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Vertriebene, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, heimatlose Ausländer : 1949-1952
(1953)
13. Das Bundesvertriebenengesetz, pp. 43-44
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13. Das Bundesvertriebenengesetz Bereits das Grundgesetz hatte in Art. 116 Abs. 1 die rechtliche Gleichstellung der deutschen Vertriebenen oder Fluchtlinge im Grundsatz anerkannt. Weitere Gesetze, z. B. das Gesetz zu Art. 131, das Soforthilfegesetz und das Lastenausgieidchsgesetz, hatten ihre Rechtsstellung weiter ausgebaut. Das Bundesvertriebenengesetz wird nunmehr den Vertriebenenbegriff bundesein- heitlich festlegen. Es sdhafft damit fur die weitere Vertriebenengesetzgebung eine Grundlage, deren Fehlen sich bisher sowohl fUr die Vertriebenen als auch fUr die Verwaltung unangenehm bemerkbar madhte. Im Bundesvertriebenengesetz werden augerdem die besonderen Magnahmen zu- sammengefalt, die fUr die Eingliederung der Vertriebenen von wesentlicher Bedeu- tung sind. Dies geschieht fUr die vertriebenen Bauern und Landwirte durch eine erhebliche Intensivierung der bisherigen Fluchtlingssiedlung, fur die selbstandig Er- werbstatigen durch Gewahrung von steuerlichen Erleichterungen und Kredithilfen, fUr die vertriebenen Arbeitnehmer durch Bestimmungen uber bevorzugte Vermittlung und Einstellung sowie die Schaffung von Dauerarbeitsplatzen, fUr freie Berufe, z. B. Arzte, dadurch, dali sie ohne RUcksicht auf die bereits Zugelassenen einen Tatigkeits- bereich zugewiesen erhalten, und schlieglich fur Handwerker durch ein erleichtertes Verfahren bei der Eintragung in die Handwerksrolle. Alle Besdixankungen, die im geltenden Landes- oder Gemeinderecht fur Vertriebene darin bestehen, dal die Aus- uibung von Redten an besondere Beziehungen zu einem Land oder einer Gemeinde geknupft sind (Geburtsort, Wohnsitz, Dauer), entfallen kunftig fur die Vertriebenen. Auf dem Gebiete der Sozialversicherung wird die grundsatzliche Gleichstellung mit den Einheimischen normiert, wobei Einzelheiten einem besonderen Fremdrentengesetz uberlassen werden. Weiterhin sind Bestimmungen uber die Anerkennung von Prii- fungen und den Ersatz von Urkunden, die zur Berufsausbildung erforderlich sind, mit dem Ziele einer schnellen Ersatzbeschaffung vorgesehen. Von besonderer Bedeutung ist die Regelung der vor der Vertreibung begriindeten Verbindlichkeiten. Sie lehnt sich an das Vertragshilfegesetz an, mit dem Unterschied, dali nicht der Schuldner, sondern der GlHubiger den Vertragshilferichter anrufen mul, um zu verhindern, dal seine Forderung nach Ablauf einer bestimmten Aus- schlulfrist zur Naturalobligation wird. Aulierdem mul der Vertragshilferichter bei seiner Entscheidung grundsatzlich die Verm6gensverhaltnisse der Beteiligten, nicht im Zeitpunkt der Entscheidung, sondern am 21. 6. 1948 zugrunde legen. Die vorge- sehene Schuldenregelung wird gleichzeitig eine Schuldenbereinigung darstellen, die fur die wirtschaftlicheEingliederung derVertriebenen von aulierordentlicherBedeutung ist. Schlieglich wird im Bundesvertriebenengesetz den Vertriebenen ein Rechtsanspruch auf Zusammenfuhrung mit ihren Angehorigen eingeraumt, um die durch die Ver- treibung verlorengegangenen Familiengemeinschaften wieder herzustellen. Ferner werden im Bundesvertriebenengesetz zwei Grundsatze von allgemeiner Bedeutung aufgestellt. Die Sonderrechte und Vergunstigungen sollen durch Verwal- tungsakt dann entzogen werden konnen, wenn die Eingliederung des Vertriebenen in das wirtschaftlidie und soziale Leben der neuen Umgebung in einem seiner fruheren wirtschaftlichen und sozialen Verhaltnissen entsprechenden Malie erfolgt ist. Begun- stigende Magnahmen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sollen an Vertriebene nur solange gewahrt werden, bis die Paritat mit den Einheimischen erreicht ist. Unter 43
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