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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Walter Mehring, pp. 117-118
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Augenblick abzupassen, in dem es m6glich war, durch den endlos stromen- den Verkehr auf die andere Seite zu gelangen. Plotzlich, die Strale war gerade frei, fithite ich, daB ich nicht mnehr sehen konnte Ich starrte in die strahlenden roten Leuchtreklamen von gegenuber; sie zerflossen zu elnem riesigen roten und weiBcn Flammenmeer. Mir schwindelte, ich griff mit der Hand an die Stirn, die Zeitungen liel3 ich fallen. In mir schien alles wie Feuer zu brennen, und im nachsten Augenblick lief wieder die Kalte wie ein eisiger Strom durch meinen ganzen Korper. Was ist denn? dachte ich. Stehenbleiben! Nur, stehenbleiben! Das war alles, was ich dachte. Dann wurde mir schwarz vor den Augen. Als ich wieder z9 mir kam, merkte ich, daB ich auf einem Stuhl auf der Terrasse des ,,Napoli" saB ... Ein paar Menschen standen um mich herum, man starrte mich neugierig an. Ein Polizist sprach ruhig und freund- lich auf mich ein. Er hielt ein Glas Kaffee in der Hand, mechanisch, ohne die Leute ringsum zu beachten, nahm ich es ihm ab und trank es aus. Dann ffulte ich mich etwas besser. Der Polizist nickte mir zu. ,,Glauben Sie, dall Sie jetzt allein nacli Hause gehen konnen?" fragte er. Ich nickte. Pldtzlich fuhlte ich die starrenden Blicke der Menschen ringsunm fast kbrperlich auf mir ruhen. Da packte mich eine tiberwaltigende Todes- angst. Von Furcht und panischem Schrecken gejagt, sprang ich auf, griff nach meinen Zeitungen und rannte fort, ohne mich auch nur umz'is-h-n. WALTER MEHRING Meisterhafter Beherrscher des politischen einer deutschen Sippe". Welche Tone ihm Chansons, wurde 1896 in Berlin geboren. zu Gebote stehen. zeigt denen. die ihn Piscator ftthrte seinerzeit Mehrings nicht kennen, die .ODE AN BERLIN" ,.Kaufmann von Berlin' auf. Er emigrierte in dem von Erich Grisar herausgegebenen und schrieb im Exil seine BiBcher ,,Und Sammelband ,,Denk' ich an Deutschland euch zum Trotz" und ,,Muller, Chronik in der Nacht" (Verlag ,,Vo'k und Zeit"): Manchmal berliner tek aus'n Traume Und soone Trdne kullert mir uffs Chemlsett, Ick h6re immassu: ,,Nu sind wir frel im deutschen Raumel" Nee, Emil, nich, det ick dir flaume. Emil, angler nanu (entre nous): Jloobst'n det: Jloobst'n det? I. Ihr Spreeathener rauh mit defter Plauze: Wir kenn uns doch, mir kommt ihr doch nich doom. Der helle Deez, die wunderbare Schnauze, Der vierte Hinterhof mit Feez und Schwoof, Die jriene Minna, und die Mutta Jrien Und sonntachs nach die Miiggelberje peesen - Mir wolt a wat erssahln von fremdem Wesen? Mir nich, Berlin! Mir nich, Berl In Ick war doch immer mang eich man gmit H-erz und Breelenr Del is der Dank - is das der Dank? Von n.ejenl
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