur Ver- f¸gung gestellt wird, und wissen, daþ in diesem Augenblick einem jungen Menschen geholfen wird, einen Beruf zu erlernen. Wir haben aber kein Verst"ndnis daf¸r, daþ man einem f¸nfzehnj"hrigen Jungen noch vor Beginn seiner Lehrzeit einen Schock einjagt, wie es aus der nebenstehenden Abschrift eines Briefes ersichtlich ist. Dieser Brief wurde von der Hamburger Hochbahn A. G. an die Eltern der Jungen gesandt, die am 1. April 1951 das Schlosserhand- werk in der Lehrwerkstatt der Hochbahn erlernen sollen. Er tr"gt die Unterschrift des Direktors der Hamburger Hochbahn, Max J"ger. Als Gewerkschaftsjugend verwahren wir uns mit aller Sch"rfe da- gegen, den Eltern sowie dem Lehrling eine solche Mitteilung zu geben, die ihm von vornherein die Freude an dem zu erlernenden Beruf nimmt. 3 ,, ~ ? , 7
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