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Aufwärts
Jahrgang 3, Nr. 3 (February 11, 1950)
H. T.
Atemzüge der Besinnung, p. 11
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machen die Schrauben -- genau wi e N"gel!' Schl¸ter muþte sich f¸r das dumme Schenkel- knallen revanchieren. Er riþ den Mund sehr weit auf:. ãWarum denn, zum Teufel, sind die kantigen K–pfe an den Schrauben dran?' Damit man den Schraubenschl¸ssel ansetzen und somit die klobigen Schrauben besser eindrehen k–nne! entgegnete Kr¸ll. Und diese Schrauben w¸rden meist nur ge- braucht, um schwere Bohlen an schwere Balken zu binden! Das wisse er, so dumm sei er nicht. Aber er wolle ihm doch nicht abstreiten, daþ man kantige Schrauben ebensogut f¸r etwas leichtere. Bretter brauchen k–nne. Kr¸ll wollte keine Vierkantschrauben ver- wenden, fertig! Schl¸ter sagte: äUnd ich will keine gew–hn- lichen Holzsch rauben an dem Kasten dran- haben!' Was Schl¸ter sich einbilde: Ich will keine dranhaben! Wenn schon jemand hier auf dieser Baustelle bestimme, dann er, der Kr¸ll, der zwei Jahre "lter als Schl¸ter seil Schl¸ter lachte breit, lachte rauh, das Lachen hob seinen Arm und legte den schmutzigen Zeigefinger mitten auf die Stirn, fragte, was Verstand mit dem Alter zu tun habe? Sehr viel! Denn die Erfahrung der Jahre l"ge dazwischen! Das sei Quatsch, richtiger Quatsch! Ein Fleiþiger k–nne die Spanne von zehn Jah- ren gegen¸ber einem Faulen ¸berspringen. Kr¸ll nahm seinen Hammer aus der Kiste, hob ihn zitternd in Schulterh–he und fragte, wer hier der Faule sei! Ob Schl¸ter nicht die halbe Zeit austreten gehe! Und wenn man bei ihm die Austretezeit zusammen- rechne, k"men bei zw–lf Dienstjahren zehn Jahre Lokussitzen heraus! Schl¸ter nahm jedenfalls seinen Hammer aus der Kiste und lieþ ihn vor der Brust wippen. Jetzt k"men, so wahr er Schl¸ter heiþe, nur Vierkantschrauben in Frage, da k–nne Kr¸ll machen, was er wolle. Diesmal spiele keine Erfahrung, keine Meinung, son- dern die pers–nliche Kraft eine Rolle. Und er habe durch seine Kraft die Macht, Kr¸ll mit dem kleinen Finger hochzuheben und in der Luft verhungern zu lassen! .Nun ja, das mit Ihrer Macht mag ja alles sch–n und gut sein ... Doch welche Schrau- ben verwendet werden, das bestimme ich noch, der Meister. Und zwar nehmen wir f¸r diesen Kasten Messingholzschrauben, zweiz–llige - --oder sagen wir dreiz–llige Messingholzschrauben i Kri3ll legte seinen Hammer in die Kiste zu- r¸ck, Schl¸ter den seinen auch, und dann, w"hrend der eben ankommende Meister sein Rad gegen einen Bretterstapel lehnte, staunten beide aus einem Munde: ãMessing- holzschrauben?' .Klar, Messingschrauben, drei Zoll lang.'- Das sei Verschwendung! Verschwendung? Nein, im Gegenteil. Der Vorteil gegen¸ber den Eisenschrauben w"re nicht zu leugnen. Sie lieþen sich besser ein- drehen, verwitterten nicht, w"ren geschmei- diger im Material, br"chen nicht so leicht A9C~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 1 i41~eitziiqe der /.3esiiu,1u;lg Viele Dinge sind uns zur Gewohnheit ge- worden, und wir schreiten viele hundertmal achtlos daran vor-¸ber, mit anderen Dingen besch"ftigt. Jahre gehen wir denselben Weg, Vogel- stimmen haben unseren