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Aufwärts
Jahrgang 2, Nr. 21 (October 8, 1949)
Johi
Sekunden, die Entscheiden, p. 13
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f ekunden, die e¸ulsc4eidetn Nat¸rlich, werdet ihr sagen, nat¸rlich ent- scheiden im Sport Sekunden. Ein Tor wird nicht in f¸nf Minuten geschossen, ein Ko- Schlag dauert keine Ewigkeit, und ein 100- m-Lauf ist kein Spaziergang. Das weiþ ich selbstverst"ndlich auch. Ich will euch nur von einigen F"llen erz"hlen, in denen be- r¸hmte Sportler im entscheidenden Moment ihre Nerven behielten. Da war der Boxer Dempsey, der einmal schon fast verloren hatte und doch gewann, und das andere Mal, vor dem sicheren Sieg stehend, verlor. Verlor, einfach, weil er seine Nerven verloren hatte. Das erstemal war, als er gegen den Argen- tinier Luis Firpo seinen Weltmeistertitel verteidigte. Es war in der ersten Runde, als der ziemlich sorglos boxende Dempsey von dem ungeschlachten, aber ungeheuer star- ken "Stier der Pampas' ans Seil gedr"ngt und dort von ihm erwischt wurde, ungl¸ck- lich durch die Seile fiel und auf dem Ring- richtertisch landete. Mit ungeheurer Wil- lenskraft riþ er sich zusammen, kletterte wieder nach oben - wobei, um die Wahr- heit zu sagen, einige H"nde halfen. Er kam ¸ber diese Runde, und in der dritten Runde schlug er seinerseits Firpo zu Boden. Aber beim zweitenmal war er der Zahler. In Chikago war es, und diesmal war Gene Tunney sein Gegner. Der Mann, der ihm seinen Titel abgenommen hatte und dem er ihn jetzt wieder abjagen wollte. Er wuþte, nach Punkten konnte er diesen In- telligenzboxer nie schlagen. Seine einzige Chance war der Sieg durch Niederschlag. Und er traf ihn auch, diesen rundenlang ihn geschickt ausman–vrierenden Tunney. Traf ihn mit einer Rechten knallhart, und der Weltmeister lag auf den Brettern. Der Ring- richter z"hlte 1, 2, 3, 4, 5, 6, und dann be- merkte er, daþ Dempsey nicht in die neu- trale Ecke gegangen war, wie er muþte. Er stoppte, schickte den ,Mansasse-Mauler' hin- ein und begann von vorn mit Z"hlen. Wert- volle Sekunden waren verloren, und bei acht war Tunney wieder da. War oben und f¸r den Rest des Kampfes vorsichtig. Und Jack erwischte ihn nie mehr. Es gab f¸r ihn kein come back. konnte man die ungeheure Spannung lesen. Wird der Deutsche, wird der K–lner Engel es schaffen? Keine Muskel zuckt im Antlitz des jungen K–lners, ruhig, fast zu ruhig f¸hrt er seinen Gegner in die Kurve. Und dann ein Aufschrei! Der D"ne ist abgefah- ren. Wie ein Habicht st–þt er vor - ge- winnt im Handumdrehen zwei, drei, vier Radl"ngen. Den 20 000 bleibt der Atem stehen. Ist Engel verr¸ckt geworden? War- um kommt er nicht? Der scheint sich indes- sen an alles nicht zu st–ren. Sorgsam tastet seine rechte Hand- den Hinterreifen ab, ob nicht etwa ein Steinchen auf der Decke sich festklemmte. Dann spannen sich seine Z¸ge. Eisern packen seine H"nde den Lenker, und dann, dann legt er los. Holt Meter um Me- ter gegen den mit letzter Kraft fahrenden Falk-Hansen auf. N"her und n"her r¸ckt das Ziel. 20 000 springen von den Sitzen, ein einziger Schrei l–st sich gequ"lt von 20 000 Lippen ... Engel! Und dieser Engel scheint pl–tzlich Fl¸gel zu bekommen. Jetzt hat er das Hinterrad des D"nen... jetzt ist er fast auf gleicher H–he... jetzt... noch einmal spannt sich der junge schlanke K–r- per des K–lners, noch einmal treten die Beine in die Pedale, und dann schieþt er an seinem Gegner vorbei. Das Regenbogen- Trikot ist sein. Auf den R"ngen umarmen sich wildfremde Menschen. Toll vor Freude. Frift Szepuns schw–rzester Tag 1941. 