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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Peter Suhrkamp, pp. 156-157
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verdichtet. Billiges Bezugsrecht gab es allemral irgendwo, und da und dort den besonders profitlichen Auftrag. Direktoren und Angestellte sorgten durch Unterschlagungen wohl fur nervbse Zwischenfalle, doch hatte Heidenstam auch auf sie nicht verzichten mogen, weil diese ihm in seinen Augen den SchuB Wagemut gaben, ohne den der homme d'affaires nicht denkbar ist. Er lebte der tUberzeugung: es sei der liebe Gott ein bewundernswerter Frasident der Gesellschaft ,,Deutschland", der verstunde, bei billigen Lohnen und gutem Verdienst fuir seine, Heidenstams, Bediirfnisse die Geschafte gehen zu lassen. Im Hinblick auf den jahrelang gtinstigen Dividendenstand war er auch mit jeder, woher immer befohlenen Mal3regel einverstanden. Manchmal wunderte ihn ein Gesetz, eine Polizeivorschrift kam ihm drollig vor. Im ganzen aber liel er es in der Gewil3heit gehen: der JahresabschluBl wird eher besser sein. PETER SUHRKAIIP Peter Suhrkamnp ist 1891 in einem Dorf im Oldenburgischen geboren worden. Er war vier Jahre Soldat im ersten Welt- krieg. Nach dem Kriege studierte Suhr- kamp in Mtnchen, machte sein Ober- lehrerexamen, wurde einer der Leiter der Wickersdorf-Schule, spater Regisseur in Darmstadt; danach war er Redakteur der Ullstein-Zeitschrift ,,Uhu", von wo ihn der alte S. Fischer als Lektor und Redakteur der ,,Neuen Rundschau" an seinen Verlag holte. Wahrend des Nazi- regimes versuchte Suhrkamp in Opposi- tion zu den Direktiven des Goebbelsscherm Propagandaministeriums den S. Fischer- Verlag in seinem alten Geiste weiterzu- flired. Er kampfte jahrelang zah MIr die Erhaltpng des Verlagsnamens, his schlielilich 'im Zuge der Arisierungsver- ordnungen auf direkten Befehl der Nazi- behorden der alte Verlagsname verboten wurde und Suhrkamp gezwungen wurde, den Verlag, den er leitete, als Suhrkamp- Verlag zu bezeichnen, eine Malinahme, die seinen Widerstand gegen die Kultur- barbarei des Nazismus nur versteifte. Im April des Jahres 1944 wurde Suhr- kamp von der Gestapo verhaftet, des Hoahverrats angeklagt und nach schweren Milhandlungen in das bertichtigte itnzen- trationslager SarJsenhausen eingeliefert. Peter Suhrkamp, der eine der vorbild- lichsten, mit Recht geachtetsten Erschei- nungen unter den deutschen Verlegern ist, trat auch als Schriftsteller hervor. Ein Zeugnis dessen ist der Essay ,,BER DAS LESEN", der die Einfilhrung zu dem von ihm verlegten ,,Taschenbuch ftir junge Menschen" ist; diesem Almanach haben wir die folgende Probe entnommen: Wie die meisten Menschen es sich In Ihrem Umgang, in der Wahl ihrer Freundschaften bequem machen, indem sie nur Menschen dafur wahlen, mit denen sie harmonisieren, die ihnen ahnlich sind, in denen sie sich bestatigt finden, und also im'andern nur sich suchen, A lesen viele Menschen gern das, was sie im ersten Moment anspricht, was ihrer Stimmung entgegenkommt, worin sie sich wiederfinden oder zumindest sich spiegeln und mit sich schbn tun kbnnen. Das, was ganz anders ist, das Fremde, das Schwierige, wird ignoriert oder fortgeschoben. Diesem Verhalten liegt ein falsehes Verhaltnis zur Welt zugrunde, ich mochte sagen: Mangel an Welt. Es ist ein Sichstrauben gegen die Welt und zutiefst Lebensschwache. Man kann beobachten, dali solche Menschen sich selbst nicht kennen und sich -nicht kennen wollen. Sie kdltivieren ein Bild voa sich; sich, so wie sie sind, lehnen sie ab; sie sind ihre eigenen Feinde; Menschen mit latentem, schlechtem Gewissen. Das ist ein schlimmer Zustand. Nirgends wird so offenbar, daBl Demut und Liebe zwei Seiten desselben Wesens sind, daB unsere Tugenden u n d unsere Fehler unsere Kraft sind; daB wir nur in der Welt uns linden konnen; und dali
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