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Drews, Richard; Kantorowicz, Alfred, 1899- (ed.) / Verboten and verbrannt, deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt
([1947])
Bernhard Kellermann, pp. 86-88
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legung der Achselstficke ulld AblegUng der rotelt Abgelchen. Das sollte Diplomatie sein - man wollte die Bewegung mitmachen und Im. geeigneten A'lgenblick ihref HePP werden. ')ie Soldaten selber waren vollig unschlusslg. Bel uns splelte die Kuh die Hauptrolle - sie wurde geschlachtet. Die Offiziere konnten nicht mehr selbst kochen lassen, sie muBten sich ihr Essen von der Feldkuiche holen lassen. Um Befehle ktlmmerteeman sich nicht mehr; abet eb gab ja nuf noch einen Befehl: RUckmarsch - und diebmen Befehl 'befolgten alle. Unterwegs lieB man die Offiffiere geWifhren, Uid dib Offiziere wareh froh, wenn man s8e unbehelligt Iiel3. So vollzog sich der Stillstand der Maschinerie an der Front In Lothringen. Das Heer war hier keineswegs revolutioniert, aber es war auch keineswegs Irgendeines Widerstandes fdhig, und der Durchbruchsversuch, den Amerikaner und Franzosen am 12. November unternehmen wollten, hatte diese sehwach besetzte, schlecht armilerte Front Im Nu aufgerissen, die allilerten Heere hatten nach einigen Tagen an der Sear gestanden, Metz umgangen, die RUck- zugsstraBen aus Belgien gefahrdet, das 3isaB abgeschnittee den Weg zum Rhein frei gemacht - ein Cannae hatte sich erftillt, wie es die Weltgeschlchte noch nWe erlebt hat. Die Niederlage der deutschen Armee walre dann auch den DU mmsten off enbar geworden, eine Niederlage, die bereltb In den ersten N )lembertagen entschieden War. Das deutsche Heer hat am Ende des Krieges keinen Kampfwert mehr besessen, es War vollig erschopft, schlecht aus- gertistet, dezimlert, demorallaiert und keifle Waffe fnehr In der Hand selner hoffnungslosen, verzwelfelten, hasardlerenden VfUhrer. ]HERIRNARD KELLIERMANN Wurde 1870 In F'lrth geboren, schrieb mit ,,Der Tunnel', der sp~ter verfllmt wurde. 25 Jahren die farte Liebesgeechiclite ,,Der 9. November", ein ReVolutionsroman, ,,Yester und Li", spster ,Ingebot1", eiheh kam 19i3 auf den Indek. Kellerfiann lebt von Waldromantik effilllten Roman, dem in Werder bei Berlin. Hier ein Abschnitt die Romane ,.Dei Tor" und ,,Das Meer" aus seinem Roman ,,DER 9. NOVEM- folgten. Einen groflen Namen machte er BEt", irilher bei S. Fischer und ktlrzlich Sich mit dem virtuos ertdhlten Roman lieu im AUfbau.VeK'ag, Berlin, erschienen: Der KrUppel bog In die Linden eih uid naherte sieh der grauen Limou- sine, die vor Stifters Diele stand. Er strich neugierig um den Wagen herum. Schwerdtfeger saB3 im Schatten des Autos auf dem Buirgersteig und nahm wie gewbhnlich sein Mittagessen ein, ein Stuck Brot mit etwas Kase, welter reichte es nicht. Wie aile Soldaten erhielt er zwel Mark dreiunddreiiig Pfennige am Tage und zwei Mark Verpflegungsgelder dazu. Augenblicklich sprang Schwerdtfeger auf und iahm Haltung an. Der Krtippel war Offizier, Schwerdtfeger hatte ihn frtiher schon einmal gesehen, Ja, wie ein Gymnasiast, mit schneeweillen Haaren, grollen, flebernden Augen und kreidigem Gesicht, das unaufhorlieh zuckte. Der Krtippel schwang sich In Stifters Diele. Hier, in einer halbdiistern Nische des vornehmen Restaurants, sah er ein erdiges Gesicht mit schwarzen Augenhoihlen und einen Blick, der brannte, ohne etwas zu sehen. Auch Stifters Diele war fast leer. ,,Ist es erlaubt?" fragte der Kruppel. 86
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