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Aufwärts
Jahrgang 3, Nr. 23 (November 18, 1950)
Trawinski, Hans
Das richtige Stück?, p. 5
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StbiŸ ? Die Prinzessin auf dem Mond. Der schmutzige Arbeiter und der Herr Bureauvorsteher. Sie sind ganz vom Spiel gefangen. Auf den breiten Stufen der Ruinen spielen sie, mitten in der Groþstadt. Immer mehr hastige eilige Menschen bleiben stehen und bilden einen Kreis. Sie schauen einer Kinderschar zu. Mitten in der groþen Stadt. Sie tragen Schleppen, die nicht da sind, legen sich in Betten, die aus harten Steinstufen bestehen, und bewundern die seidenweichen Kissen, die nur in ihrer Phantasie existieren. Mit ein paar Handbewegungen grenzen sie ihren Spielraum ab, ziehen Zimmerw"nde mit einem St¸ck Kalk, mit einem Fingernagel, und jeder Spieler respektiert diese unsichtbaren W"nde, als seien sie Wirklichkeit. Tief betroffen gehen wir nach einer Weile weiter. Langsamer, besinnlicher. * Zuerst waren wir wenige, und einer sagte: "Wenn wir es spielten, ob es uns dann nicht deutlicher w¸rde?' Und dann spielten wir es. Irgend etwas. Aus dem Stegreif. Eine Gerichtsverhandlung, eine Demonstration, einen Streik, eine Betriebs- versammlung oder sonst irgend etwas, was uns nicht klar war. Und dann sagte einer: "Sollen wir nicht einmal etwas anderes spielen2' Und dann suchten wir das richtige Stuck. * Als wir die Rauberbraut lasen, muþten wir furchtbar lachen. Und dann war es uns etwas peinlich. Die ganze Geschichte kam uns nicht echt vor, nicht so, daþ w ir es wohl h"tten darstellen k–nnen, Nicht, weil wir zu dumm waren, sondern weil es nicht zu uns paþte. Irgendwie war es falsch f¸r uns und unecht und unehrlich. Ja - das war es wohl - unehrlich. Die Menschen da redeten und han- delten so, wie wir es niemals getan h"tten ,.Ali Baba und die vierzig R"uber', oder ãDir Prinzessin auf dem Mond", oder ... aber Ihr kennt ja die St¸cke selbst. Immer das- selbe. Der wilde R"uber mit den saftigen Fl¸chen, das holde Gretchen mit den s¸þen Gebeten, der dumme Bauer und der schlaue Graf, die reiche Prinzessin und der arme Schweinehirt, der schmutzige Arbeiter und der falsche Herr B¸rovorsteher. Immer das selbe. Sie sind sich alle "hnlich * Wir fanden M"rchenspiele und versuchten es damit. "Der Narr'. ,,Halwine", oder ,K–nig Stoffel Schweinehirt". Das war schon besser. Oft waren wir richtig erstaunt, was aus den einzelnen herauskam. Und keiner wurde ein Star. Wir hatten noch nicht gespielt, nur immer f¸r uns geprobt. Aber wir hatten viel dis- kutiert. Hinter die Dinge waren wir gekom- men. Oft hatten wir von einer Figur die verschiedensten Ansichten, und erst im Spiel wurde etwas Ganzes daraus. Aber auch das war noch nicht das Richtige. Wir suchten das richtige Stuck. * Einmal standen wir vor einem groþen Pu- blikum. Unsere Kost¸rme waren einfach. Die meisten hatten sie selbst zusammengetragen. Und geschminkt wurden wir. Alle waren sich fremd, und alle waren sich bekannt. Dann hatten wir Angst. Jeder um jeden und jeder f¸r alle. Es war eine sch–ne Angst. Als dann der Vorhang aufging, da spielte jeder, - nein, keiner spielte, sie taten das, was in ihrem Innersten lebte. Und fielen sich in die Arme und klopften sich auf die Schulter und sagten, es war wundersch–n. Wir hatten f¸r uns gespielt, und der Zu- schauerraum hatte mitgespielt, als st¸nde ei- bei uns, und gehore dazu. Und dann wuþten wir, das ist das richtige St¸ck. * So bitten wir alle, schreibt uns Stucke, die wir spielen k–nnen. Spiele, in denen mit der ganzen Leidenschaft einer Menschen- seele um das Schicksal der Menschen ge- rungen wird, in denen man erkennen kann, daþ die Hacke seqensvoller ist als das Schwert, daþ die Arbeit hoher im Kurs steht als der Mord. Und daþ es der Friede in einer sozialen Gerechtigkeit ist, nach dem sich die Menschen sehnen. Einer, der es wis- sen muþ, hat vor kurzem einmal gesagt: "Solche Spiele gibt es nicht mehr, als man an einer Hand abz"hlen kann.' Wenn ich z"hle, bleiben mir drei Finger frei. * Aber wir wollen spielen, mit der Leiden- schalt wie die Kinder auf der Straþe. Nicht in sch–nen Gew"ndern und nicht in der Schminke wollen wir uns ersch–pfen. Dar- stellen wollen wir unsere Freude, unsere Not, unsere Angst und unsere Sorge. Unser Wort zum Schwingen bringen durch die Geste, die das Wort uns gebietet. Die ganze Liebe unserer jungen Herzen wollen wir ein- flechten in die Spiele, die noch zu schreiben sind, auf die wir warten. Was wir in Worten allein nicht deutlich genug sagen k–nnen, wollen wir im Spiel durch uns selbst verdeutlichen. H.n., Trainsk Ze cnnhngen: Otto Sdte ai 5 D"
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