100 000 im Berliner Olympiastadion halten den Atem an. Wird Binder, der lange schlaksige Sturmf¸hrer der Austria, auch den dritten Freistoþ in die Tor- maschen fegen? Wird er aus 30 bis 35 Meter das Kunstst¸ck fertigbringen, den Riesen Klodt im Tor der Schalker Knappen zum viertenmal zu schlagen? So wie er es fertigbrachte, den sonst so gelassenen Schal- ker Szepan zum drittenmal aus der Ruhe zu bringen und ihn zu einem erneuten Foul zu verleiten! So wie er es fertigbrachte, die ganze Elf der Knappen j"h aus dem Sieges- traum zu reiþen! Denn die K–nigsblauen hatten schon mit 3:0 in F¸hrung gelegen, und keiner, aber auch keiner h"tte vor einer Viertelstunde einen Pfennig f¸r den Sieg der Rapid-Leute gewettet. Indessen nimmt sich ,Bimbo' Zeit. Ruhig legt er das Leder auf den vom Schiedsrichter bezeichneten Punkt, geht zur¸ck, nimmt An- lauf. Die Lederkugel hebt sich in die Luft, gebannt folgen die Blicke der Hunderttau- sende dem Ball. Jetzt fegt er ¸ber die Ab- wehrmauer... Klodt springt in die Ecke... reiþt verzweifelt die Arme hoch. Vergeb- lich... Zentimetergenau sitzt das Leder im Torkreuz! Rapid f¸hrt 4:3, man f¸hlt es, die Entscheidung ist gefallen. Und auch ein End- spurt der Schalker n¸tzt nichts mehr. Die Wiener sind Deutscher Meister 1938. Johi. Weltmeister Jadc Dempsey und Max Sdcmeling vor 25 Jahren. Ein Engel fuhr wie der Teufel Oder nehmt diesen Endlauf der Radrenn- meisterschaften 1927. Am Start die beiden Amateure Mathias Engel (Deutschland) und Willi Falk-Hansen (D"nemark). Der Start- schuþ war gefallen, und die letzte Runde war angel"utet. Wie die Luchse bewachen sich die beiden Rivalen, und 40 000 Augen wachen mit. Und in 20 000 Gesichtern Fotos: Ardciv (3) Der Elfmeter Freunde, ihr wiþt, vom Hosianna zum ,Kreu- zigt ihn' der Masse ist im Sport wie im Le- ben nur ein kleiner Schritt. Aber habt ihr, wenn ihr sonntags am Rande des Spielfeldes steht und das Spiel eurer ersten Elf verfolgt, - wenn ihr aus tiefstem Herzen emp–rt seid, wenn einem eurer Spieler ein Kick miþr"t, wenn ein anderer ein todsicher scheinendes Tor ausl"þt, habt ihr, wenn ihr dann eure Entt"uschung laut zum Ausdruck bringt, habt ihr euch dann auch schon einmal ¸ber- legt, wie sehr ihr dabei jemand unrecht tun k–nnt? Denn auch der Spieler der ersten Mannschaft ist ein Mensch, ein Mensch wie ihr und ich mit guten und schlechten Tagen. Doch das nur zur Einleitung. Denn ich will euch die Geschichte eines Elfmeters erz"h- len, die mir diese Woche der Trainer der Dellbr¸cker Preuþen Kr¸gel berichtete. Es war vor dem ersten Meisterschaftsspiel des Klubs in dieser Saison, als Trainer Kr¸- gel seinen elf Jungen die letzten Anwei- sungen gab und abschlieþend sagte: .Und wenn ein Elfer gegeben wird, dann schieþt den wie immer Schl–mer. Da meldete sich der lange Dellbr¸cker und meinte: Heute m–chte ich eigentlich, wenn wirklich ein Elfer verh"ngt wird, den nicht schieþen. Im Tor der Alemannia Aachen steht Heinrichs. Der kennt mich von den Stadion-Lehrg"n- gen genau, und ich habe nicht den richtigen Mumm. ,Gut', sagte Kr¸gel, dann schieþt ihn der Sch"ng. Und wenn dann noch einer kommt, dann bist du wieder dran.' Die bei- den waren einverstanden und die Sache er- ledigt. Wenigstens vorl"ufig. Denn hinterher im Spiel wurde tats"chlich ein Strafstoþ verh"ngt. Gelassen stelzt Sch"ng, der lange kr"ftige Verteidiger, nach vorn. Doch... da... Was ist das... Erst ruft einer aus der Menge, dann mehrere - dann hunderte - dann tausende.... Schl–mer soll schieþen! Schl–- mer soll schieþen! Was wuþten die, daþ Schl–mer nicht wollte. Daþ auf dem bleichwerdenden Paffrath die ganze Last der Verantwortung lag. Denn das Spiel stand 1:0 f¸r den Gegner, und Schl–mer, das wuþten die drauþen, schoþ sonst die Elfer. Schoþ sie t–dlich sicher! Langsamer, immer langsamer werden die Schritte von Sch"ng, und lauter, immer lau- ter schreit die Menge - Schl–mer soll schie- þen! Schl–mer soll schieþen! Fieberhaft arbeiten' die Gedanken im Kopf des Trainers am Spielfeldrande. Wird der Sch"ng die Nerven behalten? Soll doch der Willi... Er schaut auf Willi. Der sch¸ttelt verneinend den Kopf. Das entscheidet. Der Sch"ng wird schieþen. Ein kurzer Anlauf... Zischend saust das Leder in Richtung Tor. Blitzschnell reagiert dort Heinrichs. F"llt und hat den Ball! Hat ihn, weil er schlecht placiert geschossen wurde. Hat ihn, weil dem Sch¸tzen die Ner- ven versagten. Hat ihn, weil die Vereins- anh"nger vorher den eigenen Spieler ent- mutigt hatten! Das war die Geschichte eines Elfmeters. Und ihr sollt sie aufmerksam lesen, sollt aus ihr lernen. Johi. 13
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