Weg begleitet, wir haben es nicht vernommen. Und eines Tages -werden uns die Vogelstimmen zu einer kleinen k–stlichen Sinfonie. Wir stehen und lauschen und haben ein Erlebnis. Wir gehen durch Anlagen, die in jeder Jahreszeit etwas Sehenswertes bieten. Tage und Wochen sind wir blind gegen das Sch–ne am Wege. Eines Tages nehmen wir es wahr, in der Farbenpracht des Bl¸hens, in der herzerfreuenden Buntheit ihres Seins. Jahreschreitet man in klaren N"chten unter dem Sternenzelt, den Blick gesenkt, nur das Ziel vor Augen. Einmal blickt man bewun- dernd auf, die Sch–nheit, die K–stlichkeit und das Wunder des n"chtlichen Himmels- domes erfassend. So sind es viele kleine Dinge, die unser ab und rosteten-- sechstens-- nicht so leicht ein. Sie w"ren aber weicher, erwiderten die beiden Gesellen, und beim kleinsten Druck w¸rden sie sich krumm ziehen-- nein, besser seien Messingschrauben auf keinen Fall! Wenn er das behaupte, m¸sse er, der Theoretiker, den Praktikern das einmal be- weisen. t"gliches Leben ber¸hren, die, erlebt, zu Atemz¸gen der Besinnung werden. Die spielenden Kinder auf Straþen und Pl"t- zen, ein schreitendes Pferd, ein einzelner Baum, die Fassade eines Hauses, der Klang einer Glocke, ein Blick auf den 'Strom und viele andere Dinge, die an uns vor¸berglei- ten, k–nnen zu kleinen Erlebnissen werden. Und wenn unsere Betrachtungen auch nur Sekunden w"hren, h–chstens Minuten, sind es nicht k–stliche Augenblicke, die uns sehen, h–ren und f¸hlen lernen? Zeigt uns nicht jeder kleine erlebte Augenblick, wie- viel Sch–nheit und Erlebnis wir achtlos vor- ¸berziehen lassen? Ein kleiner Blick f¸r die Geschehnisse und die Sch–nheiten des Alltags, wenn er auch nur sekundenlang w"hrt, ist ein Augenblick, der uns vieles leichter macht, der uns neue Kr"fte sch–pfen l"þt. Erlebnisse des Alltags sind Atemz¸ge der Besinnung, und Atemz¸ge der Besinnung sind Kraftquellen des Alltags. H. T. Das k–nne er tun, sie sollten mitkommen, in die Werkst"tte des ihm bekannten Schreinermeisters dort dr¸ben. Jeder m–ge dort auf seine Art ein Brett an einen Bal- ken schrauben, dann wolle er in h–chstens f¸nf Minuten beweisen, daþ Messingschrau- ben nicht zu ¸bertreffen w"ren. Er ging vor ihnen her und dr¸ckte ihnen, uberlegen lachend, die Werkstatt¸r auf, Die Beweisaufnahme jedoch. schien sich schwieriger zu gestalten als prophezeit, die funffache Zeit verstrich, da erst wieder –ff- nete sich die T¸r. Der Meister trat als erster heraus, drehte sich aber zu den nachkom- menden Gesellen um und gestikulierte energisch mit den Armen: ãAlso nur Mes- singschrauben!' Dann blieb ihm der Mund offenstehen. Da stand der Kasten ja bereits fix und fertig zusammengebaut ... ,Womit hast du denn die Bretter fest- gemacht!?' br¸llte er. Der Lehrjunge. mit der Raspel l"ngst wie- der angelangt, fiel bei diesem rauhen Ton fast auf den R¸cken, er wich erschreckt zu- r¸dc. und stotterte: ãMit - mit- - mit vierz–lligen N"geln!' Der Meister vermied es, die Gesellen anzu- blicken, er nahm sein Fahrrad - und die Gesellen wollten, da sie an dieser Baustelle fertig waren, Werkzeug und Ger"te auf- laden. Matihias Ludw~q Sdhroedei 1 1
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